Wer andere erfolgreich führen will, muss zunächst sein eigener Leader sein. Zur Leadership gehört auch, in Krisen gelassen und überlegen zu bleiben. Und wo kann man das besser üben als im eigenen Leben?
Coach und Krisenmanagerin Sabine Zehnder wird von ihren Kunden immer dann gerufen, wenn ein Projekt gründlich in die Grütze gegangen ist. Im HR-Channel von buchreport.de zeigt sie, wie es gelingen kann, in brenzligen Situationen Überforderung und Angst abzuschütteln, zu klaren Urteilen über die eigene Lage zu kommen und sich selbst aus dem Schlamassel herauszumanövrieren.
Viele Menschen haben genug davon, wie ihr berufliches und privates Leben abläuft. Der Alltag frisst sie auf, die Probleme nehmen überhand, von einem selbst bleibt nicht viel übrig. Das ist keine Überforderung und noch lang kein Burn-out. Nein, es ist der ganz normale Wahnsinn. Doch so ganz ausweglos, wie sie uns manchmal erscheint, ist die Situation meist nicht.
In solchen Phasen besteht die Gefahr, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Und es wächst der Wunsch nach einer Lösung. Nach einer ultimativen Lösung – denn: Wir haben ja keine Zeit.
Doch so nachvollziehbar der Wunsch nach der einen entscheidenden und allumfassenden Lösung ist, so unwahrscheinlich ist seine Erfüllung. Vielmehr geht es darum, gerade in fordernden Lebensumständen clever zu sein und strukturiert an die Sache heranzugehen. Wer aber clever sein will, der braucht ein wenig freie Kapazität. Denn Cleverness ist letztlich nichts anderes als Kreativität: Unser Gehirn braucht ein wenig Auszeit, damit die zündende Idee entstehen kann. Das kennen Sie bestimmt: Je dringender Sie eine Idee brauchen, desto weniger bekommen Sie eine.
Das kann damit zusammenhängen, wie viel Stress die Situation auslöst, aber auch mit der Komplexität des Problems. Oder aber der Komplexität der Auswirkungen, die eine Lösung mit sich bringen kann. Stellen Sie sich vor, die Lösung Ihres Problems könnte eine Trennung sein, dann wären die Auswirkungen vielleicht geteiltes Sorgerecht für die Kinder, Wohnungssuche, Umzug, Hausverkauf, Verlust von Freunden, Verlust der Familie etc.
Das ist keine einfache Entscheidung und stellt das ganze Leben auf den Kopf. Eine derartige Entscheidung will völlig zu Recht gut überlegt sein. Wir grübeln, schlafen schlecht und treten tage-, wochen-, monatelang auf der Stelle. Wir sind unsicher, was richtig ist und was nicht. Um diesen Teufelskreis der Gedankengänge zu durchbrechen, hilft nur zu handeln und Sicherheit zu gewinnen. Mit Nachdenken allein macht man sich meistens eher nur unglücklich.
Sicherheit gewinnen Sie, wenn Sie gut verstehen, um was es eigentlich geht.
Versuchen Sie zunächst so genau wie möglich Ihr Thema zu benennen. Um welchen Lebensbereich geht es und was genau ist das Problem? Geht es um Sie, geht es um andere, usw.?
Aber halt! Allein das löst schon Stress aus und Sie kommen schon in dieser Frage nicht weiter? Dann gehen Sie noch einen Schritt zurück und kümmern Sie sich darum, den physischen Stress zu reduzieren. Wer jetzt denkt „Oh Gott, Sport“ hat recht und unrecht. Ziel ist jetzt erst einmal, nur die Muskeln zu entspannen. Lassen Sie sich ein paar Massageeinheiten verschreiben, machen Sie Spaziergänge oder wenn Sie es schon einmal gemacht haben, machen Sie Yoga.
