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Her mit dem Schlichterspruch!

Nach der heftigen Kritik von Verlagen und Börsenverein an dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für eine Reform des Urhebervertragsrechts meldet sich jetzt der Verband der Literaturübersetzer VdÜ zu Wort. Der Verband äußert ebenfalls deutliche Kritik an dem Entwurf, allerdings aus ganz anderen Gründen als die Verlage.

„Im Gesetz fehlt ein verbindlicher Schlichterspruch als Konfliktregelungsinstrument“, ist die zentrale Aussage der VdÜ-Stellungnahme. Das sei die Lehre aus den Erfahrungen der vergangenen 13 Jahre: Bei der Reform des Urhebervertragsrechts von 2002 habe der Gesetzgeber das Ziel festgelegt, dass die Verbände von Urhebern und Verwertern flächendeckend Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) aushandeln sollen. Tatsächlich sei eine solche Vereinbarung für die Literaturübersetzer wegen des anhaltenden Widerstands der Verlage aber nicht zustande gekommen.

Jetzt betont der VdÜ noch einmal: „Aus Sicht der LiteraturübersetzerInnen ist alles gut, was zu Gemeinsamen Vergütungsregeln führt.“ Daran ändern aus Sicht des Verbandes auch die höchstrichterlichen Urteile zur Übersetzervergütung nichts, die er in den vergangenen Jahren erstritten hat. Die Erfahrung zeige, dass sich insbesondere die Konzernverlage „aus allen Urteilen die Rosinen herauspicken und es darauf ankommen lassen, im Einzelfall vom Übersetzer wegen ,geringer Differenzen‘ schon nicht verklagt zu werden.“
Gerade die Verhandlungen mit den Konzernen seien aber sinnlos, wenn es keine Möglichkeit gebe, bei ergebnislos verlaufenden Gesprächen einen verbindlichen Schlichterspruch herbeizuführen. Nur so könne bei den Verlagen der nötige Einigungsdruck erzeugt werden.    

Zu immerhin „mittelbarem“ Einigungsdruck könne das geplante Rückrufsrecht für Urheber nach 5 Jahren führen, heißt es weiter in der Stellungnahme des VdÜ. „Der Börsenverein betont bereits, wie vernichtend ein Rechterückfall nach fünf Jahren für die Verlage angeblich wäre. Wir erklären hiermit und auch in Gesprächen mit den Verlagen, dass wir jedenfalls bereit sind, auf dem vom Reformvorschlag gegebenen Weg der GVR diese Last von den Verlagen zu nehmen.“

Die komplette Stellungnahme des VdÜ im Wortlaut:

1. Das bestehende UrhVR ist unwirksam

Das UrhvR als „Stärkungsgesetz“ zu formulieren, war nötig aufgrund der gestörten Verhand-lungs¬parität zwischen kreativen Einzelnen und den ihnen wirtschaftlich und organisatorisch weit überlegenen Auftraggebern. Dass hier ein schwerwiegend gestörtes Gleichgewicht vorliegt, hat das Bundesverfassungsgericht im November 2013 noch einmal bestätigt, ebenso wie das Recht des Gesetzgebers, hier in die Vertragsfreiheit einzugreifen: 1 BvR 1842/11 und 1 BvR 1843/11. Der entscheidende Mangel des UrhVR von 2002 liegt darin, dass es nicht zu einer  durchsetzbaren Stärkung der Urheber geführt hat.
 
Beispielsweise Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) aufzustellen, gibt das Gesetz ausgerechnet der einver¬nehmlichen Regelung durch die beiden ungleich starken Partner Urheber-Verwerter auf.  Das mag ohne weitere gesetzliche Regelungen in der besten aller Welten funktionieren, falls es die denn gibt – in unserer nicht. Streikmöglichkeiten fehlen uns freien Urhebern. Im Gesetz fehlt ein verbindlicher Schlichterspruch als Konfliktregelungsinstrument, das Einigungsdruck auf beide Seiten ausübt. Desweiteren fehlt eine Regelung, mit der Urheberverbände auf dem Wege der AGB-Kontrolle gegen das massenhafte Unterlaufen angemessener Vergütungshöhen, wie sie in höchstrichterlichen Urteilen oder von bestehenden GVR definiert werden, vorgehen können. Solange einzelne Kreative das tun müssen, droht ihnen der Verlust des Auftraggebers. Der Sinn des Stärkungsgesetzes bleibt unerfüllt.

2. Alles ist gut, was zu Gemeinsamen Vergütungsregeln führt

Aus der Sicht der LiteraturübersetzerInnen ist alles gut, was zu Gemeinsamen Vergütungsregeln (GVR) führt: Niemand kann die Belange unserer Branche so sinnvoll und mit soviel Sachkenntnis regeln wie die Branche selbst. Dazu müsste freilich bei den entsprechenden Verhandlungen Gleichheit der Augenhöhe herrschen. Diese fehlt aber aufgrund der mangel-haften Gesetzeslage. Leider gilt hier Punkt 5, s.u.

