„Man kann das, was man vorher in 40 Stunden erledigt hat, auch in 30 Stunden machen“, behauptet Klaus Hochreiter, Geschäftsführer der Online-Marketing-Agentur eMagnetix. Und strich am 1.Oktober 2018 zehn Wochenstunden aus den Arbeitsplänen seiner Mitarbeiter. Er ist sich seiner Sache sicher, ein Zurück werde es nie geben, versichert Hochreiter.
Im HR-Channel von buchreport.de erklärt Hochreiter, welche Gründe ihn zu diesem Schritt nötigten, warum er seinen Mitarbeitern keinen Euro streicht und wie er die Produktivität so erhöhen will, dass er seine kühne Behauptung wahr machen kann.
Wieso haben Sie sich bei eMagnetix dazu entschieden, die 30-Stunden-Woche einzuführen?
Ausschlaggebend war, dass wir Stellen ausgeschrieben hatten und dafür zum Teil keine einzige Bewerbung bekommen haben. Es gab also Handlungsbedarf. Wenn wir keine passenden Mitarbeiter mehr haben, können wir die Aufträge nicht mehr abarbeiten und unsere gewohnte Qualität bieten. Auch mit Fachkräftemangel haben wir uns natürlich etwas mehr beschäftigt. Genauso mit unserer Zielgruppe: die Millennials. Wir haben ihre Anforderungen analysiert. Mittlerweile gehört die 30-Stunden-Woche zu unseren zwanzig strategischen Maßnahmen im Unternehmen. Das fängt bei Mitarbeiterführung an, geht über die Philosophie und hört nie auf. Es waren also hauptsächlich der Fachkräftemangel und die veränderten Bedürfnisse der Arbeitnehmer, die zur Arbeitszeitverkürzung geführt haben.
Warum haben Sie die 30-Stunden-Woche bei vollem Gehalt eingeführt?
Diese Frage haben wir uns natürlich gestellt. Es gab zwei Gründe. In Graz gab es bereits ein Unternehmen, das hatte eine 36-Stunden-Woche eingeführt mit gekürztem Gehalt. Beschäftigt man sich aber mehr damit, sieht man: Die Mitarbeiter haben dann weniger Geld zum Leben und weniger Ansprüche in der Pension. Deshalb sind sie dazu gezwungen, sich einen Nebenjob und eine andere Einkommensquelle zu suchen. Wir wollen das durch Freizeit und Erholung ersetzen. Von Anfang an war klar, dass unsere Mitarbeiter keine Nachteile haben sollen. Man kann schließlich das, was man vorher in 40 Stunden erledigt hat, auch in 30 Stunden machen.
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Werden auch Sie als Geschäftsführer die 30-Stunden-Woche haben?
Noch nicht. Zunächst kommen einmal die Mitarbeiter, aber natürlich soll es für uns als Geschäftsführer in weiterer Folge auch gelten. Wir leben nicht nur für die Arbeit, genauso wie unsere Mitarbeiter.
Wie kann sich eMagnetix denn eine 30-Stunden-Woche leisten und was sagen die Kunden dazu?
Wir haben vor einem Jahr bereits unsere Mitarbeiter eingeweiht und haben alle Prozesse durchleuchtet. Jeder Mitarbeiter hat seine Aufgaben durchleuchtet und auf Effizienz untersucht. Das war Punkt 1. Prozessoptimierung und Zeitersparnis. Wir verwenden viel mehr Tools als vorher. Die manuelle Arbeit wurde reduziert und durch Tools ersetzt. Wir sparen uns Zeit und die Fehleranfälligkeit wird reduziert. Das ist auch ein großer Vorteil für die Kunden. Außerdem gibt es Zeitmanagement-Maßnahmen mit ablenkungsfreien Zeiträumen. Da gibt es keine Termine, keine Meetings. Zu guter Letzt können wir uns das leisten, weil es eine langfristige Investition ist. Unterm Strich haben wir das durchkalkuliert. Es bleibt schon ein Kostenpunkt übrig. Wir sind aber bereit, auf einen Teil der Gewinne für ein paar Jahre zu verzichten, bis das richtig funktioniert. Die Mitarbeiterzufriedenheit ist unser größtes Kapital. Die Erreichbarkeit für unsere Kunden haben wir natürlich angepasst. Unterm Strich war alles halb so wild. Die Kunden haben das wunderbar aufgenommen.
