In vielen Betrieben beträgt der Altersunterschied zwischen den ältesten und den jüngsten Mitarbeitern fast 50 Jahre. Entsprechend unterschiedlich sind oft deren Bedürfnisse und Lebensstile sowie deren Art, Aufgaben anzugehen. Nicht selten eine große Herausforderung für Führungskräfte. Wie Intergenerational Leadership gelingt, beschreibt Barbara Liebermeister, Beraterin für Führung und Business Relationship Management, im HR-Channel von buchreport.de.
„Oh, diese Digital Natives, die lassen sich nur schwer führen, motivieren und ins Team integrieren. Von denen macht jeder sein eigenes Ding.“ Solche Klagen hört man als Berater von Führungskräften in Seminaren und Coachings oft. Und fragt man nach, wen die Führungskräfte mit den sogenannten „Digital Natives“ überhaupt meinen, dann zeigt sich meist: die jungen Mitarbeiter Anfang oder Mitte 20 – also die Mitarbeiter, die nach 1990 geboren wurden und mit digitalen Technologien aufwuchsen, weshalb sie mit ihnen vertraut sind.
Von den Digital Natives werden in der Regel die Digital Immigrants abgegrenzt, die vor 1990 geboren wurden – also bevor mit den PCs und Handys der Siegeszug der digitalen Technologien auf breiter Front begann. Deshalb mussten sie den Umgang mit dieser Technik oft noch im Erwachsenenalter erlernen, weshalb sie diesbezüglich nicht selten recht unsicher und zuweilen sogar ängstlich sind.
Begriffe werden schnell zur Schublade
Den Digital Natives wird im gesellschaftlichen Diskurs oft unterstellt, sie mäßen der Work-Life-Balance eine höhere Bedeutung bei als die Digital Immigrants . Es gehe ihnen weniger um Titel und Karriere als um die Erfahrung von Sinn auch bei der Arbeit, da ihnen ein „er-fülltes“ statt eines „ge-füllten“ Lebens wichtig sei. So legten zum Beispiel junge Mütter aus dieser Generation oft mehr Wert auf einen firmeneigenen Kindergarten und flexible Arbeitszeiten als auf ein höheres Gehalt. Und manch ein Mitt- oder End-Zwanziger, der zum Beispiel ein passionierter Marathon-Läufer sei? Er bevorzuge es, Teilzeit zu arbeiten, damit er genug Zeit fürs Training habe.
Erschwert wird die Diskussion darüber, was die Digital Natives von den Digital Immigrants unterscheidet, dadurch, dass diese sich in verschiedenen Lebensphasen befinden, weshalb sie sozusagen naturgegebenerweise unterschiedliche Bedürfnisse haben. Hinzu kommt: Neben den Begriffen Digital Natives und Immigrants geistern weitere Begriffe durch die Diskussion – nämlich die Begriffe Generation X, Y und Z.
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In der öffentlichen Diskussion werden die Digital Natives oft mit der Generation Y gleichgesetzt. Dabei zählen die Soziologen hierzu nicht nur die ab 1990 geborenen, sondern alle ab 1980 geborenen Personen. Diese Gleichsetzung ist Nonsens. Das zeigt allein schon die Tatsache, dass zur Generation Y auch die heute 30- bis 38-Jährigen zählen, die nicht selten bereits seit Jahren Schlüsselpositionen in den Unternehmen innehaben und täglich beweisen, dass sie nicht nur leistungsfähig und -bereit sind, sondern auch Karriere machen möchten – wenn eventuell auch nicht um jeden Preis. Entsprechend vorsichtig sollte man die Begriffe Generation X, Y und Z gebrauchen – auch um nicht Angehörige einer Altersgruppe über einen Kamm zu scheren. Denn diese waren schon immer verschieden und sind es auch heute.
Gesellschaftlicher Wandel beeinflusst Haltungen
Dessen ungeachtet haben sich, seit vor fast 30 Jahren die ersten Digital Natives geboren wurden, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stark verändert, weshalb wir heute nicht zufällig von der globalisierten Welt, der VUKA-Welt (Welt der Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) und vom digitalen Zeitalter sprechen. Und diese Rahmenbedingungen prägten ihre Einstellungen und ihr Verhalten – ähnlich wie dies bei der Kriegsgeneration und der Wirtschaftswunder-Generation der Fall war.
So betonen zum Beispiel viele Forscher, die Digital Natives hätten einen stärkeren Freiheits- und Selbstverwirklichungsdrang als die Generationen vor ihnen. Zudem seien sie toleranter und offener für andere Kulturen. Außerdem seien sie aufgeschlossener für Innovationen und neue Lebensstile. Das mag für die nach 1990 Geborenen stimmen. Vielleicht sind sie aber auch nur jünger und noch nicht so festgefahren und spüren noch nicht die Verantwortung auf ihren Schultern, eine Familie zu ernähren.
