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»Azubis … verzweifelt gesucht«

Ursula Rosengart, Geschäftsführerin GABAL Verlag. Foto: Martin Fischer Fotografie.

Ursula Rosengart, Geschäftsführerin GABAL Verlag. Foto: Martin Fischer Fotografie.

Die Medienbranche fällt im Wettbewerb um junge Talente zurück. Es ist erforderlich, mit den richtigen Argumenten und Methoden die richtigen Menschen zu binden. Im HR-Channel von buchreport.de beschreibt Ursula Rosengart (Gabal Verlag), wie dies gelingen kann.

Auszubildende zu finden, ist im Laufe der letzten Jahre für Buchhändler wie Verlage immer schwieriger geworden. Inzwischen bewerben sich fast ausschließlich Abiturienten auf die freien Plätze – die große Mehrheit der Schulabgänger zieht es nach dem Abitur jedoch nicht in eine Ausbildung, sondern an die Universitäten. Aktuelle Studien belegen, dass rund 60% erst einmal einen Bachelor-Abschluss anstreben. Hier ist es ganz klar Aufgabe der Verlage und des Buchhandels, sich für die Attraktivität einer klassischen Ausbildung einzusetzen: Denn rein faktisch gesehen steht sie einem Bachelor in nichts nach – beide bilden erst die Basis für einen Berufseinstieg. Hier steuern einige Unternehmen bereits mit einem speziellen Abiturientenmodell gegen, um die Ausbildung aufzuwerten: Nachwuchskräfte haben hier die Möglichkeit, die Ausbildung in nur anderthalb Jahren komprimiert durchzuführen und sich anschließend als Handelsfachwirt mit Blick auf eine spätere Führungsposition weiter zu qualifizieren.

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Was wir als Verlag ebenfalls zu spüren bekommen haben: Die räumliche Flexibilität der Bewerber hat abgenommen. Während Gabal früher auch viele Bewerbungen aus anderen Bundesländern bekommen hat, ist es für den Nachwuchs heute wichtig, die heimische Komfortzone und die dort geknüpften Kontakte nicht zu verlassen. An dieser Stelle ist das Angebot des Mediacampus Frankfurt herauszustellen, der zentralen Aus- und Weiterbildungseinrichtung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Besonders die Möglichkeit, auch am Campus zu wohnen und dort gemeinsam zu lernen, kommt den Bedürfnissen der Generation Z entgegen. Wir schicken seit einigen Jahren unsere Auszubildenden an den Mediacampus. Anika Most, die bei Gabal ihre Ausbildung zur Medienkauffrau Digital und Print absolvierte, zeigte sich von dem Konzept begeistert: „Ich habe die Zeit am Mediacampus in Frankfurt sehr genossen. Der Unterricht am Campus war sehr vielseitig, praxisorientiert und interaktiv gestaltet. Getreu dem Motto „gemeinsam leben und lernen“ konnten wir als Auszubildende die Zeit zusammen gut nutzen, um uns über die Lerninhalte auszutauschen und uns gemeinsam auf Prüfungen vorzubereiten.“

Attraktivität der Buchbranche stärken

Grundsätzlich ist es für Verlage noch etwas einfacher als für Buchhandlungen, neue Auszubildende zu finden, weil Tätigkeitsfelder, flexiblere Arbeitszeiten sowie Vergütung vielen Nachwuchskräften attraktiver erscheinen. Laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) haben im Jahr 2016 insgesamt 723 Nachwuchskräfte ihre Ausbildung als Medienkaufmann oder Medienkauffrau gestartet, 16 mehr als im Vorjahr. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass auch der Beruf des Buchhändlers zum einen eine solide kaufmännische Ausbildung, zum anderen ebenfalls ein sehr vielseitiger Beruf ist, der von der Kundenpsychologie bis zum Projektmanagement reicht.

Hier lernt man Verlagshandwerk: der mediacampus Frankfurt. Foto: nodesign.

Hier lernt man Verlagshandwerk: der mediacampus Frankfurt. Foto: nodesign.

