Auf dem stagnierenden Hörbuch-Markt differenziert sich das Angebot auch preislich aus. Aber die Wertigkeit unterschiedlicher Qualitäten und Ausstattung lässt sich den Kunden nur schwer vermitteln. Kostenlose Download-Angebotemachen den Audio-Verlagen zusätzlich Sorgen.
Die Hörbuch-Verlage spüren die Bremse: Bis einschließlich 2005 waren zweistellige Zuwächse die Regel gewesen, 2006/07 legte das Hörsegment bescheidener zu, aber immer noch stärker als der traditionelle Buchmarkt. Im laufenden Jahr ist von Wachstum kaum noch die Rede:
- Beim Marktführer, dem Münchner Hörverlag, zuletzt noch einmal durch das siebte Harry Potter-Hörbuch verwöhnt, kalkuliert man fürs Erste ein Ende des Wachstums, wenn nicht einen Umsatzrückgang ein.
- Als „stagnativ“ charakterisiert auch Karl-Heinz Pütz vom im Umsatz fast gleichauf liegenden Random House Audio den deutschen Hörbuch-Markt.
- „Nach Jahren mit traumhaften Wachstumsraten sind wir nun auf dem Boden der Realität angekommen“, formuliert Steffi Behrend von Der Audio Verlag und rechnet mit einer Bereinigung auf dem „verstopften Markt“.
Verwertung differenziert sich – einschließlich Ramsch
Das schneller als die Nachfrage wachsende Angebot drückt auf die Preise:
- Im Gesamtmarkt über alle Vertriebswege orientieren sich die Preise für Hörbücher seit einiger Zeit kontinuierlich nach unten, lautet der übergreifende Befund. Denn: Mit normal kalkulierten Preisempfehlungen könne man nun einmal im Supermarkt nicht Fuß fassen, pointiert Martina Mönchhalfen, die bei tacheles!/Roof Music für Vertrieb und Marketing zuständig ist.
- Im Sortimentsbuchhandel als wichtigstem Absatzkanal waren die Preise dagegen zuletzt noch stabil, die hochpreisige Harry-Potter-Lesung hat den Schnitt vorübergehend sogar angehoben, aber auch hier geraten die vom Handel frei kalkulierten Preise in der Breite unter Druck.
- Steigende und schnellere Remissionen lassen die Verlage über den Preis nach Wegen suchen, wachsende Läger mit Altbeständen zu vermeiden.
Die Verwertung spreizt sich ähnlich wie im übrigen Buchmarkt u.a. durch Sonderausgaben und Ramsch. „Qualität hat ihren Preis. Im Fall von Zweitverwertungen, Serien und Sonderauflagen sind wir hingegen in der Lage, preislich auch einmal aggressiver vorzugehen“, differenziert beispielsweise Andreas Maaß, Direktor von Deutsche Grammophon Literatur.
Nimmt die Wertigkeit des Hörbuchs ab?
Seit der Markt nicht mehr oder nur noch langsam wächst, gewinnt das Preismarketing immer mehr an Bedeutung. Das dient nicht nur zur Lagerbereinigung, sondern folgt auch der Erwartung, den Markt zu erweitern: „Ein spontaner erster Impulskauf wird in der Regel im niedrigpreisigen Segment stattfinden“, formuliert beispielsweise Heike Anna Hierlwimmer (Radioropa Hörbuch), und Marc Sieper (Lübbe Audio) ist gleichfalls überzeugt, dass „Schnäppchen nach wie vor zu einer Ausweitung des Hörbuch-Marktes führen“.
Sonderangebote als Impulse werden somit zwar bejaht, aber bei nahezu allen Verlagen schwingt auch die Furcht mit, dass das in den letzten Jahren aufgebaute Hörbuch-Geschäft (und das erreichte Preisniveau) durch ein Bedienen der Schnäppchenmentalität beschädigt werden könnte:
- Das Bewusstsein für den „angemessenen Preis“ könnte sich auf einem verhältnismäßig niedrigen Niveau einpendeln, fürchtet Jumbo-Geschäftsführerin Gabriele Swiderski. Die vom Kunden wahrgenommene Wertigkeit schwinde.
- Markus Langer, Programmleiter Oetinger Media, prophezeit gar „fatale Folgen“ für die gesamte Branche, nicht nur weil für den Gesamtmarkt unrealistische Preishürden zementiert würden, sondern weil sich Neukunden wegen qualitativer Abstriche bei Billigprodukten auch rasch vom Hörbuch wieder abwenden.
