Auch in unserer Zeit beschleunigter Veränderung zählt die Erfahrung routinierter Kräfte. Ein Weg, den Erfahrungstransfer abzusichern, ist das Mentoring. In Großunternehmen längst etabliert, beginnen Mentoringprogramme auch im Mittelstand Fuß zu fassen.
Mentoringprogramme sind unternehmensintern und unternehmensübergreifend möglich. In einer Serie im HR-Channel von buchreport.de schildert Coach und Mentoring-Expertin Agnes Senger unter anderem am Beispiel des Mentoringprogramms der Jungen Verlagsmenschen, wie professionelles Mentoring abläuft. Im ersten Teil zeigt sie, welche vielfältigen Formen Mentoring annehmen kann.
Der digitale Wandel bringt vielfältige Herausforderungen auch in der Personalentwicklung mit sich:
- Nachwuchsförderung
- Qualifizierung am Arbeitsplatz
- Talent-Gewinnung und Fluktuation
- immer schnellere technische Innovationen.
Wie lassen sich diese Herausforderungen bewältigen? Neben zahlreichen weiteren Interventionen erfreut sich das Mentoring als Strategie der Personalentwicklung neuer Beliebtheit. Die Konzepte des internen, des unternehmensübergreifenden und des „neuen“ Reverse-Mentoring sind dabei sehr breit gefächert.
Mentoring ist tatsächlich keine gänzlich neue Methode: Erste Erwähnung fand der Begriff bereits in der griechischen Mythologie durch Homers „Odyssee“ aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. In der Geschichte gibt Odysseus seinen Sohn in die Obhut eines älteren Freundes namens Mentor, bevor er selbst in den trojanischen Krieg zieht. Mentors Auftrag war es, dem jungen Mann mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und ihn auf seine zukünftige Aufgabe als König vorzubereiten.
Was ist Mentoring?
Der Auftrag an Mentoren hat sich heutzutage nur unwesentlich verändert. Mentoring entspricht einer Eins-zu-Eins-Beziehung zwischen einem erfahrenen Mentor (womit selbstverständlich Mentorinnen mitgemeint sind), der seine Erfahrungen, Fähigkeiten und Wissen mit einem (oder einer) Mentee teilt, der aus einem ähnlichen Berufsfeld kommt, um diesen bei Karrierefragen und -schritten sowie bei professionellen Herausforderungen zu unterstützen. Mentor und Mentee müssen nicht dem gleichen Berufsfeld entstammen.
Es geht weniger darum, einfach nur Ratgeber zu sein, sondern vielmehr darum, sich auf den Mentee einzustellen, diesen zu motivieren und zu befähigen, Herausforderungen und Ziele zu identifizieren und eine Strategie zu entwickeln, wie diese selbst gelöst bzw. erreicht werden können. Der Mentor kann dabei außerdem durch sein eigenes bestehendes Beziehungsnetzwerk Türen für den Mentee öffnen. Auch in der Dauer gibt es Unterschiede. So kann Mentoring ein kurzfristiger Prozess zu einem bestimmten Thema oder durch eine gewisse zeitlich begrenzte Phase sein oder alternativ in einer offenen Begleitung über mehrere Jahre hinweg bestehen.
Formen des Mentoring
Im Kontext von Unternehmen gibt es überwiegend formelles, durch das Unternehmen initiiertes externes oder internes Mentoring:
- Das interne Mentoring findet mit Mentor und Mentee aus demselben Unternehmen statt. Dadurch hat der Mentee Zugriff auf unternehmensspezifisches Erfahrungswissen und unterliegt klar definierten Zielen, die meist die Personalentwicklungspläne setzen. Mentoren-Rollen dieser Art können beispielsweise durch Führungskräfte übernommen werden. Die Führungskraft als Coach und Mentor ist ein beliebtes Modell des Mentoring.
- Beim externen Mentoring hingegen kommen Mentor und Mentee aus unterschiedlichen Arbeitskontexten. Dadurch bleiben die internen Hierarchiestrukturen eines Unternehmens außen vor, was die Auseinandersetzung mit Schwächen und Stärken zwischen Mentor und Mentee erleichtert. Außerdem ist es für Mentoren wie auch für Mentees interessant, Prozesse und Systeme außerhalb des eigenen Unternehmens oder sogar der eigenen Branche kennenzulernen.
Auch das Social-Business-Netzwerk Linkedin hat eine Mentorenfunktion eingeführt, mit der Linkedin-Mitglieder nach Mentoren für unternehmensübergreifende Bereiche und Themen suchen können oder sich selbst als Mentoren anbieten können.
