Die Krisenmeldungen von der Wall Street und ein immer stärker schwächelndes gesamtwirtschaftliches Umfeld haben jetzt auch den amerikanischen Buchmarkt erreicht. Zum Sprachrohr der schlechten Stimmung innerhalb der Branche hat sich Barnes & Nobles Chairman Len Riggio gemacht, dessen aktuelles Memo an die Mitarbeiter für ein heftiges Rauschen im Blätterwald sorgt.
Der Branchenprimus rüstet sich für ein „fürchterliches Weihnachtsgeschäft“ und rechnet damit, dass der Abwärtstrend „bis weit in das kommende Jahr anhalten wird, möglicherweise auch darüber hinaus“, schreibt Riggio in seinem zweiseitigen Statement. „In meinen vielen Jahren als Buchhändler habe ich niemals zuvor ein so schlechtes Einzelhandelsklima erlebt wie in diesem Jahr.“
Zuversicht trotz einkalkulierter Umsatzeinbußen
Riggio, der mit einem Aktienpaket von ca. 30% einer der größten Anteilseigner von Barnes & Noble ist und dessen Bruder Steve Riggio als CEO die Fäden im Konzern zieht, erwartet für den größten US-Buchhändler in den kommenden Wochen Umsatzeinbußen durch weniger Kunden. Dennoch zeigt er sich optimistisch, dass der Buchkonzern in der Endabrechnung 2008 erneut „einen annehmbaren Gewinn“ in der Kasse haben und seinen Aktionären wie geplant ca. 50 Mio Dollar Dividende auszahlen wird.
Aber auch die Nr. 1 kommt nicht ohne kostensparende Maßnahmen aus. Dazu gehören, so der Chairman, deutlich weniger Neueröffnungen als geplant und eine intensive Analyse aller Kosten. Zu kräftig soll der Rotstift aber nicht angesetzt werden: „Es wird keine drakonischen Sparmaßnahmen geben, die die Leistungsfähigkeit unserer Buchhandlungen in irgendeiner Weise beeinträchtigen könnten.“
Bei Borders reißen die Turbulenzen nicht ab
Während Len Riggio darauf aufbauen kann, dass Barnes & Noble schuldenfrei ist, gerät Hauptwettbewerber Borders Group Inc. in immer größere Turbulenzen. Zusätzlich zu den Unwägbarkeiten um den umtriebigen Investor William Ackman (buchreport berichtete) steht jetzt auch noch die Kreditwürdigkeit des zweitgrößten US-Buchhändlers auf dem Spiel: Kürzlich hat Kreditversicherer Euler Hermes ACI angeblich das Limit von Borders’ Forderungsausfallversicherung wegen anhaltender Verluste gekürzt und damit dessen Lieferanten in Alarmbereitschaft versetzt.
Auch bei den großen US-Verlagsgruppen mehren sich die negativen Schlagzeilen:
- Nachdem Doubleday mit 16 Entlassungen seinen Personalstamm um 19% reduziert hat, hat der Buch- und Zeitschriftenverlag Rodale überraschend die Streichung von 111 Stellen angekündigt; das sind 10% aller Mitarbeiter. Betroffen sind in erster Linie die Bereiche EDV, Vertrieb und Kundenservice.
- McGraw-Hill Education hat im dritten Quartal 2008 mit 1,13 Mrd Dollar 3,8% weniger umgesetzt; für das gesamte Jahr rechnet der Schulbuchriese inzwischen mit einem Minus zwischen 1 und 2% statt des ursprünglich angepeilten Umsatzwachstums von bis zu 8%.
- Nach einem schwachen ersten Halbjahr brachte das dritte Quartal für Simon & Schuster mit einem Plus von 5% auf 225 Mio Dollar und einem um 8% verbesserten Gewinn eine Atempause; zufrieden wird CEO Carolyn Reidy dennoch nicht sein, denn Ende September brachen die Umsätze schon wieder ab.
aus: express 45, 2008
Kommentar hinterlassen zu "Im Steilflug in die Flaute"