Für Rechtehändler ist die Buchmesse eine Premium-Kontaktbörse. Aber die Stimmung im Lager der Literaturagenten ist 2009 angespannt. Denn: Bei den Verlagen sitzt das Geld nur noch in Ausnahmefällen locker.
Buchmessen gehören für einen internationalen Literaturagenten zu den wichtigsten Kontaktbörsen. Frankfurt ganz besonders, auch wenn die London Book Fair zumindest was den Rechtehandel angeht, mittlerweile fast auf Augenhöhe antritt. Wie immer wird es im Literary Agent’s Centre in Halle 6.2 wie in einem Bienenstock zugehen, doch es bedarf keiner prophetischen Gaben, dass die Stimmung am Main angespannter als sonst sein wird.
Internationaler Rechtehandel steht unter Druck
Der internationale Rechtehandel steht unter starkem Druck, darüber können auch die angeblich 150 Mio Dollar (ca. 103 Mio Euro) nicht hinwegtäuschen, mit denen die amerikanische Hachette Book Group dieser Tage James Patterson in einem Paket mittelfristig weiter an sich gebunden hat. Der vom Washingtoner Anwalt Robert Barnett, zu dessen Buchklientel u.a. auch Bill und Hillary Clinton gehört, eingestielte Deal unterstreicht, wovor viele Agenten seit langem warnen: Das Lizenzgeschäft zerfällt rapide in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Sebastian Ritscher (Mohrbooks, Zürich): „Wir beobachten mit Sorge, wie sich der Graben zwischen den ersten vier oder fünf Spitzentiteln und dem Mittelfeld weiter öffnet.“
Das gilt für den internationalen wie für den deutschen Markt. Der Zürcher Literaturagent Peter Fritz hatte vor Jahresfrist die Abschlüsse seiner Agentur über einen Zeitraum von zwei Jahren analysiert und kam zu dem ernüchternden Ergebnis, dass 57% weniger als 5000 Euro eingebracht haben.
„Key Accounter geben den Ton an“
Ein Jahr später hat sich die Situation eher noch verschärft: „Das Lektorat hat nichts mehr zu sagen, stattdessen geben Key Accounter und Vertrieb vor, was verkauft wird“ beklagt der Schweizer zunehmend „englische Verhältnisse“ im deutschen Markt. „Ich habe inzwischen mehrfach erlebt, dass deutsche Programmchefs von einem Buch begeistert waren und es zwei Wochen später kleinlaut zurückgegeben haben; das ist ein sehr unglücklicher Trend.“
Der Kampf um die Spitzenplätze ist immens und wird unter den Agenturen mit harten Bandagen geführt. Die Londoner Literaturagentin Carole Blake (Blake Friedman), die u.a. die Bestsellerautoren Peter James, Joseph O’Connor und Ann Granger vertritt, ist über die immer ungenierteren Versuche von Mitbewerbern verärgert, erfolgreiche Autoren abzuwerben. „Mittlerweile dreht sich alles um Markennamen, die natürlich jeder vertreten möchte. Debütanten zu platzieren ist ungeheuer schwierig geworden.“
Verlage sparen bei den Vorschüssen
Erschwert wird das Geschäft zusätzlich durch den rigiden Sparkurs vieler Verlage, der im angloamerikanischen Sprachraum besonders ausgeprägt ist. Andrew Nurnberg (Andrew Nurnberg Associates, London): „Abgesehen von den Spitzenautoren kennen die Vorschüsse seit geraumer Zeit nur einen Weg, und der geht nach unten.“
Das gilt ganz besonders für Großbritannien, wo der Bestsellermonitor BookScan die Absatzzahlen so transparent wie nie zuvor gemacht hat und gleichzeitig die Wirtschaftskrise die Stimmung drückt. Nurnberg: „BookScan macht aus Vermutungen Gewissheit; statt das nächste Buch aktiv werblich zu unterstützen,gehen die Verlage den einfachen Weg, und halbieren den Vorschuss. Das ist für den Autor natürlich unglaublich motivierend.“
Vorsichtige Entspannung in den USA
Während viele britische Agenten davon ausgehen, dass die Zurückhaltung im Lizenzgeschäft auf absehbare Zeit anhalten wird, sehen namhafte Kollegen auf der anderen Seite des Atlantiks zumindest für den gebeutelten US-Markt vorsichtige Entspannung. Robert Gottlieb, Chairman der New Yorker Agentur Trident Media, sieht deutliche Anzeichen für eine Erholung des Marktes, obwohl die Verlage weiterhin „bedächtig einkaufen“. Ähnlich beurteilt Andrew Wylie (The Wylie Agency) die Entwicklung: „Das Lizenzgeschäft ist stabil, die Verlage kaufen nach einer sparsamen Phase wieder ein. Ich rechne damit, dass der Markt spätestens Mitte nächsten Jahres zu alter Stärke zurückgefunden hat.“
Ein Thema, das die Branche anhaltend umtreibt und sich in Frankfurt einmal mehr wie ein roter Faden durch alle Gespräche ziehen wird, sind E-Books. Auch wenn die Umsätze mit den elektronischen Formaten zumindest in Deutschland nach wie vor „verschwindend gering „ sind (Ritscher), werden E-Books hierzulande fast immer als Teil des Vertragspakets angeboten und auch von Zweidritteln der Verlage übernommen.
E-Book-Tantiemen sind Dauerthema
Ein Dauerthema mit divergierenden Meinungen sind die E-Book-Tantiemen. Während in den englischsprachigen Ländern bei Lizenzverhandlungen derzeit 25% vom Verkaufspreis favorisiert werden, in New York sogar noch höhere Sätze diskutiert werden, liegt für deutsche Verlage die Schmerzgrenze (noch) bei 20%. Das bringt die Schweizer Agenten mitunter in eine prekäre Situation, denn vor allem die Amerikaner zeigen sich wenig kompromissbereit. Fritz: „Hier gibt es noch sehr viel Klärungsbedarf.“
Anja Sieg, sieg@buchreport.de
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