Peter Lang Publishers, ein mittelgroßer Verlag, hat gerade ein zentrales IT-Projekt abgeschlossen. Was genau haben Sie gemacht?
Wir haben fast zeitgleich mit dem Management–Buy-out bei Peter Lang Anfang letzten Jahres die schon seit längerem geplante Ablösung der seit 2000 eingesetzten ERP Software vorgenommen. Einer der Gründe, dieses Projekt so schnell wie möglich durchzuführen, war, dass die alte Software nur innerhalb des deutschen Sprachraums eingesetzt werden konnte und das neue Management die Globalisierung und auch die Vereinheitlichung der Geschäftsprozesse innerhalb der Verlagsgruppe als Hauptziel im Fokus hatte. Um einheitliche Prozesse über alle Standorte zu definieren war es unumgänglich, Softwarepakete einzusetzen, die mindestens eine deutsche und eine englische Oberfläche anbieten. Davon abgesehen haben wir uns für Lösungen entschieden, die eine Standardisierung der Prozesse unterstützen.
Da die alte ERP Software auch die Finanzbuchhaltung beinhaltete, war es mit der Entscheidung für die Klopotek Standardsoftware notwendig, eine eigene Finanzbuchhaltungssoftware einzuführen. Im Laufe des Projektes und der Diskussion um die Schnittstellen zur existierenden Website und dem bestehenden Webshop haben wir dann beschlossen, diese ebenfalls zu ersetzen. Unter anderem um die Digitalisierung innerhalb des Verlages weiter voranzutreiben und unseren Kunden eine digitale Bibliothek für Bücher und Zeitschriften anbieten zu können. Auf den Punkt gebracht heißt das, dass wir nicht nur mehr oder weniger unsere komplette Software-Landschaft ersetzt haben, sondern gleichzeitig auch alle Prozesse vereinheitlichen.
Was waren in den letzten Monaten für Sie die zentralen Herausforderungen?
Es gab, wie man sich vorstellen kann, bei der Einführung von drei Systemen einige Herausforderungen, egal ob auf das Projektteam, die verschiedenen Dienstleister oder die IT-Systeme bezogen. Da wir die Software global implementiert haben, setzte sich das Projektteam aus Kollegen der verschiedenen Standorte und Verlagsbereiche zusammen. Bei einem Verlag unserer Größe ist es gar nicht so einfach, die dafür notwendigen Ressourcen freizusetzen. Ungefähr alle drei Wochen hat sich das gesamte Team in der Schweiz getroffen. Das bedeutete, dass man unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Verständnisse unter einen Hut bringen musste.
Eine Herausforderung die jeder wahrscheinlich kennt in Projekten, ist die Kommunikation zwischen allen Beteiligten – bei uns ist dabei Skype for Business heiß gelaufen. Und dazu gehört natürlich auch das Zusammenspiel zwischen den Dienstleistern, die auch unterschiedliche Kulturen und Sprachen mit sich brachten. Wir hatten im wahrsten Sinne des Wortes ein „Multi-Kulti-Projekt“.
Wie in jedem IT-Projekt ist aus meiner Erfahrung die Migration eine der größten Herausforderungen: wenn die Datenstrukturen in den alten IT-Systemen nicht optimal sind, ist es schwierig, diese in den neuen IT-System anfangs besser als es war, abzubilden.
Auch die Schulung aller End-Anwender an vier Standorten kurz vor dem go live war ein beträchtlicher Organisationsaufwand.
Was würden Sie im Rückblick anders machen?
Ich glaube, unter den gegebenen Umständen hätten wir nicht viel anders machen können, als wir es getan haben. Vielleicht hätten wir einige Entscheidungen bezüglich der IT-Systeme früher treffen können, um mehr Zeit für die Umsetzung zu haben. Aber oft heißt ja mehr Zeit nicht unbedingt, dass das Ergebnis besser ist.
Welche Verbesserungen im täglichen Geschäft erwarten Sie von der Umsetzung Ihres Projekts? Und wie wirkt sich das Ganze auf die Organisation von Peter Lang, die ja sehr dezentral ist, aus?