Reverse Mentoring
Bei aktuellen Herausforderung der Digitalisierung, Einfluss von Social Media auf Unternehmen und Einführung neuer Technologien korrelieren Alter und Erfahrung nicht zwangsweise. Deswegen ist das Reverse Mentoring derzeit eine sehr zeitgemäße Variante. Anders als im klassischen Mentoring sind es die jungen bzw. neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als „Digital Natives“ älteren Kollegen (meist in Führungspositionen) ihr digitales Wissen und ihre Perspektive vermitteln.
Von Reverse Mentoring als Form des generationsübergreifenden Lernens profitieren beide Seiten. Die jungen Mentoren können sich im Unternehmen vernetzen und sich damit schon früh als Experten etablieren, während das Unternehmen von einem offenen Austausch zu digitalen Themen profitiert und die Mentees ihre Kompetenzen erweitern.
Personalkonzepte für die Zukunft
Mehr zum Thema Personalmanagement und -führung lesen Sie im HR-Channel von buchreport und Channel-Partner Bommersheim Consulting. Hier mehr
Wie ein Mentoring-Prozess abläuft
Der Prozess des Aufbaus eines Mentoring-Programms besteht aus drei Phasen:
- Bewerbungsphase,
- Matching-Phase und
- Durchführungsphase.
In der Bewerbungsphase wird das Mentoringprogramm im eigenen Unternehmen oder in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, Hochschulen oder anderen relevanten Partnern für Mentoren und Mentees ausgeschrieben. Dafür gibt es verschiedene Varianten von Motivationsschreiben oder Erwartungsabfragen bis hin zu standardisierten Abfragen.
In der Matching-Phase geht es darum, zu entscheiden, welcher Mentor mit welchem Mentee zusammengebracht wird. Manchmal können sich die Mentoren ihre Mentees selbst aussuchen – oder die Organisatoren besorgen das Matching. Wichtig ist, dass beide freiwillig an dem Mentoring-Programm teilnehmen und beide Seiten jederzeit das Mentoring beenden können.
Mentoring-Prozesse am Beispiel der Jungen Verlagsmenschen
Als Beispiel können die „Jungen Verlagsmenschen“ genannt werden, die unter dem Motto „Für Junge Verlagsmenschen von Jungen Verlagsmenschen“ ein eigenes Mentoringprogramm gestartet haben. Dafür konnten sich Berufserfahrene aus dem Verlagswesen auf der einen und Berufseinsteiger auf der anderen Seite als Mentoren und Mentees bewerben. Sie wurden innerhalb ihres Arbeitskreises und ihren Profilen und Wünschen entsprechend gematcht. Das erste Treffen zwischen Mentoren und Mentees fand bei einem Mentoring-Kick-Off-Event beim Jahrestreffen der Jungen Verlagsmenschen 2019 statt (das von mir als Moderatorin begleitet wurde).
Beim Kick-Off-Event wurden erste Erwartungen und Wünsche abgeklärt. Die Mentees hatten bei einer Reflexionsaufgabe Zeit, sich Themen und Fragen zu überlegen, die sie gerne mit ihrem Mentor bearbeiten wollten. Die Mentoren wurden in der Zwischenzeit in verschiedenen Kommunikationstechniken geschult, um ihren Mentees zunächst mit richtigem Zuhören und geeigneten Fragestellungen zur Seite stehen zu können. Die Tandems konnten im Anschluss jeweils gemeinsam entscheiden, wann und wie oft sie sich austauschen wollen und ob sie via Telefon, E-Mail oder bei persönlichen Treffen miteinander kommunizieren möchten.
Nach der erfolgreichen Zusammenführung ist außerdem ein Abschlussevent für das Jahr 2020 geplant, bei dem ein erstes Fazit aus der ersten Phase gezogen werden soll.
Im zweiten Teil dieser Serie beleuchte ich die Vorteile, die Mentoring für Unternehmen, Mentoren und Mentees hat.
Agnes Senger ist Managerin Training & Operations bei der Berliner TAM Akademie GmbH, die Unternehmen bei der Personalentwicklung unterstützt, indem sie im TAM Leadership Programm Führungskräfte zu Coaches und Mentoren für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbildet, in der New Work Facilitator-Ausbildung Organisationsentwickler zu Change-Experten macht und in der Business–Trainer Ausbildung selbst Trainer ausbildet und zertifiziert.
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