Formal ist an der Kooperation zwischen Thalia Mayersche und Osiander nichts zu rütteln: Die strategische Zusammenarbeit, u.a. in Form eines gemeinsamen Einkaufs, ist verkündet und genehmigt. Mitte November 2020 gaben die Kartellbehörden grünes Licht, sie sahen in der Partnerschaft keine erhebliche Behinderung des Wettbewerbs.
Gerhard Beckmann (82), Verleger, Kolumnist und Publizist, formuliert in einem Offenen Brief jedoch Kritik an der Entscheidung des Kartellamts – und regt die Rückgängigmachung der Entscheidung an. Denn, so Beckmann, die Zustimmung für die Kooperation sei zwar auf Grundlage geltenden Rechts gefallen, jedoch bereits im Umfeld sich ankündigender Kartellrechts-Änderungen. Mit diesen sollen „wettbwerbsverzerrende Praktiken” verhindert werden.
Beckmann formuliert u.a. Kritik an den Einkaufspraktiken von Thalia. „Von Verlagen, die sich den Forderungen Thalias verweigern, werden keine Titel bezogen. Sie werden ausgelistet”, so Beckmann in seinem Schreiben. Er verweist beispielhaft auf den Verlag Kein & Aber, dem Thalia Rabattforderungen von um die 60% abverlangt habe, was „um rund zehn Prozent oberhalb des durch die deutsche Buchpreisbindung fixierten Limits” liege. Hier allerdings irrt Beckmann, denn im Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG) gibt es keine gesetzlich fixierte Rabatt-Obergrenze von 50%, wie sie hier angedeutet wird. Was es gibt, ist eine Klausel, nach der „Letztverkäufer“ (also Buchhandlungen) keine besseren Konditionen bekommen dürfen als der Zwischenbuchhandel (s. auch Infokasten).
Was das Buchpreisbindungsgesetz zu Konditionen sagt
Das Gesetz über die Preisbindung für Bücher (Buchpreisbindungsgesetz – BuchPrG) regelt nicht nur, dass Bücher zu festen Preisen an Endabnehmer verkauft werden. Es versucht auch, den Wettbewerb bei den Einkaufskonditionen einzugrenzen, damit sich große Händler nicht unter dem Schutz des festen Endpreises Wettbewerbsvorteile schaffen, die der Absicht des Gesetzes zuwiderlaufen, nämlich eine große Zahl von Verkaufsstellen zu fördern und auch eine mittelständische Handelsstruktur.
Die Konditionenfrage ist unter der Überschrift „Vertrieb“ in §6 formuliert:
(1) Verlage müssen bei der Festsetzung ihrer Verkaufspreise und sonstigen Verkaufskonditionen gegenüber Händlern den von kleineren Buchhandlungen erbrachten Beitrag zur flächendeckenden Versorgung mit Büchern sowie ihren buchhändlerischen Service angemessen berücksichtigen. Sie dürfen ihre Rabatte nicht allein an dem mit einem Händler erzielten Umsatz ausrichten.
(2) Verlage dürfen branchenfremde Händler nicht zu niedrigeren Preisen oder günstigeren Konditionen beliefern als den Buchhandel.
(3) Verlage dürfen für Zwischenbuchhändler keine höheren Preise oder schlechteren Konditionen festsetzen als für Letztverkäufer, die sie direkt beliefern.
Quelle: Buchpreisbindungsgesetz
Schaden für den Buchmarkt
Beckmann fürchtet, dass hohe Rabattforderungen den Verlagen wirtschaftlich schaden, sie aber angesichts der Marktmacht des Partners in einer Zwangslage seien. Diese „Entweder-Oder”-Politik schade der Vielfalt des Buchmarktes und dadurch auch dem Gesamtmarkt. In der Konsequenz führten Kooperationen wie die zwischen Thalia und Osiander auch zu Arbeitsplatzverlusten bei Autoren und fehlenden Wettbewerbsmöglichkeiten für Verlage, so Beckmanns Meinung.
„Der wachsende negative Einfluss eines Großfilialisten wie Thalia reicht bis tief in Programmgestaltung und Titelpräsentation großer Verlage. Die exorbitanten Zusatzkosten, die sie verursachen, sind ein Grund dafür, dass es heute an Marketing und allgemeiner Werbung für Bücher mangelt, die für Buchhändler und Leser so notwendig wäre. Thalia – wie auch Amazon – knappst wohl sogar den Barsortimenten bis um zehn und mehr Prozente ab als überhaupt berechtigt und gesetzlich statthaft – und gefährdet damit ein einzigartiges, systemrelevantes Element, das unseren Buchhandel mit Amazon konkurrenzfähig macht”, formuliert Beckmann.
Beckmann schließt seinen Brief mit dem Verdacht, dass Thalia seine Größe nutze, um „widerstrebende selbständige Sortimenter unter Druck zu setzen, damit sie bei Thalia unterkriechen”.
Hier geht es zum Offenen Brief.
Am 2.2.2021 wurde die Passage zur Frage nach einer Rabatt-Obergrenze von 50% präzisiert.
Das laute und angstvolle Schweigen der Branche stimmt Herrn Beckmann zu.
Herr Beckmann irrt bei der „Rabatt-Obergrenze“ nicht: an die Stelle der Spruchpraxis des Bundeskartellamts (Mehr als 50% Rabatt verstoßen gegen die Preisbindung nach GWG.) ist § 6 Absatz 3 des Buchpreisbindungsgesetzes getreten, keine absolute, sondern eine relative Höchstgrenze für die Gestaltung der Konditionen (Rabatte, Boni, Skonti, WKZ usw.). Kein Abnehmer darf nach dieser Regelung bessere Konditionen bekommen als der Zwischenbuchhandel (die Barsortimente). Das geschieht zwar Tag für Tag in den „Rabatt-Verhandlungen“, deren Ergebnisse vertraulich sind; deshalb bleibt § 6 Abs. 3 BuchPrG ohne die Bucheinsicht der Preisbindungstreuhänder (wie bei einer Verletzung des Ladenpreises in § 10 BuchPrG geregelt) ein „zahnloser Tiger“, was die Monopolkommission in ihrem Gutachten zur Buchpreisbindung angemerkt, das Bundeskartellamt in seiner OVG-Entscheidung aber übersehen hat.
Hallo Herr Bez, danke für Ihre Nachricht. Wir haben an der von Ihnen erwähnten Stelle im Beitrag nochmal nachgeschärft und einen Hintergrund-Kasten eingefügt, um Missverständnisse zu vermeiden: Gemeint war von uns in dem Kontext eine gesetzlich fixierte Rabatt-Obergrenze von 50%, die sich aus den Ausführungen von Herrn Beckmann ableiten lässt, und so ja tatsächlich nicht im BuchPrG steht. Was es stattdessen gibt, wie Sie auch ausführen, ist die Klausel, nach der „Letztverkäufer“ (=Buchhandlungen) keine besseren Konditionen bekommen dürfen als der Zwischenbuchhandel. Beste Grüße aus der buchreport-Redaktion!