Die Ausgangslage war so, dass die zwei kleinsten der insgesamt fünf Standorte keine Anbindung an das zentrale ERP-System hatten. Mit dem Einsatz einer globalen Verlagssoftware profitieren wir von Synergien und vermeiden mehrfache Arbeitsaufwände. Jetzt ist jeder Mitarbeiter für „seine“ Daten verantwortlich. Wir haben Transparenz über den Stand von Prozessen, und auch der Datenaustausch mit externen Dienstleistern wird vereinfacht. Trotz der Standardisierung von Prozessen haben wir weiterhin einzelne regionale Standorte, die auf die Bedürfnisse des jeweiligen Marktes reagieren können. Durch den Einsatz einer einheitlichen Software innerhalb von Peter Lang haben wir strukturierte Prozesse mit weiterhin regionalspezifischen verlegerischen Herangehensweisen. Auch die Anbindung an lokal unterschiedliche Auslieferungssysteme in den jeweiligen Vertriebsregionen können wir nun vorantreiben. Und sollten wir in Zukunft zusätzliche Verlage anbinden wollen, ist das nun auch möglich.
Sie werden bei der IT-Konferenz der Akademie der deutschen Medien im Oktober 2016 zu Fragen des Insourcing und Outsourcing sprechen. Welche Entscheidungen hat Peter Lang hier getroffen?
Wir werden uns auf das Wesentliche fokussieren – das Verlegen von Büchern – und haben uns deshalb dazu entschlossen, unsere IT-Services outzusourcen. Die neu implementierten IT-Systeme werden bereits von den verschiedenen Dienstleistern gehostet und betreut. Es ist in einem kleinen, aber globalen Unternehmen schwer, einen mehrsprachigen Support in verschiedenen Zeitzonen anzubieten. Da wir unterschiedliche Systeme haben, bräuchten wir unterschiedlich spezialisierte Mitarbeiter für den professionellen Support und das können wir nicht leisten. Gleichzeitig brauchen wir in unserer internen IT-Abteilung Mitarbeiter, die mit diesen Dienstleistern arbeiten, sie koordinieren und organisieren. Die Aufgaben des IT-Teams werden sich deshalb ändern.
Was waren die Gründe für diese tiefgreifenden Veränderungen?
Einige Gründe habe ich anfangs schon erwähnt. Ein weiterer, vielleicht der wichtigste Grund, ist, dass wir in einem globalen und digitalisierten Markt wachsen wollen. Dazu muss die technische Basis vorhanden sein, d.h. die entsprechenden IT-Systeme müssen dies möglich machen. Ein Unternehmen ist nicht oft in der Situation, mehr oder weniger alles ändern zu können – Prozesse und IT-Systeme. Bei uns war es nicht anders möglich. Es gab nur den Weg nach vorne. Wir waren mutig genug, diese Entscheidung zu treffen und den Verlag in den letzten 12 Monaten etwas auf den Kopf zu stellen.
Sie haben lange auf der Seite der Dienstleister für verschiedene Verlage gearbeitet. Hat sich Ihre Sicht auf Dienstleister geändert, seit Sie die Seite gewechselt haben?
Ich hatte ja schon öfters die Möglichkeit, die Perspektiven zu wechseln. Mir war und ist es immer wichtig, partnerschaftlich zusammen zu arbeiten. Egal auf welcher Seite ich stehe. Ich denke, weil ich beide Seiten kenne, habe ich Verständnis, wenn auf der Dienstleister-Seite mal nicht alles rund läuft, sozusagen Empathie für meine Ex-Kollegen. Aber ich habe auch einen hohen Anspruch an die Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, gerade weil ich auch die andere Seite kenne. Und ich kommuniziere es entsprechend, wenn ich den Eindruck habe, dass etwas anders läuft als abgestimmt, aber natürlich auch, wenn wir als Unternehmen mit den Dienstleistern zufrieden sind. Denn das Ziel ist es am Ende, dass beide Seiten von der Zusammenarbeit profitieren.
Die Fragen stellte Sven Fund, Geschäftsführer Fullstopp.
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