Neue Serie: Seitenwechsel Colin Lovrinovic (Bastei Entertainment)
Intuition verkauft Innovation
Colin Lovrinovic gehört zu den Quereinsteigern der Branche. Lübbes internationaler Digitalagent spricht in der neuen buchreport-Serie „Seitenwechsel“ (monatlich im buchreport.magazin und auf buchreport.de) über seine Lehren aus der Musikbranche.
Zur Serie: Ein Seitenwechsel ist immer spannend; er bringt Chancen und Risiken. Vor allem aber bringt er einen Wechsel der Perspektive mit sich. Michael Lemster hat mehrfach die Seiten gewechselt: Vom Journalismus zum Verlag, zum Versandhandel, zum E-Commerce, zum Consulting. Für buchreport befragt er Grenzgänger nach ihren Motiven und ihrem Standort – und nicht zuletzt danach, ob ihre Pläne aufgegangen sind.
Colin Lovrinovic ist seit Oktober 2013 Head of International Digital Sales bei Lübbes Digitaltochter Bastei Entertainment. Vorher arbeitete er in digitalen Marketingabteilungen von Unternehmen wie Amazon, Universal Music und Red Bull und war zuletzt beim Streamingdienst Simfy für das weltweite Lizenzgeschäft zuständig. Er reist mit deutschem und australischem Pass.
Sie spielen „Footy“. Was ist das genau?
Australian Football – der Nationalsport der Australier. Oder auch das „Basketball des Rasensports“. Das sieht ein bisschen aus wie Rugby, nur ohne Körperschutz, und ist viel schneller. Man passt und schießt auch mehr. Mir ist bisher nichts passiert, aber es gibt schon die ein oder andere Verletzung. Anders als beim Rugby geht es eher darum, den Ball zu passen, bevor man umgeschmissen wird. Eine Weile habe ich in der Footy-Liga und Nationalmannschaft gespielt.
Welche Position?
Forward Pocket rechts oder links, das ist im Bereich des gegnerischen Tors.
Also eine Art Flügelstürmer. Welche Eigenschaften muss ein guter „Footy“-Spieler haben?
Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, viel Gefühl für Taktik und Strategie. Und keine Angst vor dem Ball haben.
Hilft das Ihnen in Ihrem jetzigen Job als Head of International Digital Sales in Lübbes E-Publishing-Geschäft?
Die Intuition, die ich mir angeeignet habe, und, wie im Mannschaftssport, die gemeinsam entwickelte Strategie – das hilft mir sicherlich unbewusst.
Was war in der Musikbranche anders als beim Verlag?
Die Atmosphäre in der Buchbranche ist anders. Es geht um Inhalte, und die Leute haben eine Leidenschaft, diese voranzubringen. Die Musikbranche ist dagegen stärker von Quereinsteigern geprägt. In den letzten Jahren hat man aber auch im Musikbusiness begriffen, dass man Experten braucht, z.B. für digitale Inhalte, daraufhin kamen viele Berater und sonstige Spezialisten hinzu. Dadurch, dass die Musikbranche früh unter der Digitalisierung zu leiden hatte, ist sie in der Bewältigung dieser Herausforderungen sehr weit und hat heute eine hohe Leidenschaft für Innovation. Die Buchbranche ist noch in einer anderen Phase, hat meiner Meinung nach aber auch ein deutlich größeres Potenzial als das Musikgeschäft. Im Verlagsgeschäft ist der Umgang miteinander deutlich kollegialer. Sicherlich werden schon mal Ellbogen eingesetzt, aber man kommt auch mit den Konkurrenten schnell ins freundschaftliche Gespräch. Das habe ich gleich auf meiner ersten Buchmesse gemerkt. In der Musikbranche dauert es länger, bis man miteinander anstoßen kann.
Was hat den Lübbe-Job für Sie attraktiv gemacht?
Es war vor allem die Tatsache, dass ich das Arbeitsfeld von Grund auf neu strukturieren und erschließen und dabei – hoffentlich nicht zu viele – Fehler machen kann. Einen Weg zu beschreiten, auf dem noch nicht so viele Erfahrungen gesammelt wurden, finde ich sehr reizvoll. In der Musikbranche war ich dafür zu spät. Es wird im Verlagsgeschäft noch Entwicklungen geben, die man heute gar nicht absehen kann, vor allem im internationalen Maßstab, das begeistert mich.
Sie sind 27 und reisen geschäftlich rund um die Welt – nicht ganz alltäglich in der Buchbranche. Wie war das, als Sie noch im Musikbusiness arbeiteten?
Da war ich ein paar Jahre jünger und musste die Flüge meist selbst zahlen. Ich war selbstständig mit einem Label und bin nach England und in die USA zu Konferenzen und Messen gefahren. Internationales Arbeiten war mir immer wichtig.