Nach der Urhebervertragsrechtsreform 2002 haben wir mit Verlagen Verhandlungen begonnen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels wurde dabei vor Gericht als unzuständiger Verhandlungspartner erklärt. Erst nach einer Reihe von Einzelklagen von Übersetzern und nach dem im Referentenentwurf genannten Verfassungsgerichtsbeschluss konnte unser Verband im Frühjahr 2014 mit einer Gruppe von Verlagen GVR aufstellen, die einen gedeihlichen Interessenausgleich leisten. Seither haben alle Beteiligten Rechtssicherheit, es gibt zwischen ihnen keinerlei gerichtliche Auseinandersetzungen mehr.

Wie stark befriedend GVR wirken, zeigt sich hier: Ein Rechtsstreit in Sachen Übersetzervergütung wurde bis vor das Verfassungsgericht gebracht (AZ s.o. unter 1.) Nach Vorliegen der GVR haben sich der betreffende Übersetzer und der Verlag – Mitunterzeichner der GVR – auf Grundlage der GVR umfassend geeinigt.

Freilich will das Gros der Verlage – das sich Vergütungsverhandlungen verweigert hatte, namentlich die Konzernverlage, die größten Anbieter von Übersetzungsverträgen – diese GVR nicht als für sich verbindlich anerkennen.  Wir sind also trotz dieser GVR und ihrer punktuell segensreichen Wirkung nicht viel weiter.

Ohne verbindlichen Schlichterspruch hat es aber keinen Sinn, mit den Konzernen zu verhandeln. Sie würden sich an einen nicht verbindlichen Schlichterspruch ebenso wenig halten wie an höchstrichterliche Urteile – die Erfahrung zeigt, dass sie sich aus allen Urteilen, bis hin zu denen des BGH, die Rosinen herauspicken und es darauf ankommen lassen, im Einzelfall vom Übersetzer wegen „geringer Differenzen“ schon nicht verklagt zu werden. Für die Verlage sum¬mieren sich diese Beträge auf, die Hausverträge unterlaufen die angemessene Vergütung standardisiert.
 
So schreibt am 26.2.2015 der Geschäftsführer des Rowohlt Verlages (Holtzbrinck-Konzern) dem Vorsitzenden unseres Verbandes:

„… Wie Sie wissen, vergütet Rowohlt seit Jahren nach Maßgabe des BGH“ – er bezieht sich hier auf die für die Übersetzer ungünstige Absatzbeteiligung ab 5000 verkauften Exemplaren eines Buches, unterschlägt aber, dass Rowohlt jahrelang bei vom Verlag willkürlich im Vorhinein als „Bestseller“ deklarierten Büchern die Absatzbeteiligung halbierte. Weiter schreibt er: „Die vom BGH ausgeurteilte … [für die Übersetzer günstige] … Vergütung der Nebenrechtser-löse halten wir für verfehlt …“ – und der Verlag unterläuft sie daher. Das ist die dort herrschende Rechtsauffassung: Was für uns günstig ist, übernehmen wir, was nicht, wenden wir nicht an. Sollen die Übersetzer klagen, sie werden sehen, was sie davon haben.

3. Was sagten die Verwerter – hier die Verlage – früher?

Bei der öffentlichen Diskussion im Vorfeld der UrhVR-Novelle von 2002  hieß es von Seiten des Börsenvereins des deutschen Buchhandels (BöV), eine gesetzliche Regelung sei überflüssig, man werde sich auf freiwilliger Basis miteinander über angemessene Vergütung einigen, auch ohne gesetzlichen Druck. Nach Verabschiedung des Gesetzes war das vergessen, mehr noch, der BöV opponiert nach Kräften, was ihn aber nicht daran hindert, aus eigener Macht und Herrlichkeit den Mitgliedsverlagen Honorarempfehlungen in Übersetzerdingen zu geben.

4. Was sagen die Verwerter heute, 13 Jahre nach der Novelle?

Dem BöV wäre es nach eigenem Bekunden lieber, das UrhVR in der bestehenden Form würde nicht reformiert, sondern abgeschafft. Dem entspricht eine zweigliedrige Argumentation, ein Zirkelschluss, der sämtliche GVR unmöglich machen soll:

GVR mit kleinen Gruppen von Verlagen könnten, so der BöV, keine branchenweite Geltung beanspruchen. Es gebe doch viel mehr Verlage, als sich z.B. den GVR von 2014 angeschlossen hätten. GVR könnten aber nur gelten, wenn viele Verlage sich ihnen ausdrücklich anschlössen. Hierzu lehnt der BöV jegliches übergeordnete Verhandlungsmandat weiter ab. Im gleichen Atemzug wird zudem eingewendet, GVR mit zahlreichen Verlagen seien unmöglich, da jeder Verlag „seine eigene DNS“ habe. Konsequenz daraus wären also GVR mit einzelnen Verlagen – die, hier beißt sich die Katze in den Schwanz, dann keine Branchengeltung haben können.

