„Der Handel mit Rechten ist heute professioneller und besser geregelt als in den Zeiten der Bierdeckelverträge in schummrigen Bars“, meint Sebastian Ritscher, Geschäftsführer der Zürcher Literaturagentur Mohrbooks und Mitgründer der Lizenzplattform Rightsdesk. Das habe auch mit der Digitalisierung zu tun, deren Möglichkeiten es aber noch besser zu nutzen gelte.
In einem Gastbeitrag im IT-Channel von buchreport.de erklärt Ritscher, wieso digitale Plattformen essenziell für einen funktionierenden Handel mit Rechten und Lizenzen sind und was sie leisten können, wenn die Branche es schafft, gemeinsame Lösungen zu entwickeln. „Gemeinsam heißt: im Interesse der Gemeinschaft. Gemeinsam heißt datentechnisch: Schnittstellen, Application Programming Interfaces oder APIs.”
Exklusive Rechte in exklusiver Atmosphäre
Der Zauber, wertvolle Verlagsrechte zu vermitteln, entfaltete sich früher im Oktober im Untergeschoss eines Luxushotels in Frankfurt. Ein privilegiertes Grüppchen von Verlegern und Agenturen versammelte sich im Qualm von Tabak und im Dunst von teurem Single Malt Whisky spät nachts, um sich Autorennamen und Buchtitel zuzuflüstern und per Handschlag Rechte zu kaufen und zu verkaufen. The magic touch.
Das Privileg der wenigen, dabei zu sein, ist der Teilnahme vieler gewichen. Aber auch wenn heute Entscheidungen in Teamsitzungen am Bildschirm getroffen werden, hat der Geist von Jimmy’s Bar, wie das erwähnte Untergeschoss heißt, in Agenturen und Lizenzabteilungen überlebt.
Das ist nicht gut.
Rechte sind das Kapital der Kreativindustrie
Rechte sind immateriell, obskur, nicht fungibel. Sie werden nicht an Börsen gehandelt. Rechte schützen in den meisten Staaten der Erde das geistige Eigentum der Kreativen vor unerlaubtem Zugriff. Ohne den geregelten Handel mit Rechten und Lizenzen gäbe es weder Verlage noch Autorinnen oder Autoren. Vom umsichtigen und verantwortungsvollen Umgang mit Rechten hängt also viel ab.
Das Privileg, als einziger Verlag eine bestimmte kreative Leistung in Buchform zu veröffentlichen und damit Geld zu verdienen, ist das Kapital aller Beteiligten: der Verlage, jeder Agentur und eines jeden Autors, jeder Autorin. Die Pflege von Rechten ist eine Aufgabe der Gemeinschaft.
Webbasierter Rechtehandel
Der Handel mit Rechten ist heute professioneller als in den Zeiten der Bierdeckelverträge in schummrigen Bars. Er ist auch besser geregelt als damals. Das hat auch mit der Digitalisierung zu tun. Sie eröffnet großartige neue Möglichkeiten. Sie noch besser zu nutzen, ist wichtig. Denn die Voraussetzungen dafür sind da, wie ich im Folgenden zeigen werde.
Gedruckte Programmvorschauen amerikanischer Verlage enthalten Information zu Vertriebsrechten für die jeweilige ISBN. Diese Information ist dauerhaft gültig, also statisch, und deshalb zum Druck geeignet. Sie zeigt den Vertriebspartnern weltweit die Verfügbarkeit eines Produkts in ihren Vertriebsgebieten. Sie ist auch online auf den Websites vieler Verlage zu finden.
Komplizierter verhält es sich mit den Rechteinformationen für Lizenzsuchende. Fremdsprachige Buch- und Hörbuchverlage, Bühnen, Filmproduzenten und Bildagenturen investieren oft viel Zeit in die Recherche von Rechteinformationen. Denn diese Informationen sind dynamisch. Sie verändern sich mit jeder Lizenzvergabe. Außerdem beziehen sich Lizenzrechte nie auf eine ISBN, sondern immer auf ein Werk im Sinne des Urheberrechts, für das es keine weltweit standardisierte Kennnummer gibt. In gedruckten Verlagsprospekten tauchen Informationen zu Lizenzrechten deshalb nicht auf.
