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Die 8 Megatrends in der Verlags-IT

IT-Berater Klaus Dargel. Foto: privat.

IT-Berater Klaus Dargel. Foto: privat.

IT-Beschaffung im Verlag ist schwierig geworden. Die Komplexität nimmt ebenso zu wie die Zahl der Anbieter und die Geschwindigkeit, in der neue Business-Anforderungen entstehen. Wer richtig beschaffen möchte, muss die großen Trends der IT kennen.

IT-Berater Klaus Dargel zeigt im IT-Channel von buchreport.de diese Megatrends auf.

Wie die Verlagslandschaft, so ist auch die IT-Branche mitten in einem strategischen Umbruch. Digitalisierung und Internet setzten heute den Rahmen dafür, wie Software-Anwendungen entwickelt, ausgeliefert, gespeichert, administriert und abgerechnet werden. Die Markteintrittsschwellen sinken für neue Anbieter ebenso wie für neue Publisher. Im Zuge von Outsourcing-Initiativen werden aus mehr und mehr IT-Abteilungen wirtschaftlich selbstständige Softwarehäuser. Hersteller übertragen Integrationsaufgaben an Vertriebspartner.

Was heute eine Verlagssoftware leisten muss

Eine Folge: Immer mehr Anbieter treten in den Markt. In Lösungskategorien, die vor zehn Jahren eine Handvoll Anbieter kannten, bewerben sich heute Dutzende Anbieter um die Beschaffungs-Etats. Der Anbietermarkt ist unübersichtlich geworden. Hatten Anwender früher aus Mangel an Alternativen leichtes Spiel in der Auswahl, so erfordert heute ein Beschaffungs-Projekt erhebliche Skills und die passenden Werkzeuge, um

  1. die Lösung mit der besten Passform oder Prozessabdeckung
  2. ein Maximum an Betriebssicherheit
  3. den höchsten Wert fürs Geld und die größte Nachhaltigkeit

zu erhalten. Die Tatsache, dass in allen Industrien immer mehr Geschäftsbereiche mit IT-Unterstützung technisiert werden, bringt exponentiell steigenden Integrationsbedarf mit sich. Eine neue Softwareanwendung muss mit den im Anwender-Unternehmen bestehenden Werkzeugen optimal kommunizieren können. Und das aus vielen Einzellösungen bestehende Ganze muss auf die Geschäftszwecke des Unternehmens so zugeschnitten sein, dass daraus ein Wettbewerbsvorteil resultiert.

Zwischen Managern, Beratern und Dienstleistern: Know-how-Träger gesucht

Das Management eines Verlages muss also Herr über den unternehmensweiten IT-Bebauungsplan und dessen strategische Dimension sein. Kein kleiner Anspruch – und ein Anspruch, den bei Weitem nicht alle Verlagsmanager einlösen. Es hilft nur bedingt, diese Kompetenz extern einzukaufen – bei Agenturen, Systemdienstleistern oder anderen Dauerpartnern oder projektbezogen bei Beratungsunternehmen. Dienstleister kennen zwar das Geschäft ihrer Kunden recht gut, sind aber schon aus Budgetgründen häufig darauf beschränkt, den Status quo zu administrieren, anstatt das Geschäftsmodell des Kunden nach vorne zu denken. Und selbst wenn sie visionär mitentwickeln, werden meist ihre Visionen in dem Moment verblassen, in dem ihr Umsatz mit dem Verlagskunden leiden könnte. Und Projektberater wiederum sind abgesehen davon, dass die wenigsten in allen Bereichen bewandert sind, selten lang genug beim Kunden, um dessen Geschäft genau kennenzulernen.

