Wenn digitale Disruptoren in der Führung auf etablierte Teams treffen, müssen sie oft feststellen, dass ihre Wirksamkeit begrenzt ist. Vor einen Veränderungsprozess müssen sie dann einen Lern- (und Lehr-)Prozess schalten.Worauf es genau ankommt, damit dieser Prozess gelingt, zeigt Kai Schmidhuber, Chief Digital Officer von L’Oréal Deutschland, im HR-Channel von buchreport.de.
Kai Schmidhuber ist auch Referent beim HR Future Day der Akademie der Deutschen Medien am 12. März 2019 in München. Dort spricht er über branchenübergreifende „Lessons Learned“ und „Fails“ aus digitalen Change-Prozessen.
Kaum eine Branche stellt sich ein Außenstehender „analoger“ vor als die Beauty-Branche. Da geht es um das Schöne und das Sinnliche. Trifft diese Vorstellung auch für die Mitarbeiter dieser Branche zu?
Nein, ganz im Gegenteil. Ich möchte behaupten, dass kaum eine Branche die digitale Transformation – und damit einhergehend den Wandel der Kundenbedürfnisse – stärker antizipiert und aktiver gestaltet als die Beauty-Branche. L’Oréal ist nicht zuletzt deshalb Beauty-Weltmarktführer, weil gerade die Mitarbeiter des Unternehmens „Digital“ als Chance und als Möglichkeit begreifen, das Unternehmen und unsere Leistungen absolut kundenzentrisch auszurichten. Das kommt natürlich alles nicht von ungefähr, sondern ist das Ergebnis jahrelanger Transformationsarbeit auf allen Ebenen und Funktionsbereichen des Unternehmens.
Welche Bereiche und Komponenten des Leistungsprozesses lassen sich in dieser Branche überhaupt digitalisieren?
Digitale Transformation betrifft das Mindset und damit das gesamte Unternehmen. Digitale Transformation bedeutet ja nicht, einzelne Elemente herauszupicken und „eine App“ daraus zu machen. Jeder Teil der Wertschöpfung ist davon betroffen. Nehmen Sie einen Lippenstift als Beispiel – wäre es nicht wunderbar, wenn Sie schon vor dem Kauf und Auftragen ausprobieren könnten, ob der Lippenstift farblich zu Ihrem Abenddress passt? Das ist heute mittels Augmented Reality möglich. Und vielleicht planen Sie daraufhin ihren nächsten Shoppingtrip in die Stadt und möchten sich vergewissern, dass genau diese Nuance auch bei Ihrem bevorzugten Händler verfügbar ist – kein Problem. Alles online – Informationen, Tipps, Tutorials, Bewertungen – bis hin zur direkten Bestellmöglichkeit. Das alles ist das Ergebnis beständiger Digitalisierungsarbeit.
Ergibt sich die Reihenfolge, in der diese Komponenten digitalisiert werden müssen, von allein, oder braucht man dazu ein strategisches „Grand Design“?
Dazu braucht es eine konkrete Planung, ein umfassendes Design – und vor allem eine klare Vision. Wir sind ein Unternehmen, das auf starke Beziehungen zu seinen Handelspartnern setzt, und wollen uns eng mit ihnen abstimmen. Das ist für uns der Schlüssel zum Erfolg. Um im Ergebnis gemeinsam die besten Ideen, digitalen Lösungen und Services für unsere Konsumenten bieten zu können.
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Wenn Digitalisierung auf mental „analoge“ Mitarbeiter trifft, was passiert dann konkret?
Wir sind alle erstmal analoge Wesen. Deshalb geht es auch im ersten Schritt immer darum, diese Perspektive einzunehmen – bei Mitarbeitern genauso wie bei Konsumenten. Und dann versteht man recht schnell, welche digitalen Services praktisch wären, warum soziale Netzwerke eine immer stärkere Bedeutung einnehmen und warum E-Commerce nicht das Ende des stationären Handels ist, sondern eine perfekte und praktische Ergänzung. Bei unseren Mitarbeitern ist die Digitalisierung eine Mischung aus Trainings, Upskillings – bis hin zu Basecamps und Bootcamps. Wichtig ist, dass wir uns immer anschauen, welche Relevanz „das Digitale“ für die jeweilige Zielgruppe hat: Für einen Controller sind andere Aspekte der digitalen Themen wichtig als für den Produktmanager im Marketing. Was zählt ist, dass wir keine Silos schaffen und keine „digitalen Eliten“ entstehen lassen. Digital ist für alle und jeden.
Was ist im digitalen Change-Prozess am schwierigsten zu behandeln: Fehlende Akzeptanz, fehlendes Verständnis oder fehlende fachliche Skills?
Am schwierigsten ist, den Change-Prozess auch als solchen begreifbar zu machen. Denn „Wandel“ ist kein Projekt, kein linearer Prozess. Er erfordert hohe Flexibilität und auch die Bereitschaft, Fehler zu machen. Und diese einzugestehen, daraus zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen. Dieses Mindset zu vermitteln und die Leute zu ermutigen, Neues einfach mal auszuprobieren, ist eine der größten, aber auch eine der spannendsten Herausforderungen der digitalen Transformation.
Kann ein Team alter Häsinnen und Hasen einen solchen Prozess überhaupt erfolgreich bewältigen, oder sind neue Teammitglieder zwingend erforderlich?
Das Alter oder die Erfahrung im Job spielt dabei weniger eine Rolle als die grundsätzliche Offenheit für Neues! Agilität ist allerdings wichtig! Mit unserer Ambition, weltweiter Beauty-Tech-Leader zu sein, müssen wir immer schneller sein als unser Umfeld. Und unserer Zeit voraus. Daher ist es sinnvoll, gerade in der Entstehungsphase vieler Veränderungen besondere Experten ins Haus zu holen. Die Herausforderungen liegen darin, das Wissen dieser Experten schnell verfügbar zu machen und alle Teamkollegen und Mitarbeiter von Tag eins an mitzunehmen – um sie selbst über die Zeit zu Experten zu machen. „Digital“ ist für uns keine Disziplin, sondern eine innere Haltung, die den Konsumenten immer in den Fokus stellt.
Welches Führungs-Handeln nimmt die Mitarbeiter am besten und schwungvollsten mit in die Digitalisierung?
Selber anpacken. Keine großen Reden schwingen. Dinge ausprobieren und offen über die Ergebnisse sprechen. Keine Projekte hinter verschlossenen Türen. Auf diese Art von Transparenz – und auf den Mut, Fehler zu machen – sind wir bei L’ORÉAL besonders stolz. Auch unser neues Headquarter in Düsseldorf, in dem es ausschließlich Kollaborationsbereiche und keine Einzelbüros mehr gibt, spricht architektonisch exakt diese Sprache.
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