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Webbasierte Datenbanken lösen dieses Problem des Rechtehandels. Wie wird diese Möglichkeit genutzt? Der US-Verlag Penguin Random House bietet Lizenzsuchenden ein Kontaktformular an (hier). HarperCollins USA veröffentlicht nur die Kontaktdaten der Ansprechpartner im Hause (hier). Die deutsche Verlagsgruppe Random House bietet Suchenden eine kuratierte, aber nur teilweise durchsuchbare Auswahl von Büchern mit englischen Kurztexten an (hier). Bei Ullstein (hier) gibt es historische Rechtekataloge zu bereits veröffentlichten Büchern. Gut gepflegte, von lizenzsuchenden Käufern abrufbare Datensysteme, die auch die Rechte an noch unveröffentlichten Werken enthalten, sind noch die Ausnahme.
Innovativ ist der Verlag C.H. Beck (hier): Er nutzt die Lizenzplattform Rightsdesk, um tagesaktuelle Rechteinformationen für sämtliche Titel auf seiner Website anzuzeigen.
Rightsdesk wurde als globaler Marktplatz der Buchindustrie für Lizenzrechte entwickelt. Die Plattform versteht sich als globales Rechteverzeichnis, als CRM-Tool zur Steigerung der Produktivität beim Anbieter und bei den Nachfragenden. Nutzer können ihre Leads verwalten, Prüfmaterial per Filesharing sicher teilen und Nachrichten übermitteln. Lizenzsuchende Käufer finden eine komplett durchsuchbare Bibliothek mit relevanten Rechteinformationen.
Neben Rightsdesk gibt es weitere Anbieter mit unterschiedlichen Profilen: Pubmatch, Nakiri, IPR License.
Das Angebot dieser Plattformen für die Verlagsindustrie umfasst derzeit mit unterschiedlichen Schwerpunkten folgende Möglichkeiten:
- Kontaktaufnahme zwischen Anbietern und Nachfragenden auf einem Marktplatz mit einem User-Netzwerk sowie Tools zur Kontaktpflege und Messenger-Dienste (alle)
- Marketing dank hoher Auffindbarkeit, automatisierte Kundenmailings, individualisierte Rechteschaufenster, dynamische Rechtekataloge mit Präsentations- und Exportfunktionen (alle)
- Produktivität durch automatisierte Transaktionen, CRM-Tools, Fristenüberwachung
- Vertragsvorlagen, Angebotsformulare, Abwicklung von Kleinlizenzen (nur IPR)
- Filesharing zum sicheren Austausch von Dateien wie zum Beispiel Manuskripte und Prüfmaterial (IPR, Rightsdesk)
- Zentrales Rechteinformationssystem (alle)
- Moderne API-basierte Schnittstellen (Rightsdesk)
Mittelfristig werden auch folgende Dienste angeboten werden:
- Einbindung Internationaler Standardnummern für Urheber (ISNI)
- Automatisierte und KI-gestützte Übersetzungsdienste von Katalogtexten und Textproben
- Webbasierte Textverarbeitung zur gemeinsamen Prüfung und Bearbeitung von Vertragsdokumenten
- Digitale Signaturen
- Automatisierte Terminplanung für virtuelle Verkaufsmeetings
- Marktforschung dank Datenauswertungstools
- Integration einer Auftragsvermittlung für Übersetzerinnen und Übersetzer, Drucker, Grafiker, Presseagenturen
Die bestehenden Rechteplattformen sind praxisorientiert. Sie orientieren sich an den heutigen Bedürfnissen ihrer Nutzer. Sie sind deshalb nicht disruptiv. Das Potenzial dazu hätten sie. In Zukunft könnten Plattformen den Rechtehandel in der Buchbranche revolutionieren:
- internationale Standardnummern für Werke und Verlagsverträge entwickeln
- internationale Standardcodes für die Kommunikation von Rechteinformationen entwickeln
- Autoren- und Lizenzverträge in einer Blockchain veröffentlichen, Smart Licences
- Honorarabrechnungen automatisiert vom Lizenznehmer an den Lizenzgeber übertragen oder in einer Blockchain veröffentichen. Wer sich mit diesem Thema befasst und den Status Quo kennt, weiß, welch enormes Potenzial hier schlummert.
Every business is a software business? Not yet!