Dessen ungeachtet haben die nach 1990 geborenen Angehörigen der Generation Y sowie der Generation Z ein großes Plus: Es gibt relativ wenige von ihnen. Entsprechend heiß werden insbesondere die höher Qualifizierten unter ihnen von den Unternehmen in Zeiten eines steigenden Fach- und Führungskräftemangels umworben. Hinzu kommt nicht selten gerade bei den höher Qualifizierten: Sie wuchsen in wohlbetuchten Familien mit ein, zwei Kindern auf. Deshalb wissen sie schon heute: Irgendwann werde ich ein nicht unbeträchtliches Vermögen erben. Deshalb müssen sie weniger berufliche Kompromisse eingehen, um fürs Alter vorzusorgen. Auch dies beeinflusst ihre Einstellung zur Arbeit und ihr Verhalten.
Deshalb ist es wichtig, sich mit der Frage zu befassen, wie sich diese Personen so in Unternehmen integrieren lassen, dass sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren und eine die Generationen übergreifende Zusammenarbeit gelingt. Denn in fast allen Unternehmen – sieht man von manchen Start-ups ab – arbeiten mehrere Generationen unter einem Dach.
Bis zu fünf Generationen im Team
Hinzu kommt: Das Rentenalter verschiebt sich in unserer Gesellschaft aufgrund der höheren Lebenserwartung schleichend nach hinten. Deshalb arbeiten heute in vielen Unternehmen bereits Menschen zusammen, deren Altersunterschied bis zu 50 Jahre beträgt. In ihnen prallen bis zu fünf von den Soziologen definierte „Generationen“ aufeinander:
- die Traditionalisten (vor 1950 geboren), die heute in der Regel nur noch als Senior-Chefs in den Unternehmen präsent sind,
- die Babyboomer (ca. 1951 bis 1964 geboren), von denen die älteren Jahrgänge bereits das Rentenalter erreicht haben,
- die Generation X (1965 bis 1980 geboren), die heute weitgehend das mittlere und obere Führungspersonal in den Unternehmen stellt,
- die Generation Y (1981 bis 2000 geboren), von denen viele bereits zu den etablierten Leistungsträgern in den Unternehmen zählen, und
- die Generation Z (ab 2001 geboren), der heute bereits viele Auszubildende in den Betrieben angehören.
Dabei gilt die Faustregel: Je größer der Altersunterschied zwischen den Mitarbeitern ist, umso unterschiedlicher sind deren Lebens- und Erfahrungshorizonte, was oft zu Reibungsflächen führt. Die veränderte demografische Struktur zeigt sich auch auf der Führungsebene: Die alte Hackordnung „Der Chef ist älter als seine Mitarbeiter“ ist in den meisten Betrieben schon lange passé. Heute stehen die Führungskräfte oft vor der Herausforderung, nicht nur erheblich jüngere, sondern auch ältere Mitarbeiter zu führen. Auch dies trägt dazu bei, dass das Führen schwieriger wird. Eine Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half unter 2.400 Personal- und Finanzmanagern in der Schweiz, Österreich und Deutschland zeigt: Sind drei und mehr Generationen in einem Team vertreten, häufen sich die Schwierigkeiten – nicht nur, weil die Bedürfnisse der Arbeitnehmer altersbedingt unterschiedlich sind, sondern auch ihre Arbeitsmoral bzw. ihre Art, Aufgaben anzugehen.
Die Diversität der Denk- und Arbeitsstile nutzen
Diese unterschiedlichen Denk- und Arbeitsstile erfordern von allen Beteiligten Toleranz sowie die Bereitschaft, miteinander zu sprechen und sich zu verstehen. Denn jede Generation ist tendenziell anders gestrickt und hat ihre spezifischen Wünsche, Bedürfnisse und Ziele. Darauf müssen sich neben den Arbeitgebern auch deren Führungskräfte einstellen, damit sich die Mitglieder ihrer Teams nicht gegenseitig lähmen. Dieses wechselseitige Verständnis gilt es zu fördern – zum Beispiel, indem man Foren für die Mitarbeiter schafft, um sich generationsübergreifend besser kennen und verstehen zu lernen.
Versteht man einander, können die Stärken, die den verschiedenen Generationen mehr oder weniger zu Recht zugeschrieben werden, gezielt genutzt werden – zum Beispiel die Technologie-Affinität der Ypsiloner, der Wunsch der Generation X, etwas zu bewegen, und die aus Erfahrung resultierende Gelassenheit der Babyboomer. Dann kann aus der Vielfalt ein Gewinn fürs Unternehmen und die Mitarbeiter werden.