Wie sieht es denn bei Ihnen mit Überstunden aus? Sind es wirklich 30 Stunden pro Woche?
Seit 1. Juni haben wir eine 34-Stunden-Woche – quasi zur schrittweisen Gewöhnung. Ich schaue in jedem Monat selbst darauf, wie es mit den Überstunden bei den Mitarbeitern aussieht. Sollten das mehr als fünf Stunden sein, müssen wir darauf reagieren und etwas ändern – aber die bisherigen Erfahrungen bestärken unseren Weg und wir sind vom Erfolg der 30-Stunden-Woche absolut überzeugt.
Waren die Mitarbeiter von den Veränderungen eigentlich begeistert?
Als wir die 30-Stunden-Woche das erste Mal vorgestellt haben, waren da alle Reaktionen von Skepsis bis Euphorie. Wir haben aber dann die Mitarbeiter einbezogen und sie konnten von Anfang an mitreden und sollten das auch tun. Nach dem Testlauf im Herbst haben die Leute gesehen, dass sie plötzlich viel mehr wertvolle Freizeit haben. Im November hatten wir dann eine Umfrage und ein Mitarbeiter hat hineingeschrieben, dass er im Winter auf einmal Tageslicht hat. Nur ein kleines Beispiel dafür, welche positiven Auswirkungen dieses neue Arbeitszeitmodell hat. Wir haben die Entscheidung gemeinsam getroffen, ob wir das durchziehen oder nicht. Das wurde nicht von uns vorgegeben, alle waren aber einstimmig dafür. Es erfordert ein Umdenken.
Wird insgesamt in den Unternehmen ein Umdenken stattfinden?
Es gibt ja schon viele Studien, die auf die Vorteile hinweisen. Die 30-Stunden-Woche braucht aber auch einige Begleitmaßnahmen. Bei uns darf jeder mitreden, das kann man vermutlich nicht auf jedes Unternehmen und auf jede Unternehmensgröße umlegen. Ich weiß ja, was unsere Bewerber in den Gesprächen sagen und was sie fordern. Sie wünschen sich eine Work-Life-Balance. Nicht das Gehalt ist das Statussymbol. Ich bin nicht auf der Welt, um nur zu arbeiten. Ich möchte aber arbeiten. Das muss alles im Einklang sein.
Welche Veränderungen und Probleme erwarten Sie sich durch die 30-Stunden-Woche?
Wir haben es versucht, dass wir an alle Probleme denken. Es gab ja fast zwei Jahre Vorlaufszeit. Ich erwarte mir weniger Probleme, sondern Potenziale. Ich bin aber realistisch genug, um zu sagen, dass sicher Herausforderungen auftauchen werden. Darauf muss man flexibel reagieren. Wir expandieren trotz Fachkräftemangel, weil wir ein einzigartiges Argument haben. Das Positive überwiegt und vor allem sehe ich ein großes Potential für eMagnetix als Unternehmen.
Gibt es einen Grund, warum Sie die 30-Stunden-Woche wieder aufgeben würden?
Nein, das glaube ich nicht. Das steht nicht zur Debatte, wir haben uns dafür entschlossen. Den Test gab es ja schon. Das war eine Ja-Nein-Entscheidung und keine Vielleicht-Entscheidung. Mir ist bewusst, dass die Eingewöhnung keine Frage von Wochen ist, sondern eher von Monaten und ggf. von Jahren. Aber wenn das Ganze läuft, dann haben wir einen Vorsprung, den man nicht so leicht aufholen kann. Ich bin überzeugt, dass es funktionieren wird.
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