Anfang des Monats ist Johann Kempe als assoziiertes Mitglied in die Geschäftsführung der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck eingetreten (zur Personalmeldung). Im Interview mit buchreport erklärt der Informatiker, wie Verlage sich für die digitale Zukunft wappnen können.
Lösen Technikexperten bald die Verleger ab?
Nein, ohne die inhaltliche Kompetenz eines Verlegers wird ein Verlag auch in Zukunft nicht auskommen. Doch Papier als Trägermedium verliert an Bedeutung und digitale Medien sind auf dem Vormarsch. Technologie ist sowohl aus Prozess- als auch aus Marktsicht erfolgsentscheidend geworden. Ich bin überzeugt, dass wir künftig verstärkt IT-Kompetenz in den Führungsetagen von Verlagen finden werden.
Wie können Verlage angesichts der vielen Kanäle noch den Überblick behalten?
Sie müssen ihre Prozesse im Bereich Herstellung und Vertrieb überdenken und crossmedial aufstellen. Die Herstellung muss 100% medienneutral und so weit möglich geräteunabhängig produzieren. Wenn den Verlagen das gelingt, ist die Komplexität beherrschbar und schafft viele neue Möglichkeiten.
Inhouse oder Dienstleister – wohin geht der Trend?
Es gibt keinen Königsweg. Ich empfehle selektives Outsourcing, das sich an den Gegebenheiten und der Verlagsgröße orientiert. Die Konvertierung von Altdaten oder App-Entwicklung kann durchaus mit Dienstleistern gemacht werden. Auch die Auslagerung von technischer Infrastruktur wie E-Mail, Buchhaltung und Content-Management kann Verlage deutlich entlasten und Freiräume für die digitalen Herausforderungen schaffen. Attraktive Cloud-Services können den Trend zum Outsourcing verstärken.
Was bleibt?
Die Kompetenz für digitale Medienprodukte, die Verantwortung für die Konzeption und Umsetzung digitaler Produkte muss in den Verlagen bleiben. Sie müssen verstehen, wie die digitalen Märkte funktionieren und welche inhaltsgetriebenen Produkte und Service möglich sind. Dafür benötigen Führungskräfte technisches Know-how ebenso wie die Kompetenz für Inhalte.
Betroffen sind auch Druck- und Vertriebsdienstleister – mit welchen Folgen?
Das Angebot wird die Nachfrage deutlich übersteigen. Auf Lieferanten wird ein hoher Preisdruck mit verstärktem Verdrängungswettbewerb zukommen. Auch sie müssen neue digitale Geschäftsmodelle entwickeln.
Die Fragen stellte Lucy Kivelip
Aus: buchreport.magazin 6/2011, das Sie hier bestellen können
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