Adam-Claus Eckert sorgt sich im Rückblick auf das Jahr 2008 um den Bahnhofsbuchhandel, nachdem Marktführer Valora die 19 Wittwer-Verkaufsstellen übernommen hat. Im Interview erklärt der Unternehmer, wie sich die Branche in den vergangenen zehn Jahren verändert hat – und warum der Stolz auf den Beruf geschwunden ist.
Warum ist die Wittwer-Übernahme durch Valora ein Aufreger? Die massive Konzentration im Bahnhof hat vor zehn Jahren eingesetzt …
Trotzdem ist dies kein ganz normaler Vorgang. Er irritiert, weil sich hier ein Familienunternehmen zurückzieht, das seit 130 Jahren in Süddeutschland fast zu einem Synonym für Bahnhofsbuchhandel geworden ist und jetzt die Entscheidung getroffen hat, dass der Verkauf von Presse und Buch an Bahnhöfen nicht mehr ihr Kerngeschäft sein kann. Wenn das ein gewichtiger Marktteilnehmer wie Wittwer öffentlich kundtut, dann ist das eine Zäsur.
Ein Zeichen dafür, dass Bahnhofsbuchhandel immer weniger Spaß macht? Ich selbst lasse mir die Freude daran nicht nehmen. Tatsächlich gibt es aber neue Herausforderungen: Wir verkaufen Information und Unterhaltung und wir müssen uns mit dem Medienwandel auseinandersetzen. Information und Unterhaltung gibt es günstig und vielfältig auch woanders und oft auch in leichter zu konsumierendem Format. Umso mehr müssen wir uns anstrengen, unsere Produkte attraktiv zu vermarkten. Und es gibt immer noch unternehmerischen Spielraum. Es ist ja nicht so, dass alles restlos ausgereizt ist und alle Umsatz- wie Einsparpotenziale ausgeschöpft sind. Wir müssen täglich Antworten auf die Frage finden, wie wir für unsere Kunden noch attraktiver werden können.
Sind da größere Einheiten nicht im Vorteil?
Die Zeit der Einzelkämpfer scheint sich im Einzelhandel dem Ende zuzuneigen, tendenziell ja auch im Buchhandel. Dennoch glaube ich, dass in Deutschland mit seiner föderalen Struktur die Uhren ein wenig anders ticken. Aber in unserer Bahnhofsbuchhandels-Branche, die klein und übersichtlich ist und die mal 120 Marktteilnehmer hatte, gab es schon einen gewissen Stolz auf diesen Beruf und davon ist immer weniger zu spüren.
Geht das Engagement zurück?
Vor allem die Individualität. Handel wird von Menschen gemacht und in dem Moment, wo man die Läden in Großorganisationen einfügt, geht die Handschrift verloren. Wir sehen das im europäischen Ausland, wo der Bahnhofsbuchhandel in der Regel nur von einem marktbeherrschenden Unternehmen landesweit betrieben wird. Diese Unternehmen dürfen Individualität qua Geschäftsordnung nicht zulassen.
Wie individuell kann denn die Firma Eckert mit ihren 210 Filialen agieren? Ja, ich bin selbst Filialist. Ich leiste mir aber Dinge, die sich ein Manager, der vor allem von Optimierung und dem Abstoßen von Randaktivitäten getrieben ist, nicht leisten kann. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf Angebot und Auftritt bis hin zur Mitarbeiterführung. Bisher hatte ich es immer für einen USP des deutschen Bahnhofsbuchhandels gehalten, dass er sich diese Vielfalt gönnt, die eine Vielzahl von selbstständigen Unternehmen garantiert haben.
Machen Valora und Hachette im Bahnhof einen schlechten Job?
Das ist solide Arbeit und ich habe auch hohen Respekt vor der strategischen Leistung der Valora-Manager bei der Wittwer-Akquise. Mein Beispiel ist anders gelagert: Wir sind mit unserer Leipziger Bahnhofsbuchhandlung Ludwig im März 2008 in den ehemaligen preußischen Wartesaal gezogen. Keiner meiner Konzernkollegen hätte die Bahnhofsbuchhandlung in dieser Form gebaut, die dem ursprünglichen Charakter des Raumes gerecht wird und dennoch Bahnhofsbuchhandel auf höchstem Niveau ermöglicht. Es wäre auch für mich rentabler gewesen, in diesen Raum nur die Hälfte zu investieren, aber es wäre keine Bahnhofsbuchhandlung Ludwig gewesen so wie wir sie auch in Köln führen mit fast wöchentlichen Lesungen und Podiumsveranstaltungen, für die wir keinen Eintritt nehmen. Wenn ein Konzern einen solchen Platz derart bearbeitet, muss ein Controller rasch fragen, ob hier nicht Geld rausgeschmissen wird. Es sind die Inhaber, die nicht bei jeder Investition die Gegenrechnung aufmachen.
