12% der deutschen Arbeitnehmer wirken in virtuellen Teams. Was tun, wenn solche Teams nicht produktiv sind? „Drückebergerei“ ist nicht der Grund. Die Lösung des Problems liegt meist im Führungsstil, zeigt Michael Riermeier im HR-Channel von buchreport.de.
Welche Führungsstile und -verfahren eignen sich für die Steuerung orts- und zeitunabhängig Arbeitender? Welche Kompetenzen brauchen die verantwortlichen Manager? – „Virtuelle“, also standortverteilte Teams brauchen spezielle Technik und spezielle Arbeitsabläufe, um überhaupt arbeiten zu können. Aber damit die Teams wirklich bestmögliche Resultate erreichen, brauchen sie auch noch etwas anderes: gute Führung nämlich, und zwar fortwährend. Die wiederum setzt natürlich das Vorhandensein von Führungskräften voraus, die sich auf das Management von solchen Mitarbeitern verstehen, die überall und nirgends zugleich arbeiten, einander nur sehr selten begegnen, und ihre Aufgaben weitgehend selbständig bearbeiten. Und das wiederum ist nicht ganz so einfach, wie es erscheinen mag.
Höchste Leistung nur ohne Hierarchie
Wenn die – noch vergleichsweise jungen – Erfahrungen mit dem Managen virtueller Teams eines lehren, ist es dies: Wo Mitarbeiter über weite Entfernungen hinweg und per Internet arbeiten, verlieren althergebrachte Managementansätze an Wirksamkeit. Es kostet die Beteiligten nämlich weit mehr Zeit und Ressourcen, die gemeinsame Arbeit so zu führen, wie sie es auch unter „Face-to-Face-Bedingungen“ tun würden. Die nachfolgende Abbildung 1 veranschaulicht zusammenfassend, was verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema bisher ergeben haben:
Die Beispiele veranschaulichen: Höchste Leistung erreichen virtuelle Teams nur dann, wenn der verantwortliche Manager oder die verantwortliche Managerin auf so genannte „transformationale“ Führung verzichtet, sprich: auf das bloße Übertragen von Aufgaben und das regelmäßige Kontrollieren von Arbeitsfortschritten.
Zwar bringen virtuelle Teams in Hinblick auf die Verfügbarkeit von Expertenwissen, Flexibilität und Kosten viele Vorteile, doch läuft die Zusammenarbeit meist nicht so glatt, harmonisch und effektiv, wie sie könnte und sollte. Wie Sie die größten Herausforderungen bei Aufbau, Koordination und Leitung virtueller Teams meistern, erläutert Nina Kreutzfeldt im einstündigen Webinar. Hier mehr…
Welcher Führungsansatz wofür?
Bessere Resultate erbringt dagegen der Führungsansatz der „strukturellen Unterstützung“. Dabei verstehen sich Manager eher als Dienstleister des Teams denn als dessen Chef und organisieren dessen Zusammenarbeit nicht über „Aufgaben-Übertragung“, sondern durch Zielsetzung, gezielte Information, Rückmeldungen zur Teamleistung und entsprechende Belohnungssysteme. Dieser Ansatz dürfte in den meisten Unternehmen bereits zur Praxis gehören und einer Mehrzahl von Führungskräften bereits geläufig sein. Doch – auch das veranschaulicht die Darstellung – selbst „strukturelle Unterstützung“ führt erst nach einiger Zeit zu Leistungen und Resultaten, die denen nicht-virtueller Arbeitsgruppen entsprechen.
Mehr zum Thema Personalmanagement und -führung lesen Sie im HR-Channel von buchreport und Channel-Partner Bommersheim Consulting. Hier mehr…
Deshalb versuchen sich einige virtuelle Teams bisweilen am sogenannten „Shared Leadership“-Ansatz. Der kommt ohne zentrale Führungsrolle aus; stattdessen teilen sich die Mitglieder des Projektteams die Verantwortung untereinander auf. Das führt zu dem, was Arbeitswissenschaftler „Emergent Leadership“ nennen: Aus der Arbeit heraus entstehende Führungsverantwortung, die auf diejenige Kraft entfällt, die die anstehende Aufgabe am besten strukturieren und auf die anderen Gruppenmitglieder verteilen kann. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht in seiner hervorragenden Eignung für virtuelle Teams; dem steht jedoch der Nachteil einer zumindest anfänglich eher niedrigen Teamleitung entgegen.