Wohin führte Ihre letzte Reise?
Vor zwei Wochen nach Texas zum SXSW, das ist die größte Konferenz für neue Technologien, unter anderem auch in der Musik- und Filmbranche.
Was haben Sie da gemacht?
Ich habe neue Impulse aufgenommen, neue Technik für unsere Produkte, z.B. App-Technik, gesehen und Kontakt zu neuen und bestehenden Partnern für Content, Vertrieb oder Technik geknüpft und gepflegt. Es ging also ums Netzwerken mit spannenden Leuten, die einem an der einen oder anderen Stelle weiterhelfen können. Die USA sind auch ein Fokusmarkt für uns. Wir haben dort Marketing- und PR-Agenturen engagiert, da war es wichtig, dass man sich kennenlernt und im persönlichen Gespräch die Details bespricht.
Woran messen Sie Ihren Erfolg?
Sehr stark daran, inwieweit es gelingt, neue Strukturen und Zugänge schaffen und Möglichkeiten, unsere Inhalte an den Endnutzer zu bringen. Erfolge zeichnen sich dann ab, wenn man Platzierungen für die Inhalte schafft, wenn der Handel positiv reagiert und wenn man die Endkunden begeistert. In China war eines unserer Produkte nach zwei Tagen auf Platz 3 der iPad-Charts. Solche Beispiele zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und sie sollen und werden sich häufen. Dann haben wir unsere Hausaufgaben gemacht.
Sie schreiben über sich selbst, dass Sie ein ausgeprägtes Netzwerk haben. Hilft Ihnen das jetzt?
Definitiv. Ich bin sicher kein Berufsnetzwerker, der nur Hände schüttelt und versucht, möglichst viele Visitenkarten einzusammeln. Wenn man sich aber an den richtigen Orten aufhält und mit Menschen spricht, die ähnliche Interessen haben, kann man diese Leute, wenn man sie braucht, auch mal anrufen und sich weiterhelfen lassen. Das gilt übrigens auch umgekehrt. So wie ich arbeite, ergibt sich das eigentlich von selbst.
Sie haben vieles ausprobiert, manches davon ist nicht geglückt. Was nehmen Sie daraus an Positivem mit?
Ein guter Punkt: In den USA herrscht eine ganz andere, positivere Mentalität als in Deutschland. Diese Erfahrung habe ich in einem eigenen Start-up gemacht. Wir waren alle vom Marketing geprägt und haben die Bedeutung der Technik nicht ernst genug genommen. Dort habe ich gelernt, wie wichtig Technologie ist. Wie wichtig es ist, die Dinge frühzeitig zu hinterfragen und nicht alle Prozesse als gesetzt zu betrachten. Man muss ab und zu einen Schritt zurücktreten und prüfen, ob man nicht gerade das eine oder andere besser machen kann.
Zwei Jahre lang haben Sie Rechte für den Musik-Streamingdienst Simfy eingekauft. Was haben Sie daraus gelernt?
Das war auch ein neues und sehr stark internationales Aufgabengebiet, bei dem ich mich auf nichts verlassen konnte. Meine Aufgabe war es, die Interessen von Inhaltslieferanten mit dem Bedarf von Marketing und Technik zusammenzubringen. Jede Entscheidung, jedes Verhandlungsergebnis hatte Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen. Als Rechteeinkäufer war ich der Erste in der Nahrungskette, musste aber den ganzen Prozess im Auge behalten und ein Grundverständnis dafür entwickeln. Wir hatten eine B2B-Abteilung, die sich mit strategischen Kooperationen befasste, da habe ich mich eng mit Partnern aus anderen Branchen abgestimmt, das wiederholt sich jetzt. Lübbe war übrigens der erste Verlag, der seine Hörbuchinhalte fürs Streaming bereitgestellt hat.
Sie kennen Amazon von innen und als Kunden. Wo wird Amazon in drei Jahren stehen?
Schwierige Frage. Wenn ich die Antwort wüsste, könnte ich Aktien kaufen – oder verkaufen. Amazon hat eine hohe Innovationsrate, ständig wird an neuen Angeboten gearbeitet, das wird vermutlich auch in drei Jahren noch der Fall sein. Das neue Amazon Prime als Verschmelzung von digitalen Leistungen und Vorteilen bei der Logistik muss man beobachten, das könnte weitreichende Konsequenzen für den Markt haben.
Fotos: Marina Boda, CONTEC, Frankfurter Buchmesse
Colin Lovrinovic als Podiums-Gast auf der brasilianischen Branchenkonferenz Contec (ausgerichtet von der Frankfurter Buchmesse)
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