Generell besteht die größte Herausforderung für die Medienbranche heute darin, dass sich das Rezeptionsverhalten der jungen Generationen stark verändert hat. Viele nehmen außerhalb der „Pflichtlektüre“ in der Schule kein Buch mehr zu Hand und können sich dementsprechend gar nicht vorstellen, welche beruflichen Perspektiven ihnen eine Ausbildung im Buchhandel oder im Verlag bietet. Hier ist es ganz klar Zeit, umzudenken: Unternehmen müssen potenzielle Nachwuchskräfte heute dort ansprechen, wo sie sich aufhalten. Beispielsweise mit Aushängen in den Schulen, Infoveranstaltungen und natürlich online und über die Social Media. Es liegt an uns, zu zeigen, dass Bücher auch in Zeiten der Digitalisierung eine Zukunft haben.

Sinnvoll ist außerdem, die potenziellen Bewerber auf der selben Ebene anzusprechen: Trockene Beschreibungen der Ausbildungsinhalte locken heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Verlage wie Buchhandlungen können stattdessen damit punkten, wenn sie ihre eigenen Azubis in Sachen Employer Branding vorausschicken: etwa in Form von Testimonials auf der Website, kleinen Videos in den Social Media etc. Lassen Sie also Ihre jungen Mitarbeiter erzählen, warum sie sich für eine Ausbildung in der Medienbranche entschieden haben, was ihren Job so spannend macht und was sie besonders daran schätzen.

Incentives und Work-Life-Balance

Stichwort Incentives: Junge Menschen wünschen sich zwar neueste technische Ausstattung und topmoderne Infrastruktur am Arbeitsplatz und eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit. Doch es geht ihnen nicht nur um flexible Arbeitszeiten. Mindestens genauso wichtig ist ihnen auch die Möglichkeit, sich beruflich weiterbilden zu können. Sie wollen lernen und sich entwickeln – und wechseln dafür auch Beruf oder Arbeitgeber. Von der Ausbildung bis zur Rente im gleichen Unternehmen arbeiten und die gleichen Tätigkeiten ausüben? Diese Wunschvorstellung früherer Generationen ist für den Nachwuchs in der Medienbranche ein rotes Tuch. Unternehmen sollten daher ebenfalls großen Wert darauf legen, den Wissensdrang ihrer Mitarbeiter zu fördern – zum Beispiel in Form von berufsbegleitenden Weiterbildungen und Studien. Bei Gabal binden wir unsere Azubis so bald wie möglich ins Tagesgeschäft ein und geben ihnen so die Möglichkeit, früh Verantwortung zu übernehmen und eigene kleinere Bereiche zu betreuen.

Die Folgen der Digitalisierung

Und wer hat eigentlich behauptet, dass sich die Arbeit im Buchhandel und in Verlagen bloß um analoge Bücher dreht? Tatsächlich ist es für die Branche aktuell eine große Herausforderung, offene Stellen im IT-Bereich zu besetzen. Im Zuge der Digitalisierung werden in verschiedenen Bereichen dringend Talente gebraucht, die das Unternehmen mit ihrem digitalen Know-how bereichern. Zum Beispiel Online-Marketing-Manager, Product Manager für digitale Medien, Softwareentwickler, Programmierer, Business-Analysten, um nur einige zu nennen. Um solche klassischen „Techies“ auf die Buchbranche aufmerksam zu machen, müssen Unternehmen über den eigenen Tellerrand schauen. Klassische Stellenanzeigen sind nur der Anfang – hier braucht es Direktansprache über Kampagnen, über die Social-Media-Kanäle und durch gezieltes Marketing auf entsprechenden Karriere- und Recruiting-Messen sowie direkt vor Ort an den relevanten Universitäten.

Auch wenn die Medienbranche mitten im digitalen Wandel steckt – so oder so tragen wir weiterhin entscheidend zur Bildung im deutschsprachigen Raum bei. Und für diese Mission brauchen wir motivierte Mitarbeiter, die ebenfalls Teil dieser spannenden Arbeit sein wollen.

 

Ursula Rosengart, gelernte Buchhändlerin, leitete viele Jahre diverse Filialen im Buchhandel. 1998 „wechselte sie die Seiten“ und übernahm die Gesamtvertriebsleitung einer Verlagsgruppe, zu der auch der Gabal Verlag gehörte. Seit Ende 2001 ist Ursula Rosengart Geschäftsführerin des Gabal Verlages und setzt die wesentlichen Impulse im Verlagsgeschäft. 

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