Diese Argumentation entspricht der vom BöV beförderten Haltung vieler Verlage, sich allenfalls an solchen GVR  beteiligen zu wollen, die speziell auf ihr jeweiliges Geschäftsmodell zugeschnitten sind und ihnen nicht wehtun.
Eine Stärkung der benachteiligten Kreativen ist auf diesem Weg nicht erreichbar. Darum ist es gut, dass die Koalition das UrhVR fortschreiben will. Sie hat es sich im Koalitionsvertrag vorgenommen.
 
5. Leistet der Referentenentwurf UrhVR die nötige Nachbesserung?

Er leistet sie nicht.

6. Positive Punkte am Referentenentwurf

Einmal ist es begrüßenswert, dass es ihn überhaupt gibt. Es ist Justizminister Maas und seinem Haus sehr dafür zu danken, dass man das Thema jetzt angeht. In der vergangenen Legislaturperiode bestand – trotz der bereits bekannten Mängel des UrhVR – wenig Interesse daran.

Die im Referentenentwurf unter „A. Problem und Ziel“ getroffene Diagnose des Ist-Zustandes ist zutreffend (leider sind die Lösungsansätze ungenügend).
Wertvoll sind der Grundsatz der angemessenen Beteiligung an jeder Verwertung und der ausdrückliche gesetzliche Auskunftsanspruch über erfolgte Nutzungen – fast absurd, dass es einer solchen ausdrücklichen Regelung bedarf, sie ist aber dringend nötig, wie sich in zahl-reichen konkreten Fällen aus verschiedenen Branchen erwiesen hat, wo eine solche Auskunft erst umständlich gerichtlich erstritten werden musste. Das Verwerterargument, Auskunft über alle Verwertungshandlungen sei nur mit großem Aufwand zu geben, ist vorgeschoben –  jeder Verwerter erfasst sie bereits für die eigene Abrechnung, zumal wenn er selbst gegenüber einem Lizenzgeber abrechnungspflichtig ist.

Es gibt einen einzigen Punkt im Reformvorschlag, der – mittelbar – zu vermehrten GVR führen könnte: der geplante § 40 (Rechterückfall nach fünf Jahren mit der Möglichkeit anderweitiger Regelung durch GVR – hieraus ergibt sich die mittelbare Wirkung).

Der BöV betont bereits, wie vernichtend ein Rechterückfall nach fünf Jahren für die Verlage angeblich wäre. Wir erklären hiermit und auch in Gesprächen mit den Verlagen, dass wir jedenfalls bereit sind, auf dem vom Reformvorschlag gegebenen Weg der GVR diese Last von den Verlagen zu nehmen.

7. Mängel des Referentenentwurfs

Es fehlt ein verbindlicher Schlichterspruch nach ergebnislosen Vergütungsverhandlungen. Hier bleibt der Entwurf hinter dem Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zurück. Eine Verbesserung ist notwendig und unterbleibt dennoch.

Es fehlt die Möglichkeit für Urheberverbände, auf dem Wege der AGB-Kontrolle gegen die fortwährende planmäßige Umgehung des Grundsatzes der angemessenen Vergütung durch Verwerter vorzugehen.

Es fehlt die Verbindlichkeit von GVR für solche Verlage und Verbände, die sich zwar an Vergütungsverhandlungen und GVR nicht beteiligen wollen, aber selbst Empfehlungen zur Urhebervergütung formulieren. Und es ist kontraproduktiv, dass Verbandsklagen nur gegen solche Verwerter möglich sein sollen, die sich GVR angeschlossen haben: Dies dürfte allen Verwertern eine Warnung davor sein, GVR aufzustellen, und damit eine Anregung, geltendes Recht zu ignorieren, in der Gewissheit, dass die Kreativen als Einzelne höchst selten gegen sie klagen.
 
§36b (1) 2. ist in Sachen Literatur unwirksam, da der BöV aus kartellrechtlichen Gründen nicht zur Aufstellung von GVR berechtigt ist.

Es fehlen mithin weiter Mittel gegen Totalverweigerer auf Verwerterseite. Diese bleiben durch den Entwurf privilegiert.

Desweiteren weisen wir auf die Stellungnahmen von ver.di und zumal der Initiative Urheberrecht hin, die sinnvolle und konkrete Nachbesserungsvorschläge macht, in welche unsere Sicht mit eingeflossen ist.

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