Nach alten Regeln der BWL sind Mitarbeiter „Kosten“ wie Material und Miete. Verdienen sie wenig, geht es der Firma gut. Also verhandelt man hart mit jedem einzelnen Arbeitnehmer. Doch passt dies noch in eine Zeit, in der die raren qualifizierten Kräfte dem Chef auf Augenhöhe begegnen?
Mitarbeiter erbringen partnerschaftlich die Leistungen, für die sie entlohnt werden. Darüber sind sich fast alle einig. Für die Gegenleistung sollte dieselbe Partnerschaft gelten. Visionäre und einige Unternehmer denken diesen Gedanken unter dem Etikett „New Pay“ weiter. Sven Franke, Stefanie Hornung und Nadine Nobile, die ein Team von Organisationsberatern und Fachpublizisten bilden, fassen den Stand der Diskussion zusammen. In einer Serie im HR-Channel von buchreport.de stellen sie in sieben Schritten den Weg zu New Pay vor.
Der Weg zum neuen Gehaltssystem ist so individuell wie die Lösungen selbst. Doch gibt es nach unserer Erfahrung auf der Reise zu New Pay Stationen, die einen Prozess nachvollziehbar abbilden. Diese stellen wir im Folgenden vor.
Station 1: Anleitung zum »Out of the Box«-Denken
Um Denkräume zu eröffnen, benötigen wir alle zunächst eine gehörige Prise Selbstreflexion und Fantasie. An Station 1 der New Pay Journey sind wir angekommen, wenn wir uns die Freiheit nehmen, scheinbar Unverrückbares in Frage zu stellen. Wenn Sie dabei am Anfang denken, das ist unmöglich – dann sind Sie auf der richtigen Spur. Hinterher wundern wir uns oft, wie leicht es ist, Dinge einmal anders anzugehen. Wichtig ist es allerdings, andere Menschen für neue Denkmuster zu begeistern. Dabei helfen das passende Wording und eine wirtschaftliche Argumentation. Wenn wir Undiskutierbares diskutierbar machen, können wir Beweglichkeit ins Arbeitsleben hineinbringen.
Station 2: Prinzipien festlegen
Das gewählte Gehaltsmodell sollte zur Unternehmenskultur und -struktur passen. Der Einheitslohn könnte einem hierarchisch organisierten Unternehmen leicht um die Ohren fliegen. Ein hochdifferenzierter Lohn ist bei flachen Hierarchien auch nicht empfehlenswert. Und wer die ganze Kraft auf neue innovative Produkte und Dienstleistungen verwenden möchte, braucht vermutlich ein möglichst einfaches Gehaltsmodell ohne lange Abstimmungsprozesse.
Personalkonzepte für die Zukunft
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Im Buch in Kapitel 9 haben wir die Dimensionen von New Pay aus unserer Sicht definiert und einige weitere Prinzipien genannt. Welche davon in welcher Ausprägung und in welchem Timing greifen sollten, ist Teil des eigenen Aushandlungsprozesses in der Organisation. Hier geht es noch gar nicht darum, die konkreten Regeln der Verteilung zu definieren, sondern sich gemeinsam über die Werte und Eckpfeiler klar zu werden.
Station 3: Fragen stellen
Wer New Pay in Betracht zieht, sollte sich mit einigen generellen Grundfragen beschäftigen, zum Beispiel mit diesen:
- Was fördert Motivation und Leistung? An welcher Stelle sorgen Anreiz- und Zielsysteme eher für Minderleistung – insbesondere aus Sicht der Kunden?
- Wie gut ist die Arbeit der Mitarbeiter planbar – dominiert Akkordarbeit oder agile, kreative Wissensarbeit? Sind leistungsbasierte Boni für das eigene Unternehmen vor diesem Hintergrund zielführend? Wie wichtig ist Wettbewerb und Einzelleistung im Vergleich zu Kollektivzielen?
