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Im Maschinenraum der Digitalisierung

Im Zeitalter von Kindle & Co. sind die Manifeste inzwischen von Praxisanalysen und Gewinner- und Verlierer-Listen abgelöst worden. Davon zeugt das von Klopotek veranstaltete und von buchreport als Medienpartner begleitete Publishers‘ Forum in Berlin, wo Gäste aus dem In- und Ausland an zwei Tagen das digitale Spielfeld für Buchverlage abstecken.

Wie weit die Diskussion über die Digitalisierung inzwischen fortgeschritten ist, das zeigte schon der Vortrag von Sara Lloyd. Die Digital-Chefin beim britischen Verlag Pan Macmillan referierte über Verlage im 21. Jahrhundert, indem sie ihr Manifest aus dem Jahr 2008 auf den Prüfstand stellte – und für die gesamte Veranstaltung eindrucksvoll die Koordinaten vorgab.

Anders als beim Verfassen des Manifests ist aus der elektronischen Nische inzwischen ein stattlicher, weiterhin rasant wachsender Markt geworden. Laut Lloyd lag der Umsatz mit E-Books bei ihrem Verlag im ersten Quartal 2011 auf dem gleichen Niveau wie die gesamten Umsätze aus dem Jahr 2010; bis 2014 steige der elektronische Marktanteil nach Einschätzungen von Analysten auf bis zu 35%.

Die nüchterne Analysen von Lloyd und der anknüpfenden Referenten zeigt, dass sich der Wandel durch die Digitalisierung inzwischen nicht mehr nur theoretisch herleiten, sondern beobachten lässt:

Transformation der Kanäle: Sowohl Lloyd als die ihr folgenden Redner machten keinen Hehl daraus, dass die Digitalisierung auf Kosten des stationären Buchhandels erfolgt. So erklärte Johann Kempe,(Foto), Chef beim Holtzbrinck-IT-Dienstleister HGV (Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice), dass der Buchhandel schon seit Jahren im E-Commerce schwächele und diese Schwäche im E-Book-Zeitalter noch verstärkt werde. „Das Geschäft mit E-Books findet nicht im stationären Handel statt.“

Lloyd brachte die aus Sicht des Buchhandels bittere Entwicklung auf den Punkt, indem sie konstatierte, dass aus Sicht der Verlage Metadaten (je besser die Metadaten, desto besser die Auffindbarkeit im Internet) den passionierten Buchhändler abgelöst hätten.

Evolution im Marketing:  Der große Stellenwert von Social-Media-Portalen hat das Bücher-Marketing total verändert – klassische Anzeigen sind monologisch, Twitter und Co. setzen auf Dialog. Verglichen mit anderen Branchen fehlt vielen Verlage allerdings laut Lloyd eine Social-Media-Strategie. Zentral sei bei allen Aktivitäten aktuell: „Digitales Marketing ist mobiles Marketing.“

Fragmentarisierung der Produktentwicklung und Herstellung: Verlage müssen bei der Konzeption von  neuen elektronischen Produkten technisch und im Vertrieb so viele Kanäle wie möglich bedienen, und zwar national und international. HGV-Chef Kempe skizzierte diese Entwicklung mit den Begriffen Multichannel, Multiformat und Multidevice. Angesichts dieser Herausforderungen kämen die Verlage nicht an XML-first-Workflows vorbei, wie sie gerade bei De Gruyter eingeführt werden (mehr dazu im buchreport.spezial „Herstellung und Management“, hier zu bestellen).

Lieferanten unter Druck: Der wachsende digitale Vertrieb führt spätestens nach den ersten Print-Kannibalisierungserscheinungen dazu, dass kleinere Print-Auflagen und sinkende Preise zu größeren freien Lagerkapazitäten bei den Lieferanten führt, wie Kempe analysierte.

Neues Selbstbild bei den Verlagen: Wie sich das Rollenverständnis der Verlage im digitalen Zeitalter verändert, zeigte Ulrich Hermann. Der Chef von Wolters Kluwer Deutschland erklärte, der Verlag sehe seine Funktion nicht mehr primär darin, Inhalte zu erstellen. Stattdessen gehe es darum, die eigenen Prozesse zu analysieren, den Kunden zu verstehen und die Community mit einer Infrastruktur auszustatten, die diese in die Lage versetzt, selbst Inhalte zu erzeugen.

So werde man beim Projekt „Jurion Web 3.0“ (Jurion.de ist der neue Name des von LexisNexis übernommenen Rechtsinformations-Portals) nicht nur den Zugriff auf eine Datenbank ermöglichen, sondern die Nutzer einbeziehen, sodass dieser selbst ähnlich wie bei der Wikipedia Inhalte beisteuern kann. Die Zielgruppe der Anwälte setze schon heute zu einem hohen Prozentsatz Facebook und Twitter beruflich ein. Die Anwälte kommunizierten qua ihres Berufs ständig und produzierten täglich Verträge und Schriftsätze, die künftig stärker mit anderen Nutzern der Community vernetzt würden. Der Verlag müsse Informationssysteme aufbauen, die – neben dem klassischen Datenbank-Geschäft – per Social Media die Sekundärinfos der User in den Mittelpunkt stellten und in den Workflow der Kunden integriert.  

Nicht nur inhaltlich konnte die Veranstaltung am ersten Tag durch ihre Vielfalt überzeugen. Auch die Veranstalter sind zufrieden. Mit über 300 Gästen konnte Klopotek im Vergleich zum Vorjahr (287 Teilnehmer) einmal mehr zulegen.

Fotos: Adam Janisch, buchreport

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