Setzt die Bahn zu sehr auf die Konzerne?
Für einen Vermieter ist es zunächst leichter, mit großen Mietern zusammenzuarbeiten. Andererseits ist es auch für die Bahn nicht ideal, irgendwann nur noch mit ein oder zwei Partnern zu tun zu haben. Dass unsere Lieferanten, also die Verlage, die Entwicklung mit großer Sorge sehen, versteht sich von selbst.
Bleibt das Problem, dass kleinere Einheiten weniger rationell arbeiten.
So weit ich die Fälle kenne, stecken hinter der Konzentration nicht unbedingt wirtschaftliche Zwänge. Es gibt natürlich wie überall Beispiele für Kollegen, die den Anforderungen eines modernen Händlers nicht gewachsen waren, und es gibt Kollegen, die keine geeigneten Nachfolger finden. Ich kenne aber auch genügend Fälle, wo die Kollegen erfolgreich und zukunftssicher arbeiteten. Ihnen wurden Übernahmeangebote gemacht, bei denen sie schwer nein sagen konnten, weil sie die Summe über Jahrzehnte nicht herkömmlich verdienen können. Das hat auch etwas mit den hohen Mieten in Bahnhöfen zu tun, die, und das muss auch gesagt werden, nicht immer von der Bahn gefordert, sondern von den Bewerbern im Zuge ihrer Expansionsbestrebungen „freiwillig“ geboten werden. Dem kann man argumentativ wenig entgegenhalten, aber man muss es nicht begrüßen.
Gelingt Ihnen die Stabübergabe?
Meine Kinder befinden sich im Studium beziehungsweise in der Ausbildung ohne unmittelbare Anknüpfungspunkte zum Bahnhofsbuchhandel. Ich bin aber gerade dabei, die Weichen zu stellen, dass es die Eckert-Unternehmensgruppe auch weiter inhabergeführt geben wird.
Geschichte der Konzentration
Dass Bahnhofsbuchhandelsmarktführer Valora zum Jahresbeginn die 19 Bahnhofsbuchhandlungen von Wittwer (Stuttgart) übernommen hat, gilt in der Branche als Coup. Begonnen hat die massive Konzentration vor 10 Jahren:
- Die Dr.-Eckert-Gruppe übernahm die aus dem DDR-Pressevertrieb hervorgegangenen PSG Presse- und Buchverkaufsstellen.
- Die Schweizer Valora, bereits über eine Mehrheitsbeteiligung an der norddeutschen Stilke-Kette groß in den deutschen Bahnhofsbuchhandel eingestiegen, kaufte die Sussmann-Bahnhofsbuchhandlungen München und die Berliner BGH-Buchhandlungen hinzu.
- Mit dem Kauf von Manfred Bauers 29 Bahnhofsverkaufsstellen im Rhein-Main-Gebiet gelang dem französischen Hachette-Konzern der Einstieg in den deutschen Bahnhofshandel.
- Die Branche bestreitet etwa 75% ihres Umsatzes mit Presse und 25% mit Büchern.
Zur Person: Adam-Claus Eckert
1946 in Konstanz geboren, studierte Jura in München, Genf und Freiburg. Nach der Promotion 1973 absolvierte er ein zweijähriges Praktikum bei der Einzelhandels- und Gastronomie-Gruppe Stockheim in Düsseldorf. 1973 trat er in die Unternehmensgruppe Dr. Eckert (Handelshaus Dr. Eckert & Co, Peter Welter, Barbarino) ein, die er seit 1991 als geschäftsführender Gesellschafter leitet. Mit dem Kauf der Bahnhofsbuchhandlung Ludwig in Köln 1988 leitete er die Expansion des Familienunternehmens ein. Es folgten u.a. 1998 die Übernahme der PSG Berlin und 2006 von 14 U-Stores in Berliner U-Bahnhöfen. Von 1983 bis 1989 war Eckert stellvertretender, von 1989 bis 1998 Vorsitzender des Verbands Deutscher Bahnhofsbuchhändler.
aus: buchreport.magazin 1/2009
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