Lesen beginnt mit Vorlesen – eine Weisheit, die sich die Veranstalter des bundesweiten Vorlesetages auf die Fahnen schreiben, der zum fünften Mal in Schulen, Kindergärten und Bibliotheken für die Kultur des Geschichtenvortrags wirbt. Und Werbung tut not: 37% aller Vier- bis Elfjährigen wird nicht vorgelesen, wie die aktuelle Studie u.a. der Stiftung Lesen unter dem Titel „Vorlesen im Kinderalltag 2008“ ausweist. Die großen PISA-Studien, die Kindern mangelnde Lesekompetenz bescheinigen, können zwar nachträglich für Aufregung sorgen, aber die fehlende frühkindliche Prägung nicht ersetzen. Kann ein bundesweiter Vorlesetag mit der impliziten Forderung „Eltern, lest vor!“ eine nachhaltige Wirkung entfalten?
Vorlesen beginnt mit der Auswahl der richtigen Lektüre, und hier offenbart sich ein anderer Missstand: Gerade im Vor- und Erstlesebereich greifen Väter und Mütter gern zu Reihentiteln, die nicht immer den Qualitätsansprüchen entsprechen, aber von der Qual der Wahl entlasten. Die Stiftung Lesen unterstützt die Suchenden zwar mit einer Empfehlungsliste zum Kinder- und Jugendbuchmarkt, die online erscheint und an Erzieher und Vorlesepaten versendet wird, aber letztlich das stationäre Sortiment und den Kunden nicht erreicht und bei der Auswahl geeigneter Bücher kaum eine Rolle spielt. Stärker in die Offensive geht demnächst der Schweizer Branchenverband SBVV, der halbjährlich eine Liste von zehn Kinder- und Jugendbuch-Empfehlungen veröffentlichen will, um Orientierung zu stiften.
Leseförderung von der Elternanimation bis zur Lektürewahl ist ein mühsames Unterfangen des steten Tropfens: Es muss gelingen, das eintägige Event Vorlesetag auf ein ganzjähriges Format zu übertagen.
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