Die generationenübergreifende Zusammenarbeit fördern
Wichtig ist es zur Förderung der generationenübergreifenden Zusammenarbeit generell, den Menschen im Kollegen zu entdecken. Hilfreich sind hierbei folgende Maximen:
- Die richtige Einstellung macht’s. Toleranz beginnt im Kopf: Jeder Mensch ist einzigartig und verfügt über ein individuelles Stärken- und Schwächen-Bündel – altersunabhängig. Die Stärken des jeweils anderen Menschen gilt es zu sehen und zu entdecken.
- Die Unterschiedlichkeit als Bereicherung sehen. Sich regelmäßig fragen: Was kann ich von den Angehörigen der jeweils anderen Generation lernen? Inwieweit kann ich von ihnen profitieren (zum Beispiel beim Problemelösen oder der IT-Anwendung)?
- Die unterschiedlichen Lebensstile akzeptieren. Insbesondere, wenn es um die Frage nach der Work-Life-Balance und dem Sinn geht, lohnt es sich für die Digital Immigrants nicht selten, sich von den Digital Natives neu inspirieren zu lassen. Zugleich folgen sie jedoch seltener kurzlebigen Moden und Trends.
- Offen sein für Neues. Sich unvoreingenommen neuen Vorhaben und Ideen nähern gemäß der Maxime: Ausprobieren geht über Studieren. Diese Haltung ist im digitalen Zeitalter nötig, um eingefahrene Pfade zu verlassen.
- Nicht stets gleich Perfektion anstreben. Wer Neues wagt, findet selten auf Anhieb die perfekte Lösung, oder deren Entwicklung dauert im schnelllebigen digitalen Zeitalter oft zu lange. Deshalb gilt es, bei Bedarf auch mal eine 80- oder gar 50-Prozent-Lösung zu akzeptieren, solange sie das Team dem Ziel näherbringt.
- Das eigene Verhalten hinterfragen. Dies ist nicht nur eine Voraussetzung fürs Lernen, sondern auch für eine hohe Toleranz gegenüber anderen Denk- und Verhaltensweisen.
- Sich vom Schubladen-Denken lösen. Sich bewusst machen, dass es „die Digital Natives“ oder „Immigrants“ ebenso wie „die Deutschen“ oder „die Frauen“ bzw. „Männer“ in Reinform nicht gibt. Letztlich besteht jede dieser „Schubladen“ aus einer Vielzahl von Individuen.
- Offen und häufiger persönlich kommunizieren. Die Kommunikation über digitale Medien führt schnell zu Missverständnissen und somit zu Konflikten, da man bei ihr nicht die Person als Ganzes wahrnimmt und sieht.
- Aktiv und bewusst zuhören. Hierzu zählt auch das gezielte Nachfragen, ob man etwas so richtig verstanden hat.
Führung erfordert Persönlichkeiten
Eine gute generationenübergreifende Zusammenarbeit gelingt nur, wenn auch die Führungskräfte ein entsprechendes Verhalten zeigen. Sie sollten insbesondere folgende Maximen beherzigen:
- Vorbild sein. Die obigen Maximen selbst leben und auf deren Einhaltung im Betriebsalltag achten.
- Verbindlich sein. Sich auf einen Regel- und Absprachen-Katalog im Umgang miteinander verständigen.
- Offen für konstruktive Kritik sein – auch wenn sie das eigene Verhalten und Wirken betrifft.
- Lernbereit sein. Nicht nur Mitarbeiter, auch Führungskräfte sollten ihr Verhalten und dessen Wirkung regelmäßig hinterfragen.
- Die (Entscheidungs-)Macht gezielt gebrauchen. Das heißt auch, die Entscheidungsbefugnis zum Teil bewusst an Digital Natives oder Immigrants oder gemischte Teams aus beiden Personengruppen zu delegieren.
- Den Menschen zugewandt sein. Das bedeutet auch, mit ihnen mal über Persönliches sprechen und eine offene, angstfreie Kommunikation fördern.
Generell gilt: Im digitalen Zeitalter müssen Führungskräfte starke, also glaubwürdig und authentisch wirkende Persönlichkeiten sein, denn nur dann schenken ihnen ihre Mitarbeiter ihr Vertrauen und lassen sich von ihnen führen. Eine solche Führung brauchen gerade generationenübergreifende Teams, da in ihnen unterschiedliche Lebenserfahrungen und -stile aufeinanderprallen.
Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt, das Unternehmen dabei unterstützt, ihren Mitarbeitern die Kompetenzen zu vermitteln, die sie im digitalen Zeitalter brauchen (www.ifidz.de). Sie ist u.a. Autorin des Buchs „Digital ist egal: Mensch bleibt Mensch – Führung entscheidet“.
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