Manche Chefs sehen es nicht ungern, wenn sie Stellen nicht besetzen können. Das bedeutet sichere Kostenersparnis, und die Kollegen „werden das schon mit erledigen“. Sie sollten sich nicht zu früh freuen.
Denn natürlich gibt es viele Mitarbeiter, die aus Verantwortungsbewusstsein den Job des fehlenden Nebenmanns so gut sie können mitmachen. Aber dabei leidet deren Produktivität – und nicht nur dies. Auch bleiben die Work-Life-Balance und langfristig die Motivation leicht auf der Strecke. Chronische Überbürdung ist einer der Hauptgründe für Kündigungen. Und so entsteht schnell die nächste Vakanz.
Für den Produktivitätsverlust einer unbesetzten Stelle hat die Personalwirtschaft eine Kennzahl entwickelt: den „Cost of Vacancy“. Bezogen auf den gesamten deutschen Mittelstand hat Groß-Wirtschaftsprüfer Ernst & Young in seinem Mittelstandsbarometer 2018 den Cost of Vacancy auf über 53 Mrd Euro hochgerechnet.
Bezogen auf einzelne Berufe kommt der Blog Personalmarketing2Null auf erschreckende Costs of Vacancy. Für Personaler ist es daher sinnvoll, diese Kennzahl zu erheben. Personalmarketing2Null gibt ausführliche Anleitungen, wie das gelingt. Personalberater Robert Half zeigt im HR-Channel von buchreport.de auf Basis eigener und fremder Forschungsergebnisse, welch verheerende Wirkungen unbesetzte Stellen über den Cost of Vacancy hinaus haben können.
1.380.000 offene Stellen gibt es derzeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt, Tendenz steigend. Das zeigen aktuelle Hochrechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Dies schadet nicht nur den Umsätzen der Firmen, sondern auch den Angestellten: Ihnen fehlen wichtige Kolleginnen und Kollegen und das bleibt nicht ohne Folgen.
Neben Produktivitätsverlusten (37%) gehören eine schlechtere Work-Life-Balance (19%) und eine niedrige Arbeitsmoral (15%) in den Belegschaften zu den stärksten Folgen durch unbesetzte Stellen. Das berichten 300 Personalverantwortliche aus Deutschland, die im Rahmen einer Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters Robert Half befragt wurden. „Leider reagieren Führungskräfte auf Vakanzen am häufigsten, indem die Aufgaben auf die Schreibtische anderer Teammitglieder verteilt werden“, weiß Sladjan Petkovic, Managing Director bei Robert Half.
Personalkonzepte für die Zukunft
Mehr zum Thema Personalmanagement und -führung lesen Sie im HR-Channel von buchreport und Channel-Partner Bommersheim Consulting. Hier mehr
Schlechte Work-Life-Balance gehört zu wichtigsten Kündigungsgründen
„Kurzfristig kann das eine Lösung darstellen. Doch leider unterschätzen Führungskräfte oft, wie lange es dauert, einen neuen Mitarbeiter einzustellen. Schon nach wenigen Wochen Mehrarbeit kann sich das Team überfordert, überlastet und frustriert fühlen, wenn die Work-Life-Balance aus dem Gleichgewicht kommt und kein neuer Kollege in Sicht ist. Das schadet der Produktivität und kann schlimmstenfalls in der Kündigung münden“, so Petkovic.
Wie die Studie „Geheimnisse der glücklichsten Unternehmen und Mitarbeiter“ von Robert Half gezeigt hat, gehört eine schlechte Work-Life-Balance zu den stärksten Treibern, wenn sich ein Mitarbeiter für eine Kündigung entscheidet. Negativer wirken sich nur fehlender Teamzusammenhalt, das Gefühl, sich im Beruf verstellen zu müssen, und mangelnder Stolz auf die eigene Arbeit aus.
Anhaltende Spitzenbelastungen vermeiden
Um zu verhindern, dass eine Stelle langfristig unbesetzt bleibt, sollten Personalverantwortliche die sogenannte Time-to-hire analysieren, also die Dauer von der Ausschreibung bis zur Besetzung einer Stelle. Dauert der Recruiting-Prozess regelmäßig länger als geplant, besteht Handlungsbedarf.
Die Gründe für eine lange Time-to-hire sind dabei vielfältig: Umständliche Recruiting-Prozesse, mangelnde Entscheidungsfreude in den Unternehmen oder zu hohe Ansprüche an die Kandidaten können verantwortlich sein. Petkovic empfiehlt: „Gerade prozessuale Verbesserungen sind selten in kurzer Zeit umsetzbar. Deshalb ist eine transparente Kommunikation mit dem Team wichtig, in der die Lösungsansätze für Recruiting-Probleme erklärt werden. Zusätzliche Abhilfe können temporäre Mitarbeiter schaffen.“
Kommentar hinterlassen zu "Personalnot: Wenn der Stuhl des Kollegen leer bleibt"