- Wie gut lässt sich die Leistung der Mitarbeiter überhaupt messen – abhängig von ihrem konkreten Aufgabenspektrum? Lohnt sich der Aufwand der Messung und sind die Ergebnisse aussagekräftig genug?
- Inwiefern sollen die Beschäftigten in den Aufbau eines neuen Gehaltssystems mit eingebunden werden?
- Welche Vorstellung von Gerechtigkeit teilen die Beschäftigten? Was brauchen die Mitarbeiter, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren?
- Wie transparent sollen die Organisationsentwicklung und das eigene Gehaltssystem sein?
- Welche Rolle spielt Ausbildung, Erfahrung oder Lernhaltung für das Gehalt?
- Inwiefern sollen Mitarbeiter zu Mitunternehmern werden? Kommt eine Mitarbeiterbeteiligung oder gar die Unternehmensform der Genossenschaft in Frage?
Station 4: Lernen Sie von anderen
Viele Pioniere von New Pay kommen aus dem Berater- und Agenturumfeld. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Wer sich im Alltagsgeschäft ständig in Kunden hineinversetzen und kreative Lösungen für komplexe Probleme finden muss, entwickelt quasi nebenbei eine Art „New-Pay-Gen“. Wenn Sie in einem größeren Unternehmen arbeiten, mag der Impuls naheliegen, zu sagen: „Bei uns geht doch sowas nicht.“ Wir haben etwas anderes erlebt: Schon heute sehen wir erste Kooperationen von großen Organisationen mit diesen „kleinen Wilden“. Im Austausch kann etwas Neues passieren.
Station 5: Zeit für den Übergang
Neue Vergütungs- und Anreizsysteme entstehen nicht von heute auf morgen, sondern sind Teil eines größeren Kulturprozesses. Das nimmt Zeit in Anspruch, die Unternehmen von vorneherein einplanen sollten.
Station 6: Always Change a Running System
Wer die Organisation einschneidend verändert – und dies ist beim Thema Gehalt der Fall – findet nicht immer auf Anhieb die ideale Lösung. Das heißt nicht, dass man sofort wieder aufgeben sollte. Es ist vielmehr empfehlenswert, rechtzeitig die Veränderungen zu evaluieren und zu vermitteln: Nichts ist in Stein gemeißelt. Wenn man nicht sofort die gewünschten Effekte erzielt, bleibt die Veränderung weiter im Fluss. Permanent Beta!
Station 7: Laufend kommunizieren
Wie für alle Veränderungsprozesse gilt auch bei New Pay: Damit eingeschlagene Wege korrigierbar bleiben, sollte man kontinuierlich kommunizieren. So verhindern Unternehmen, dass es zu einer vergifteten Atmosphäre im Unternehmen kommen kann. Wenn man Veränderungen erklärt, sorgt dies für eine höhere gefühlte Gerechtigkeit. Oft erscheint denjenigen, die voll im Thema sind, die Veränderung völlig logisch und wenig erklärungsbedürftig. Es gilt, dennoch immer wieder das Angebot für begleitende Information zu machen.
Wichtig ist aber auch: Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Die Offenheit für das Feedback von Mitarbeitern ist unverzichtbar. Sie sind der Seismograph, ob die Änderungen tatsächlich funktionieren. Vielleicht hat der eine oder die andere auch eine verrückte Idee, wie es noch besser gehen könnte. Hier helfen Formate wie Retrospektiven oder auch Befragungen. Wichtig erscheint uns ein strukturiertes und verbindliches Vorgehen, das Feedback aktiv einfordert. Aussagen wie „Unsere Tür steht immer offen“ sind oft reine Lippenbekenntnisse.
Wer diese Anregungen wahrnimmt und aufgreift, kann wieder an Station 1 ansetzen – oder an einem beliebigen anderen Punkt der New Pay Journey.
Mit freundlicher Genehmigung von Haufe-Lexware.
Sven Franke / Stefanie Hornung / Nadine Nobile, New Pay. Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle.
Inkl. Arbeitshilfen online.
285 Seiten. EUR 39,95
E-Book (EPUB oder PDF). EUR 35,99
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