Auf der literarischen Bühne sind in diesem Frühjahr zahlreiche neue Gesichter zu sehen: Viele Literaturverlage haben junge Nachwuchsautoren im Programm. In der buchreport-Reihe „Ball der Debütanten“ berichtet heute Nachwuchsautorin Olga Grjasnowa (Foto) von der Geburt ihres ersten Romans.
© Peter-Andreas Hassiepen/Hanser Verlag
Mein Roman in drei Sätzen.
In meinem „Russen“ geht es um Mascha, die als Kind das Pogrom an den Armeniern in Baku miterlebt hat. Seitdem ist sie stets auf der Suche nach etwas, das ihr Stabilität bieten kann – sei es ein Ort oder eine Person, Mann oder Frau. Wonach Mascha sich sehnt, ist keine Identität, die ist ihrer Meinung nach in heutigen Metropolen nicht mehr aktuell: Mascha und ihre Freunde, junge Erwachsene mit Hochschulabschlüssen und „Migrationshintergrund“, setzen eher auf Staatsbürgerschaften, Visa und Aufenthaltsgenehmigungen, als auf die Zugehörigkeit zu einem Kollektiv. Bei ihrem Freund Elias kommt Mascha endlich zur Ruhe, doch er stirbt.
Meine literarischen Vorbilder.
Ich finde es schwierig, von Vorbildern zu sprechen – ich denke nicht, dass ich jemals mit meinem Schreiben an diese Menschen heranreichen könnte. Dennoch: Ich verehre Bulgakow, Chechow, Anna Achmatowa, Orly Castel-Bloom, Hanouch Levin, Seberjanin und Daniil Charms, Sylvia Plath und Nabokov, Marina Carr, Sarah Kane und vor allem und immer wieder – Brigitte Reimann. Der neue Roman von Michel Houellebecq hat mich tief beeindruckt, obwohl ich mit diesem Autor wie viele andere jahrelang Probleme hatte.
Mein Weg zu Hanser.
Die Suche nach einem Verlag war aufregend und nervenaufreibend und ich bin sehr glücklich darüber, dass es schließlich Hanser geworden ist. Norbert Gstrein hatte meinen Roman bei der Literaturwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung betreut und mich daraufhin dem Hanser Verlag empfohlen. Anschließend ging alles recht schnell und einfach.
Was meine Lektorin getan hat.
Die Zusammenarbeit mit meiner Lektorin war intensiv, ohne sie wäre der Text nicht so geworden wie er nun ist. Sie hat eine großartige Textarbeit geleistet und viele Denkprozesse angestoßen. Eine der wichtigsten Fragen bei der Verlagssuche war für mich die Frage nach dem Lektor.
Gedruckt oder digital?
Ich bin bibliophil und Lesen ist für mich immer auch ein haptischer Vorgang, deswegen bevorzuge ich gedruckte Bücher, wobei ich der Meinung bin, dass die Typografie gar nicht wichtig genug sein kann. Künstlerbücher und einfach schön gemachte Bücher üben auf mich eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, aber alle anderen auch. In Wohnungen schau ich mir als Erstes die Bücherregale an. Natürlich haben auch E-Books enorme Vorteile, ich könnte mir vorstellen, Fachliteratur digital zu lesen. Außerdem erinnere ich mich nur zu gut ans Tragen von Taschen, die kaum noch zu heben waren: Auf dem Weg von der Uni-Bibliothek nach Hause habe ich mir des Öfteren abwechselnd geschworen, weniger Bücher einzupacken oder eben doch mein Studium abzubrechen.
Meine Lieblingsbuchhandlung.
In Berlin ist es die Buchhandlung Schwarze Risse auf der Kastanienallee. Es ist eine kleine, schöne Buchhandlung, mit den besten Publikationen zu politischen und soziologischen Themen aber auch Belletristik. Diese Buchhandlung habe ich noch nie mit leeren Händen verlassen. Ich liebe auch die Buchhandlung Motto in der Skalitzer Straße, dort gibt es eine riesige Auswahl an Kunstzeitschriften, Monografien und Künstlerbüchern. Und wenn man schon in der Skalitzer Straße ist, sollte man auch B-Books nicht auslassen.
Mein Plan B.
Ich würde gern eine Kochschule besuchen: Ich weiß, dass es zum Beispiel in Jerusalem viele gute Kochschulen gibt – dort lernt man ein Jahr lang Kochen und Backen und wird auf den späteren Berufsalltag in Restaurants vorbereitet. Nach meinem Studienabschluss am Leipziger Literaturinstitut wollte ich unbedingt diese Ausbildung machen, konnte aber leider die enormen Studiengebühren nicht aufbringen. Ich koche leidenschaftlich gern und habe zu Hause eine sehr umfangreiche Sammlung von Kochbüchern.
Zur Person
Olga Grjasnowa wurde 1984 in Baku, Aserbaidschan, geboren und wuchs im Kaukasus auf. Sie ist Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. 2010 bekam sie den Dramatikerpreis der Wiener Wortstätten für ihr Debütstück „Das bisschen Palästina“. 2011 erhielt sie das Grenzgänger Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung. Derzeit studiert sie Tanzwissenschaften an der FU Berlin.
Olga Grjasnowa: Der Russe ist einer, der Birken liebt
288 S., Hanser, 18,90 E
ISBN 978-3-446-23854-1
Bislang sind in der Serie folgende Teile erschienen:
- Teil 1: Lisa-Maria Seydlitz
- Teil 2: Elias Wagner
- Teil 3: Traudl Bünger
- Teil 4: Cornelia Travnicek
- Teil 5: Andreas Martin Widmann
- Teil 6: Olga Grjasnowa
- Teil 7: Pia Ziefle
- Teil 8: Franziska Gerstenberg
- Teil 9: Nina Bußmann
- Teil 8: Franziska Gerstenberg
- Teil 9: Nina Bußmann
- Teil 10: Marion Brasch
Die komplette Serie lesen Sie im buchreport.magazin 3/2012 (hier zu bestellen)
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