Die Herausforderung: Unter Druck richtig entscheiden

Die Tatsache, dass das Geschäftsmodell der meisten Verlage unter Druck gekommen ist, macht die Dinge nicht leichter. Die IT-Budgets der Unternehmen werden zu immer höheren Anteilen für die Instandhaltung des Softwareparks in Anspruch genommen, Neubeschaffungen daher immer häufiger auf die lange Bank geschoben oder verzwergt. Die „Boards“, die statt individueller Eigentümer immer häufiger über einzelne Projekte befinden, beschleunigen den Fortgang von Projekten auch nicht gerade, da jeder Vertreter solcher Boards seine individuellen fachlichen Domänen hat und dünnes Eis unter sich verspürt, sobald er diese Domänen verlässt. Kein Wunder, dass IT-Dienstleister, wenn sie sich von ihren Verlagskunden etwas wünschen dürften, lange Wunschzettel hätten.

IT-Grundlagen und Technologien der Zukunft

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Die Welt ist also kompliziert geworden – für Softwarehersteller nicht minder als für Verlage. Es erleichtert die Dinge möglicherweise, wenn ein gemeinsamer Blick auf all das möglich wird, was sich in diesen Jahren in der IT „tut“ – die Megatrends in der Verlags-IT. Die folgende Aufstellung ist in diesem Sinne ein Versuch, die Blickrichtung zu synchronisieren.

Megatrend 1: »Groß-IT« im Hintergrund, Apps als User-Interfaces

Große Software-Entwickler wie Microsoft stellen heute einen Standard zur Verfügung, der keine Branchenanforderungen berücksichtigt, zum Beispiel im Bereich Honorarabrechnung. Auf dieser Basis bieten Software-Häuser Anpassungen, Ergänzungen oder Individualitäten an. Die damit entstehenden individuellen Anwendungen erfordern besonders viel Zeit, Ressourcen und Geld, wenn es gilt, sie auf einen neuen Standard upzudaten.

Diese Standards werden in Zukunft nur noch mit App-Anwendungen ergänzt. Hersteller dieser funktionalen Erweiterungen können Anbieter sein, die immer auf der Standard-Plattform arbeiten, genauso aber externe Häuser, also zum Beispiel Branchenspezialisten, die diese funktionalen Erweiterungen und Leistungen in Portalen zum Download (Mega-Store) anbieten. Perspektivisch wird es möglich, aus zwei oder mehreren Honorarabrechnungsmodulen für eine Standard-Anwendung wie etwa Microsoft Dynamics Business Central auszuwählen.

Eine Installation, auch eine Deinstallation wäre dann nur noch ein Mausklick.

Megatrend 2: Große Softwareanbieter werden zu Plattformen

Die oben beschriebenen Zusatzleistungen oder Apps werden Kauf-, Miet- oder andere Dienste sein, die von Softwarehäusern oder spezialisierten Anwendern von Diensten, die nicht notwendig IT-Häuser sind, angeboten werden. Das könnten zum Beispiel Kreditauskunfteien, Logistiker, Pay-Dienste, Abrechner und Finanzdienstleister wie die DATEV sein.

Megatrend 3: Weg von integrierten IT-Prozessen

Die umfassende Business-IT-Anwendung, die ein Produkt von der Idee bis zur Auslieferung in einem System begleitet, ist nicht mehr gewünscht. Die Entscheider der obersten Ebene verabschieden sich zusehends aus der Rolle der „Product Ownership“ – sie wollen sich konzeptionell nicht mehr soweit engagieren und auch nicht die Verantwortung übernehmen, die es mit sich bringt, ein solches IT-Projekt im Verlag durchzuführen. Sie scheuen zunehmend den Zeitaufwand, die Ressourcenbindung und die Investitionen, die erforderlich sind, jeden Prozessbaustein zu bearbeiten und auf die Zukunft auszurichten.

Megatrend 4: Bereichsleiter als Beschaffer bereichsbezogener Teilprozesse

Der Trend geht heute hin zu kleinen spezialisierten Anwendungen für einzelne Prozessschritte. Projekt Owner und damit verantwortlich für die Einführung sind in solchen Fällen die Verantwortlichen für den jeweiligen Prozess-Abschnitt – also in Marketing, Lektorat, Lizenzen etc.

