Erfolgreiche Selfpublisher können heute bei jedem Buchprojekt neu entscheiden: Selbst veröffentlichen oder sich unter das Dach eines Verlagshauses begeben? Chancen und Nachteile erläutern Marguerite Joly (Ullstein) und Marcus Hünnebeck im Interview mit Indie Publishing.
Herr Hünnebeck: Wo lässt sich mehr Geld verdienen, mit Amazon oder bei einem Verlag?
Hünnebeck: Eindeutig mit Amazon.
Warum sollte ein erfolgreicher Selfpublisher dann noch in einem Verlag veröffentlichen?
Joly: Es gibt kein Patentrezept, wo man mehr Geld verdienen kann und ob man mit einem Verlag zusammenarbeiten sollte oder nicht. Ich sehe uns in der Zusammenarbeit als kompetenten Sparringspartner, der in unterschiedlichen Bereichen Communities aufgebaut hat und sehr gut weiß, wie er unterschiedliche Zielgruppen ansprechen kann. Darüber hinaus ist es eine Typfrage: Hybridautoren, also Autoren die sowohl eigenständig als auch mit einem Verlag veröffentlichen, sind gewillt, auch mal etwas auszuprobieren und zu schauen, was man wo erreichen oder auch dazulernen kann. Es gibt viele Selfpublisher, für die der gewisse Kontrollverlust, der in einer Kooperation mit einem Verlag entstehen kann, schwer erträglich ist. Für diese Autoren kommt eine Kooperation mit uns eher nicht in Frage.
Hünnebeck: Verlage sind vor allem interessant für Autoren, die wenig selbst machen wollen. Nach einigen Anfangsschritten bei Kleinverlagen zu Beginn des Jahrtausends bin ich ohne Verlag neu gestartet und arbeite seither sehr gut mit Coveragenturen und einer Lektorin zusammen. Ich nehme auch selbst Geld für Werbung auf Facebook oder E-Book-Plattformen in die Hand, um die Sichtbarkeit zu erhöhen. Der Anreiz, mit einem Verlag zusammenzuarbeiten, war für mich, auch gedruckt in den Buchhandlungen zu liegen. Ich gehöre zu den Autoren, die wahnsinnig gern Lesungen machen, im Buchhandel hat man aber nur Chancen, wenn das Buch bei einem klassischen Verlag veröffentlicht wurde. Selbst in Stadtbüchereien, wo sich die E-Ausleihe mittlerweile etabliert hat, reagiert man noch sehr zurückhaltend auf reine E-Book-Autoren. Ein zweiter Pluspunkt beim Verlag war, dass das Garantiehonorar in einem Bereich lag, den ich mit einem E-Book auch erzielen würde. Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass die Chance, erfolgreich zu sein, im E-Book-Bereich für Selfpublisher größer ist.
Joly: Das Tolle ist ja, dass der Markt diese Vielfalt auch möglich macht. Sie haben die Möglichkeit, zu sagen: Das Buch mache ich selber, und dieses Buch passt gut in das Programm eines Verlagshauses. Das ist der absolute Luxus und im Prinzip für einen Autor, der unternehmerisch denkt, eine optimale Situation.
Hängt es auch vom Genre ab, welcher Publikationskanal gewählt wird?
Hünnebeck: Weniger. Ich schreibe in zwei Genres, die als E-Book sehr gut funktionieren, nämlich Thriller und humorvolle Liebesromane. Bei jedem Projekt entscheide ich dann individuell: Mach’ ich es exklusiv bei Amazon oder exklusiv bei Tolino, oder gebe ich es in alle Kanäle?
Werden Selfpublisher eher ernst genommen, wenn sie bei einem Verlag untergekommen sind?
Hünnebeck: Es gibt eine öffentliche Wahrnehmung, dass Selfpublisher Hobby-Autoren sind; vor allem im Feuilleton wird man immer noch belächelt. In meinem Bekanntenkreis sieht man vor allem, dass ich vom Schreiben leben kann, das finden viele schon erstaunlich genug. Und in den Buchhandel wiederum kommt man als Selfpublisher, der vor allem im E-Book veröffentlicht, überhaupt nicht hinein. Eine Ausnahme ist die Tolino-Offensive im vergangenen Weihnachtsgeschäft, als 20 Bücher von Selfpublishern gedruckt in den Buchhandel gebracht wurden.
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