Unterstützung und „Shared Leadership“
Tatsächlich fahren „Virtual Manager“ meist dann am besten, wenn sie auf eine Mischform aus struktureller Unterstützung und Shared Leadership setzen. Das kann beispielsweise so aussehen, dass die zuständige Projektmanagerin die Ziele und Meilensteine eines Vorhabens vorgibt, sich im weiteren Verlauf aber auf das Organisieren von Informationen, Rückmeldungen und Belohnungen konzentriert und dem jeweils gerade „führenden“ Projektmitarbeiter dadurch zuarbeitet. Durch ein solches Vorgehen erreicht sie nämlich Klarheit sowohl bezüglich der Ziele als auch bezüglich der Leistung des Teams oder einzelner Mitglieder und eine Verflechtung dieser Ziele und Leistungen mit den Verantwortlichkeiten in der Gruppe – ein eingeschworenes Team entsteht.
Das Führen nach diesem Ansatz stellt selbstverständlich hohe Anforderungen vor allem an die jeweilige Führungskraft selbst: Außer der rein fachlichen Kompetenz braucht sie weitere Fähigkeiten, über die selbst erfahrene Manager nicht immer im erforderlichen Umfang verfügen.
Die Führungsfähigkeiten eines „Virtual Managers“
Abbildung 2 zeigt das – freilich idealisierte – Kompetenzprofil eines „Virtual Managers“ und veranschaulicht die Bandbreite all dessen, was Führungskräfte virtueller Teams brauchen. Ganz eindeutig gehören dazu außer allgemeinen Soft Skills und projektspezifischem Fach-Know-how auch viele „Querschnittfähigkeiten“ wie Medien-Kompetenz und Kommunikation, aber eben auch Persönlichkeitseigenschaften wie die Fähigkeit zum Selbstmanagement, zum Zuhören oder zum fürsorglichen Umgang mit anderen.
Was die Abbildung nicht zeigt: Außer neuen Kompetenzen brauchen Führungskräfte virtueller Teams auch ein neues Verständnis der eigenen Rolle. Schließlich bewirken „strukturelle Unterstützung“ und „Shared Leadership“, dass Führung weniger Macht bedeutet – und mehr Dienstleistung. Damit kann auch ein Verlust von Status verbunden sein, an den sich der eine oder die andere vielleicht erst gewöhnen muss. Besonders Manager, die an Privilegien hängen, müssen sich umstellen – beeindruckende Titel, große Eckbüros oder gar Chef-Parkplätze gibt es für „Virtual Manager“ nämlich nicht.
Ein Fazit für Chefs und HR-Verantwortliche
Was bedeuten all diese Ausführungen konkret für das Unternehmen? Zweierlei: Erstens brauchen Vorgesetzte, die „virtuelle Teams“ einsetzen und mit deren Leistung oder Resultaten unzufrieden sind, den Fehler nicht immer in der neuen Arbeitsform selbst zu suchen – sondern können gegebenenfalls auch einfach darauf schauen, wie die jeweiligen Teams geführt werden, und von wem. Und zweitens können sie, wenn sie bei dieser Prüfung auf Unzulänglichkeiten stoßen, diese vermutlich sehr einfach und gezielt beheben: Ein wenig Coaching der zuständigen Führungskräfte entsprechend dem hier dargestellten Kompetenzprofil genügt meist, um die Leistung der Teams innerhalb kürzester Zeit auf ein hohes Niveau zu heben.
Mit freundlicher Genehmigung von Raum Für Führung, Frankfurt.
Eine Untersuchung welcher Führungsstil für das Führen virtueller Teams am besten geeignet ist und welche Merkmale eine „virtuelle“ Führungskraft haben sollte, ist in der Tat sehr interessant. Allerdings würde ich „das bloße Übertragen von Aufgaben und das regelmäßige Kontrollieren von Arbeitsfortschritten“ des traditionellen Führens eher als transaktional und nicht transformational bezeichnen. Bei letzterem geht die Führungskraft schließlich mehr in die Rolle eines Coaches, der inspiriert, motiviert und intellektuell stimuliert. Das ist für mich mehr als eine bloße Aufgabenübertragung.