Prof. Dr. Thomas Hoeren ist Leiter des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster. Im Gegensatz zum Börsenverein befürwortet er die Initiative der EU-Kommission, das europäische Urheberrecht ans digitale Zeitalter anzupassen.
Ist der Vorstoß der EU-Kommission zur Harmonisierung des Urheberrechts ein Einknicken gegenüber Google?
Der Vorstoß ist absolut sinnvoll. Es geht primär nicht einmal um Google, sondern um die Zukunft des Urheberrechts, die Möglichkeiten und Grenzen einer Wissensordnung. Es besteht die Gefahr, dass Jura benutzt wird, um antiquierte Geschäftsmodelle zu schützen. Das Urheberrecht hat sich von einem Kulturrecht zu einem Wirtschaftsrecht gewandelt, verwendet aber noch die alten Rechtsmodelle des 19. Jahrhunderts. Es muss dringend an die Bedürfnisse einer „Digital Society“ angepasst und grundlegend überarbeitet werden.
Kommt der Vorstoß der EU-Kommissare angesichts der fortgeschrittenen Entwicklung beim „Google Settlement“ zu spät?
Nein. Google scheint allmählich zu begreifen, dass die Situation in Europa für Google Books emotional schwierig ist. Europa ist nicht gleich USA. Insofern lenkt Google zu Recht ein und versucht, mit den Kreativen, Verlegern und Nutzern in Brüssel gemeinschaftlich an Lösungsansätzen zu arbeiten. Im Übrigen bleibt abzuwarten, was sich in den USA in Bezug auf das Settlement tut. Hier stehen insbesondere auch noch kartellrechtliche Fragen zur Prüfung an.
Der Börsenverein warnt vor „Absenkung der Urheberrechtsstandards“. Zu Recht?
Nein, der Börsenverein kämpft weitgehend restaurativ um den Erhalt alter Geschäftsmodelle, in denen die Buch-Verleger monadisch im Zentrum stehen. Verleger verstecken sich hinter den Schutzstandards für Urheber, obwohl sie noch nicht einmal eigene Rechte gegen Google und Co. haben. Sie verkennen die besonderen Bedürfnisse der Kreativen und der Nutzer, die das Internet auch als Chance für eine Verbreitung von Wissen begreifen. Es fehlt im Börsenverein der frische Wind.
Welche Urheberrechtsregelungen in der EU passen nicht ins „digitale Zeitalter“?
Zugunsten der Kreativen gilt es zum Beispiel, deren vertragliche Position gegenüber den übermächtigen Verwertern zu schützen und etwa durch eine verstärkte AGB-Kontrolle Rechtebuyouts zu verhindern. Auch bedarf es einer starken Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften. Zugunsten der Verleger sollte über die Anerkennung eines eigenen Leistungsschutzrechts nachgedacht werden. Zugunsten der Nutzer und der Allgemeinheit gilt es, der ständigen Ausdehnung des Urheberrechts entgegenzuwirken und es wieder auf einen Kernbestand wirklich kreativer Inhalte zu beschränken.
aus: buchreport.express 38/2009
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