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Hybridmodell für Tradition und New Age

Eingespieltes Trio (v.l.): Justin Pollard ist zuständig für den Crowdfunding-Ablauf. John Mitchinson, Ex-Marketingleiter von Waterstones, anschließend Verlagsleiter bei Harvill Press und Cassell, kümmert sich um das Verlagsgeschäft inklusive Lektorat, Marketing und Herstellung. Dan Kieran ist CEO.

Es gibt aktuell in der Buchbranche jede Menge Start-ups mit guten Ideen, doch fast genauso hoch ist die Durchfallquote. Als Faustregel gilt, dass rund 75% die ersten 36 Monate nicht überleben. Zu denen, die mit dieser kritischen Marke kein Problem haben, gehört Unbound: Seit Frühjahr 2011 mischt das kleine Londoner Unternehmen mit seinem innovativen Crowdfunding-Konzept munter im britischen Buchmarkt mit. 


John Mitchinson referiert am 3. Juli bei der Konferenz buchreport.360° in Dortmund über den Ansatz von Unbound: Wie setzt der Verlag Feedback der Kunden bei der Produktentwicklung ein? Hier weitere Infos zur Konferenz. 


Insgesamt 73 abgeschlossene und laufende Buchprojekte weist Unbound aktuell auf seiner Crowdfunding-Plattform aus:

  • Von den 48 derzeit finanzierten Buchprojekten sind 33 erschienen, weitere elf werden im Laufe dieses Jahres veröffentlicht; immer als gedruckte Ausgabe im Paket mit dem E-Book (Bundling).
  • 25 Bücher sind in unterschiedlichen Stadien der Schwarmfinanzierung (zwischen 6 und 83%) auf der Homepage präsent.
  • An vier bereits finanzierten Projekten arbeiten die Autoren noch.
Hoffen auf Buch über Codebrecher
Nicht eingeschlossen bei den 73 Projekten ist das Dutzend, das in den drei Jahren als unrealisierbar an die jeweiligen Autoren zurückgegeben wurde, weil auch nach mehreren Monaten der Finanzierungssatz unter 5% lag. Diese Quote ist deutlich niedriger als erwartet, sagt John Mitchinson, der mit Justin Pollard und Dan Kieran einer der Gründerväter von Unbound ist.
Unter den Projekten in der Mache ist „Saving Bletchley Park“ von Sue Black, ein Sachbuch, das das Zeug zum Bestseller hat, weil es ein Thema aufgreift, das die britischen Medien lieben. Der Landsitz Bletchley Park nordöstlich von London war im Zweiten Weltkrieg Sitz der streng geheimen militärischen Dienststelle, deren Codebrecher erfolgreich den geheimen Nachrichtenverkehr der deutschen Wehrmacht entschlüsselt haben. Die Informatikerin Sue Black war vor einigen Jahren maßgeblich daran beteiligt, Bletchley Park vor dem Abriss zu bewahren und in ein Museum umzuwandeln. Eigentlich hätte das mit 184% überzeichnete Buch in diesen Tagen erscheinen sollen, musste aber verschoben werden, weil das Manuskript nicht rechtzeitig fertig wurde. Mitchinson: „Auch das ist Crowdfunding. Viele Autoren unterschätzen den zeitlichen Aufwand.“ Im Fall Sue Black kann er auf der Habenseite verbuchen, dass die Autorin als gefragte Gesprächspartnerin der Medien jede Gelegenheit nutzt, für ihr Buch die Werbetrommel zu rühren.
Hohe Überzeichnung macht neugierig
Die stille Zuversicht, mit „Saving Bletchley Park“ einen potenziellen Erfolgstitel an der Hand zu haben, beruht nicht zuletzt auf dem Erfahrungswert, dass deutlich überzeichnete Buchprojekte die Besucher der Seite neugierig machen und Nachfrage kreieren. „Da setzt ein gewisser Schneeballeffekt in Verbindung mit Mundpropaganda ein“, beobachtet Mitchinson.
Nur der im Herbst 2013 erschienene Edelband „Letters of Note“ von Shaun Usher war bislang mit 280% höher überzeichnet als „Save Bletchley Park“. Und prompt avancierte die „kulturelle Schatzkiste“, wie die Faksimile-Sammlung von Briefen berühmter Zeitgenossen in den englischen Medien genannt wird, zum bisher erfolgreichsten Projekt im Hause Unbound.
2015 schwarze Zahlen?
„Letters of Note“ hat nicht nur dem Image von Unbound gutgetan, sondern auch dem Bankkonto, sagt Mitchinson, ohne ins Detail zu gehen. Spätestens 2015 will der Crowdfunding-Spezialist schwarze Zahlen schreiben. Das war eigentlich bereits für das vergangene Jahr geplant, aber kostenintensive Investitionen im technischen Bereich und der aufwendige Relaunch der Homepage haben das Budget stärker als veranschlagt belastet.
Die Investoren haben damit offensichtlich kein Problem: Zusätzlich zu Forward Investment Partners, der von Beginn an im Boot ist, sind kürzlich mit DFJ Esprit und Cambridge Angels zwei weitere Investoren eingestiegen, die zusätzliches Kapitel von rund 1,5 Mio Pfund mitgebracht haben.
Unbound operiert im Grundsatz ähnlich wie die Crowdfunding-Plattformen Kickstarter in den USA oder Startnext in Deutschland, konzentriert sich aber ausschließlich auf Bücher. Das Konzept kombiniert Schlüsselelemente der Schwarmfinanzierung mit denen eines klassischen Buchverlags:

  • Am Anfang der Wertschöpfungskette steht die Idee für ein Buch, mit der ein Autor bei Unbound vorstellig wird.
  • Ist das Konzept intern abgenickt, wird in Absprache mit dem Autor zunächst festgelegt, welche Summe für die Umsetzung bis zum gedruckten Buch benötigt wird.
  • Danach wird das Projekt online eingestellt – jedes begleitet von einem Video und einem schriftlichen Exposé –, und es folgt die Suche nach Geldgebern.
  • Wer ein Buch unterstützen will, kann zwischen verschiedenen Summen wählen und bekommt im Gegenzug ein vorher festgelegtes Bonuspaket.
  • Grundsätzlich wird jeder Geldgeber nicht nur namentlich im Buch erwähnt, sondern bekommt auch die E-Book-Ausgabe des entsprechenden Titels und Zugang zur verschlüsselten Autorenseite.
  • Der Autor beginnt erst mit dem Schreiben, wenn die Summe zu 100% gezeichnet ist.
Wie sich Unbound abhebt

Nachdem der Autor das Manuskript abgegeben hat, beginnt das kuratierte Modell, mit dem sich Unbound ebenfalls grundsätzlich von anderen Crowdfunding-Plattformen unterscheidet: Der Hybridverlag kümmert sich um Marketing, Druck und Vertrieb, nicht nur online, sondern auch über die traditionellen Kanäle im Buchhandel. Der Autor ist in jeder Phase in den Produktionsprozess einbezogen und hat in strittigen Fragen das letzte Wort. Ist das Buch erschienen, teilen sich Autor und Verlag alle Gewinne 50:50.

Öffnen für andere Verlage
Derzeit laufen die Vorbereitungen für die nächste Phase in der noch jungen Geschichte von Unbound: Die Öffnung der Plattform für klassische Buchverlage und Verleger/ Lektoren, die hier eine Chance erhalten, Buchprojekte umsetzen zu können, die ansonsten im Verlag durch das Raster der kommerziellen Vorgaben fallen.
Das Interesse an diesem Service ist groß. Canongate, mit dem Unbound so erfolgreich bei „Letters of Note“ zusammengearbeitet hat, und der kleine, im Mai 2013 gegründete Indie-Sachbuchverlag The Do Book Company haben ebenso wie die Penguin-Tochter Hamish Hamilton und Faber & Faber bereits unterschrieben. Bis zum Jahresende rechnet Mitchinson mit mindestens einem Dutzend „Fremdbeiträger.“
Text: Anja Sieg

aus: buchreport.magazin 4/2014

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