Die Faustregel für alle aber lautet mindestens: Langsame Bewegungen im Freien. Das geht am einfachsten und ist jedem möglich. Aber wenn Sie bereits Sport machen, dann umso besser. Alles, was Ausdauersport ist, egal in welcher Geschwindigkeit oder wie lange, ist „pures Gift für den Stresspegel“. Walking, Jogging, Radfahren oder Schwimmen – völlig egal. Machen Sie das, was Ihnen am leichtesten fällt.
Spätestens jetzt, wenn Sie entspannt sind und etwas gemacht haben, das Ihnen guttut, haben Sie auch wieder die nötige Kapazität frei, um sich den Umständen zu widmen, ohne sich daran zu reiben.
Worum geht es gerade in Ihrem Leben?
Beschäftigen Sie sich zunächst mit dem Thema an sich: reden Sie mit Ihren Vertrauten, Reden Sie abstrakt mit jemandem, den Sie nicht so gut kennen. „Wie, mit jemandem, den ich nicht kenne?“ Ja genau. Sprechen Sie mit jemandem, der keine Rücksicht darauf nimmt, was Ihnen möglicherweise nicht gefällt. Freunde und Familie sind oft gute Tröster, aber nicht immer diejenigen, die uns auf ganz neue Ideen bringen oder uns Dinge sagen, die wir zum Beispiel bisher vermieden haben. Ziel ist es ja, neue Ansätze zu finden. Entwickeln Sie so ein Gefühl und erschließen Sie sich neue Perspektiven.
Dabei kommt es vor allem darauf an, auch sich selbst zu reflektieren: Was macht Ihnen Angst? Welchen Situationen gehen Sie aus dem Weg? Woran halten Sie fest, das eigentlich gar nicht gut für Sie ist?
Je besser Sie verstehen, was eigentlich das Thema ist, desto leichter fällt es zu entscheiden, welche Ihrer Probleme jetzt im Augenblick überhaupt wichtig sind zu lösen. Eine Art Priorisierung wird möglich, wenn Sie verstehen, durch welche Punkte Sie sich vielleicht sogar selbst torpedieren. Denn nicht selten sind Probleme selbst erschaffen und erfüllen einen Zweck. Sie haben oftmals einen subjektiven Nutzen: Manchmal schaffen wir uns selbst Probleme, um ein bestimmtes Thema nicht lösen zu müssen.
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Das ist natürlich eine etwas unangenehme Erkenntnis, wenn es denn so ist, aber diese Erkenntnis bringt Sie schlagartig voran. Also, welchen Nutzen haben die einzelnen Probleme für Sie? Und bedenken Sie, bevor Sie antworten: Niemand muss Ihre Antwort darauf erfahren.
Ehrlich zu sich selbst zu sein, das ist wohl das Wichtigste, wenn Sie aus dem Schlamassel herauskommen wollen. Das fällt nicht leicht und ist auch nicht selbstverständlich. Doch es ist ein wichtiger Schritt. Denn versuchen Sie Lösungen für Ihre Situation zu finden, die funktionieren sollen, müssen Sie wissen, um was es wirklich geht.
Sonst finden Sie nur Lösungen, die für andere funktionieren, oder befolgen Ratschläge, die nichts mit Ihnen, Ihrem Leben und Ihren persönlichen Vorlieben zu tun haben. Das sind meistens die Lösungen, die unheimlich viel Selbstdisziplin und Verzicht erfordern und die üblicherweise nicht besonders lange vorhalten.
Wenn das eigentliche Thema unbekannt ist, fängt man quasi in der Mitte an, statt am Anfang. Sie bauen praktisch das erste Stockwerk, bevor Sie ein Fundament gießen. Doch genau darum geht es: Wenn Sie den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen, fangen Sie vorne an. Und vorne, das sind Sie selbst. Erst dann können Sie wirklich wissen, was jetzt richtig ist, was als erstes, als zweites, als drittes angegangen werden muss. Und schon haben Sie eine Struktur gefunden, die Sie zum Ziel bringt.
Mit freundlicher Genehmigung des BusinessVillage Verlags.
Sabine Zehnder
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BusinessVillage Verlag
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