- Natürlich sei es ein Problem, zu viele Kunden an niedrige Preise zu gewöhnen, weiß auch Lübbe-Mann Sieper, der mit einigen Titeln und Serien im unteren Preissegment agiert. Er verweist aber auf die Analogie Taschenbuch und Hardcover, „deren Logik letztlich auch für Hörbücher gilt“.
Ausstattung taugt nur bedingt als Wertigkeitsausweis
Lässt sich der gelernte Preisabstand bei Büchern auch in der Ausstattung auf die Hörbücher übertragen? Eher nicht, lautet das Ergebnis einer buchreport-Umfrage unter zwölf Hörbuch-Verlagen. Bei der Ausstattung gibt es zwar einigen Spielraum von der Kartonstecktasche über die relativ preiswerten Multibox mit den 2-CD-Klemmsternen bis hin zu unterschiedlich stabilen Sammelboxen und Schuber für Jewelcases und separate Booklets. Aber, das räumt auch Sieper ein, optisch unterscheiden sich die Produkte nur wenig. Zwar werden bei Sonderausgaben in der Regel Verpackungsabstriche nach unten gemacht, die aber oft nur in der direkten Gegenüberstellung auffallen. Auch bei den Novitäten gibt es keinen Ausstattungsstandard à la Buch-Hardcover.
„Der Vergleich mit dem Buch hinkt hier gewaltig“, meint denn auch DG-Mann Maaß: „Wenn wir von Qualität sprechen, sind in erster Linie Sprecherauswahl und Produktion gefragt, die die größten Posten in unserer Kalkulation ausmachen.“ Und im Zweifel müsse man sich sogar, so Gabriele Swiderski von Jumbo, doch „für die größere inhaltliche Qualität und eine etwas günstigere Ausstattung entscheiden“.
Buchhandel soll Qualitäten stärker vermitteln
Gelernt und besonders wertgeschätzt sind Ausstattungsvarianten offenbar auch „historisch“ nicht: Die Ausstattungsdifferenzierung wäre wünschenswert, sagt Peter Bosnic, kaufmännischer Verlagsleiter des bereits lange vor dem breiten Hörbuchdurchbruch der 90er-Jahre aktiven Verlags steinbach sprechende bücher: „Wir haben schon vieles ausprobiert, das meiste Feedback bekommen wir aber für gute Qualität.“
Die Qualität der Sprecher und Audio-Inszenierung wird von den Verlagen durch die Bank herausgestrichen, auch im Vergleich zum Hörbuch-Mutterland. Die USA haben die deutschen Hörbücher in inhaltlicher Hinsicht „schon lange überholt“, ist Hörverlag-Chefin Claudia Baumhöver überzeugt. Es bleibt die Herausforderung, Qualität und Preiswürdigkeit den Kunden zu vermitteln: „Hörbüchern fehlt das flächendeckende Fachhändlertum, auf das sich gedruckte Bücher seit Generationen verlassen können“, analysiert Argon-Hörbuch-Marketingleiter Kilian Kissling und hofft, dass der Buchhandel hier in der Breite noch mehr Kompetenz entwickelt, auch um sich gegenüber dem Online-Versand- und Download-Markt zu behaupten.
Kostenlose Hörspiel-Downloads
Dass die zunehmenden Downloads, die in der Regel mit 20 bis 30% Preisabschlag gegenüber der Tonträger-Version zu haben sind, die CD-Preise drücken könnten, glauben die Verlage nicht. Der Preisabstand ergebe sich nachvollziehbar aus den höheren Kosten der physischen Produktion, Logistik und Handelspräsentation. Die wachsende Download-Akzeptanz macht mehr Sorgen wegen der illegalen Angebote im Netz und wegen der neuen Entwicklung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Stichwort: „ARD-Mediathek“) mit kostenlosen Hörspiel-Angeboten, die in sechsstelliger Zahl heruntergeladen werden. Johannes Stricker, Verlagsleiter Hörbuch Hamburg: „Die Sender sollten sich fragen, ob sie damit die nicht zuletzt den Hörbuch-Verlagen zu verdankende Renaissance des Hörspiels beenden, in dem sie deren wirtschaftliche Basis entziehen.“
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