Als Mitgründer von Rightsdesk erklären mein Team und ich oft Mitarbeitenden von Agenturen und Verlagen den Nutzen eines webbasierten Marktplatzes für Lizenzen. Meistens stoßen wir auf spontane Zustimmung. Die Vorteile sind evident. Und dennoch ist es ausgesprochen mühsam, Verlage und Agenturen für die aktive Teilnahme zu motivieren. Die Gründe für diese Zurückhaltung sind real und vielleicht existenzgefährdend für die Industrie.
Größere Unternehmen, Konzerne und einige weitsichtige Kleinunternehmen nutzen zeitgemäße Datenverarbeitungssysteme für Projektplanung, Herstellung, Vertrieb und interne Kommunikation. Agenturen sind meistens Kleinunternehmen mit entsprechend geringen Mitteln für moderne Datenverarbeitungssysteme.
In allen Fällen trifft es zu, dass die Informationssysteme im Lizenzverkauf unterentwickelt, im schlimmsten Fall schlicht nicht vorhanden sind. Und in fast allen Fällen stehen sie isoliert von den restlichen Systemen im Haus.
Datenfluss ist eine Frage des Überlebens
Ein befreundeter Verleger, Onixprophet und Datenguru spricht vom „Copy & Paste-Faktor”. Das ist gefährlich: Copy & Paste ist teuer. Zu teuer für eine kleinteilige Industrie, die unter Druck steht und ohnehin mit geringen Margen leben muss.
Lizenzverkäufer in Agenturen arbeiten allein. In den Verlagen sind sie datentechnisch meistens vom Rest isoliert. Sie pflegen Informationen zu verkauften und unverkauften Rechten hier, die Metadaten zu den Werken liegen da und die Manuskripte woanders. In vielen kleineren Unternehmen und Agenturen heißt das zentrale Datenverwaltungssystem Outlook, Dropbox und Excel. Attachment anstatt Filesharing.
Der Copy & Paste-Faktor ist in allen beschriebenen Fällen hoch. Doch gerade im Bereich der Rechteverwaltung und des Lizenzverkaufs sind die Erlöse in der Regel gering.
Für Verlage und Literaturagenturen ergibt sich dadurch das Problem, dass sie ihre Verantwortung für den umsichtigen und verantwortungsvollen Umgang kurzfristig auf den Verkauf der neuesten Hotlist lenken müssen. Für die aufwendige langfristige Vertragspflege und die Vermarktung von nachfolgenden Lizenzrechten fehlt die Zeit – oder das Budget für smarte Software.
Die Branche läuft Gefahr, dass nur größere Unternehmen die Mittel für geeignete Software frei machen können. Die kleineren werden dadurch zunehmend in ihrer Existenz bedroht. Das schädigt mittelfristig auch die großen, denn ohne die Vielfalt und Innovationskraft der Kleinen leiden sie an Nachwuchsmangel.
Gemeinsame Plattformen für alle
Rechte sind das Kapital der Branche und der Gemeinschaft. Es ist wichtig, dass sie gemeinsam gepflegt und gut bewirtschaftet werden.
Mein Vorschlag an die Branche ist, gemeinsam gute Rechteplattformen zu entwickeln. Plattformen sind Marktplätze im Web, die von Einzelnen oder Gruppen genutzt werden. Gemeinsam heißt: im Interesse der Gemeinschaft. Gemeinsam heißt datentechnisch: Schnittstellen, Application Programming Interfaces oder APIs.
Liebe Verlage, liebe Kolleginnen und Kollegen in den Agenturen: baut APIs, damit Eure Daten in gemeinsame Plattformen fließen können. Entwickelt Standards, damit die Daten fließen können.
Goodbye Copy & Paste!
Sebastian Ritscher ist geschäftsführender Mehrheitsinhaber der 1935 gegründeten Literaturagentur Mohrbooks in Zürich. Die Agentur vertritt Autorenrechte und vermittelt vorwiegend für amerikanische Verlage und Agenturen die deutschsprachigen Lizenzrechte in den deutschen Markt. Er ist Mitgründer der webbasierten Lizenzplattform Rightsdesk, die er mit einem deutschen Entwicklerteam um Michael Schreckenberg konzipiert hat, der die Software laufend weiter entwickelt. Ritscher wurde 1965 geboren und hat Anglistik und Linguistik studiert.
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