Auf durchgängige Datenstrukturen, Datenredundanz oder einheitliche Nutzeroberflächen wird in Projekten dieser Art erst nachrangig geachtet – oder diese Anforderungen werden ganz vernachlässigt.

Es werden kleine Tools mit überschaubarem Funktionsumfang bevorzugt, die ein überschaubares Budget, geringe personelle Ressourcen und eine kurze zeitliche Bindung des Verlags an die Software bedingen.

Megatrend 5: Unbedingte Anwender-Orientierung

Was hat Amazon richtig gemacht? Amazon hat jahrzehntelang Millionen in IT und schlanke, automatisierte Prozesse investiert. Es wurde und wird genauestens analysiert, was dem Anwender nutzt – und mit „Anwender“ meine ich den Endkunden. Er – nicht der Amazon-Mitarbeiter ist der Anwender des Systems. Er ist selbst der Auftragserfasser, der Verbucher der Zahlung und druckt sich selber zuletzt noch seine eigene Rechnung aus.

Megatrend 6: Zugriff auf digitale Produkte ersetzt den Besitz analoger

Mit der Industrie 4.0 werden zukünftig neue Produkte und Dienste, die teilweise den traditionellen Kauf ersetzen, verfügbar sein. Hier bahnt sich eine grundlegende Veränderung der Einstellung an: Kommende Generationen wollen nicht mehr so sehr „haben“, sondern „zugreifen können“. Wenn sie etwas noch haben wollen, dann, um es komfortabel zu nutzen, und nicht, um es zu besitzen. Dieser Einstellungsänderung muss die Produktentwicklung Rechnung tragen. Sie wird sich auch auf die zugehörigen IT-Prozesse auswirken und neue Geschäftsmodelle hervorbringen.

Im Medienbereich gibt es Beispiele dafür: Der Kunde benötigt bzw. kauft Datenbanken, Fachinformationen, Kommentare, Meinungen und zunehmend auch Geschichten, um sie in der Arbeit und in der Freizeit zur Verfügung zu haben. „Zugreifen können“ statt „haben“ bedeutet: jederzeit ins Internet zu können, um mit der Google-Suche zu recherchieren, statt das Lexikon im Regal zu konsultieren. Es bedeutet auch Musik- oder Hörbuchstreaming statt des Kaufes von CDs.

Megatrend 7: Direktgeschäft

Neue Geschäftsmodelle werden auch im Gefolge direkter Verbindungen zu den Kunden entstehen und von passenden IT-Prozessen zu unterstützen sein, wenn man als Verlag weiterhin am Markt teilnehmen will. Beispiele in dieser Richtung sind Autorenportale, Abrechnung on demand, Marktplätze für Antiquariate und viele andere.

Megatrend 8: Konvergenz und Prozessintegration aus der Cloud

Die Tools wachsen zusammen, ihre Funktionen integrieren sich: es ist heute schon möglich, zum Beispiel aus der E-Mail eines Kunden oder Lieferanten ins CRM oder ERP – in die Debitoren- oder Kreditorenbuchhaltung – mit Infos zu Offenen Posten, letzten Infos oder gemeinsamen Absprachen zu springen. Das Zusammenspiel verschiedener Tools und deren abgestimmter Versionen einer Anwendung allerdings ermöglicht auf Sicht zu vertretbaren Kosten wohl nur die Cloud.

 

Klaus Dargel, diplomierter Betriebswirt, hat über mehrere Jahrzehnte die IT in den Medienbetrieben mitgeprägt. Als Vertriebs- und Marketingleiter der Mediensparte von Kumavision half er, Microsofts Enterprise-IT in die Verlage zu bringen. Er war Mitinitiator der Werkstatt Verlagscockpit.

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