Italien staunt über den steilen Aufstieg der Gruppe Mauri Spagnol. Die Holding bündelt unter ihrem Dach kleine, aber feine Boutique-Verlage. Das Konzept funktioniert: In diesem Jahr wächst Italiens Nr. 3 auf 170 Mio Euro.
Seit die Familien Mauri und Spagnol am 13. Oktober 2005 ihre Verlagsaktivitäten unter dem Dach der Holding Grupo editoriale Mauri Spagnol (GeMS) gebündelt haben, ist Bewegung in die italienische Verlagslandschaft gekommen. Wie kein anderes Unternehmen steht GeMS, an dem die Mauris über Messaggerie Italiane mit knapp 74% und die Spagnols mit 23% beteiligt sind, für Wachstum, sowohl organisch als auch durch Zukäufe.
Den jüngsten Neuerwerb präsentierte die Gruppe mit Fazi Editore auf der Frankfurter Buchmesse. Zuvor wurden in diesem Jahr bereits La Coccinella und Bollati Boringhieri übernommen. Weil die Geschäfte so gut laufen, ist GeMS auch erstmals außerhalb der Landesgrenzen aktiv geworden: Im Herbst 2008 wurde in Spanien der literarische Verlag Duomo Ediciones (Barcelona) eröffnet.
Motor des Erfolgs ist das Verlegergespann Stefano Mauri (CEO und President) und Luigi Spagnol (CEO). Die Männer kennen sich seit vielen Jahren – Luigis Vater Mario Spagnol wurde 1979 von Stefanos Vater Luciano Mauri als Verleger von Longanesi ins Haus geholt – und sind für ihren zupackenden, hemdsärmeligen Arbeitsstil, ihre Loyalität und ihren Mut zum kalkulierten Risiko bekannt.
Beide sind außerdem vehemente Fürsprecher der Meinungsfreiheit, was dazu geführt hat, dass das neue Buch des Portugiesen José Saragamo bei Boringhieri und nicht bei Ei-naudi erschienen ist. Die Mondadori-Tochter, die Saramago seit 20 Jahren veröffentlicht, wollte die Blog-Sammlung „El Cuaderno“ nicht haben, weil der Literaturnobelpreisträger von 1998 darin u.a. über Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi herzieht, dem Mondadori gehört.
Dritte Verlagsmacht am Stiefel
Mit Mauri und Spagnol am Ruder ist die Verlagsgruppe im Eiltempo zur dritten Macht am Stiefel aufgerückt. Die Wachstumssprünge sind rasant: Die neue Holding ging mit einem kumulierten Umsatz von 100 Mio Euro an den Start; 2008 waren 130,8 Mio Euro in der Kasse, für das laufende Jahr rechnet Stefano Mauri mit mindestens 170 Mio Euro. Laut Nielsen kommt die Gruppe damit auf einen Marktanteil von 11,2% und ist Rizzoli (12,8%) dicht auf den Fersen. Zu den 28,9% von Marktführer Mondadori ist es aber noch ein weiter Weg.
Eine gezielte Strategie steckt hinter der Vorliebe für kleine, aber feine Boutique-Verlage nicht. Doch die Vorteile des Expansionskurses liegen für Stefano Mauri auf der Hand: „Alle Beteiligten profitieren von der Stärke im Verbund. Die Verlage, bei denen wir uns engagieren, hätten es im Alleingang künftig schwer gehabt.“ Jeder Verlag behält seine inhaltliche Unabhängigkeit, gebündelt werden Vertrieb und Administration.
Weitere Akquisitionen schließt Mauri zwar nicht grundsätzlich aus, gleichwohl plant er für GeMS zunächst einmal eine Phase der Konsolidierung, die allerdings nicht in Stein gemeißelt ist: „Wir sind finanziell eigentlich eher konservativ und haben gut gewirtschaftet. Natürlich wollen wir weiter wachsen, wie und in welchem Umfang wird sich zeigen; die aktuelle Wirtschaftskrise birgt sehr viele Möglichkeiten.“
Angeführt von den Flaggschiffen Longanesi und Garzanti deckt die Gruppe mittlerweile die gesamte verlegerische Palette ab. Einzige Ausnahme sind illustrierte Bücher, die in Italien keinen bedeutenden Markt haben. Jährlich erscheinen etwa 1200 Neuerscheinungen, zeitgenössische italienische Literatur ebenso wie internationale Autoren. E-Books stecken laut Mauri noch in den Kinderschuhen, aber ab 2010 sollen die Buchinhalte sukzessive digitalisiert werden.
Nicht alle 15 unter dem GeMS-Dach versammelten Verlage sind 100%-Töchter. An La Coccinella ist die Gruppe mit 56%, an Guanda mit 76%, an Chialettere mit 49% und an Corbaccio mit 80% beteiligt. Bei Fazi ist die Gruppe zunächst mit lediglich 35% eingestiegen, besitzt aber mittelfristig die Option auf eine Mehrheitsbeteiligung.
Geleitet wird jeder Verlag von einer Doppelspitze aus einem geschäftsführenden CEO und einem Programmchef. Mauri: „Es ist ganz wichtig, dass beide die Aufgaben des anderen im Bedarfsfall wahrnehmen können.“ Das gilt auch für die Chefs der Holding: Mauri ist in Personalunion CEO von Longanesi, Corbaccio und Duomo, Luigi Spagnol verantwortet Vallardi, Salani, Ponte alle Grazie und La Coccinella.
Anja Sieg, sieg@buchreport.de
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