Woran scheitern IT- und Beratungsprojekte? Interne Projektleiter sind ebenso wie externe Berater dem Risiko des Scheiterns ausgesetzt. Dieses kann nicht nur fürs betroffene Unternehmen, sondern auch für die Verantwortlichen schwere Folgen haben.
Die Studie „Kooperation im Beratungsprojekt“ der Technischen Universität Dortmund in Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater untersucht die Faktoren des Misserfolgs von Projekten. Studienleiter Florian Kopshoff präsentiert im IT-Channel von buchreport.de Gegenstrategien auf empirischer Basis:
Die Zusammenarbeit zwischen Projektleiter und Projektkunde gehört zu den kritischsten Faktoren in aufwändigen Projekten. Stark variabel und schwer steuerbar, stellt sie Projektleiter regelmäßig vor Herausforderungen. Probleme in der Zusammenarbeit tangieren den Projekterfolg messbar.
In einer explorativen Studie ermittelte die TU Dortmund die Palette kritischer Herausforderungen, denen sich Anbieter in aufwändigen Projekten stellen müssen. Hierzu interviewten die Wissenschaftler 34 erfahrene Berater und Projektleiter verschiedener Branchen, darunter elf Strategieberater. Für tiefere Einblicke begleitete der Autor fortlaufend drei aufwändige Projekte. Sieben Kategorien erfolgskritischer Herausforderungen traten dabei zutage.
Auf Basis dieser Ergebnisse befragte der Autor der Studie in Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) online über 100 Leiter aufwändiger Projekte. Den ermittelten Herausforderungen konnte in dieser Studie eine quantitative Bedeutung für den Projekterfolg zugeordnet werden.
Mit der richtigen Strategie können Projektleiter die Herausforderungen in der Zusammenarbeit meistern. Der Schlüssel liegt im frühen Erkennen kritischer Situationen. Acht Erfolgsfaktoren gehören auf das Projektradar.
Sieben Herausforderungen für Unternehmensberater
In 34 Interviews mit erfahrenen Projektleitern auf Anbieter- und Kundenseite sowie bei drei kontinuierlichen Projektbegleitungen ergründete der Forscher das Feld herausfordernder Situationen in der Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Kunde. Sieben potentiell wertkritische Kategorien traten dabei zutage.
Die identifizierten Herausforderungen beziehen sich
- auf die Formulierung des Problems, das der Kunde zu lösen wünscht (unzureichende, wechselhafte, übermäßige Anforderungsbeschreibung)
- auf die Lösung des Problems selbst (kontraproduktiver Einfluss auf die Lösung, unzureichende Eigenleistungen, suboptimale Nutzung der Lösung) sowie
- themenübergreifend auf die Rechtzeitigkeit von Beiträgen zum Projekt (schleppende Mitwirkung).
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Herausforderungen im Detail
1. Unzureichende Problembeschreibung
Kunden-Informationen zu Anforderungen und Zielen genügen dem Anbieter nicht zur adäquaten Durchführung weiterer Arbeitsschritte. Wird die Arbeit auf dieser Basis fortgesetzt, sind Konzeptänderungen im Projektverlauf wahrscheinlich. Auswirkungen dieser Situation hängen von Prävention und Steuerungsgeschick des Anbieters ab.
Der Kunde weiß nicht mal genau, was er eigentlich will. Er will nur irgendwelche Probleme lösen, die diffus sind, und er weiß zwar nicht wohin, aber er läuft schon mal los.
2. Wechselhafte Problembeschreibung
Der Kunde ändert Anforderungen oder Ziele, die der Anbieter als fixiert angesehen hat, im Projektverlauf. Auch Kunden-Informationen, die im Projektverlauf als inkorrekt identifiziert werden, sind Bestandteil dieser Herausforderung. Die Intensität der Auswirkungen auf den Projekterfolg hängt auch vom Zeitpunkt des Auftretens ab.
Eine ganze Nacht bereiten wir vor, so wie wir es am Abend besprochen haben. Am Morgen ist um zehn Uhr eine Telko. Und dann sagt er: „Nee, ganz anders“.
3. Ausufernde Problembeschreibung
Der Kunde stellt eine Menge an Informationen zur Verfügung, deren Aufarbeitung einen derart hohen Arbeitsaufwand erfordert, dass er mitunter nicht (bzw. nicht innerhalb der Grenzen des Zumutbaren) zu leisten ist. Problematisch sind große Informationsmengen mit geringem Anteil projektrelevanter Informationen sowie widersprüchliche Informationen.
In dem konkreten Fall [war es so, dass] es auch nicht sehr zielgerichtet war. Man stellt uns dann einfach alles zur Verfügung, was man so hat. Und ja, jetzt wertet halt mal aus.
4. Kontraproduktiver Einfluss auf die Lösung
Der Kunde greift in die Umsetzung der Lösung ein. Dies ist so lange unproblematisch, wie dieser Einfluss mit der fachlichen Einschätzung des Anbieterunternehmens bzw. derjenigen Lösungskonzeption, die zur Zielerreichung erforderlich ist, vereinbar ist. Alle anderen Fälle stellen kontraproduktive Einflussnahmen dar.
Es ist am Abteilungsmüll gescheitert. Wir haben es online gestellt, es war technisch sauber, aber es war lange nicht das Ding, das wir eigentlich geplant hatten.
5. Unzureichende Eigenleistung
Der Kunde leistet eigene Beiträge zur Lösung in unzureichender Qualität. Unterschieden werden Leistungen, die nur der Kunde ausführen kann (z.B. Einholen von Genehmigungen, Vorbereitung der Arbeitsumgebung für störungsfreie Implementierung) und Arbeiten, die der Kunde freiwillig übernimmt (Einkauf von Materialien, Modifikation von technischen Schnittstellen) oder an andere Anbieterunternehmen delegiert (wobei in diesem Fall die sachgemäße Delegation selbst als Eigenleistung des Kunden zu betrachten ist).
[Unser Kunde] hatte auch kleine Aufgaben. Aber das hat nicht geklappt, weil er es nicht in der Qualität gemacht hat, wie es hätte sein müssen.
6. Suboptimale Nutzung
Der Kunde schöpft das Leistungspotential einer Lösung in der Nutzung nicht aus oder verursacht Schäden durch falsche Nutzung. Das Problem kann auf Anwenderebene (z.B fehlerhafte Umsetzung eines Konzepts), aber auch auf Managementebene (Veränderung von Rahmenbedingungen, die den Lösungsnutzen reduziert) entstehen.
Und die große Herausforderung ist die Implementierung. Wir haben uns zwar um viel gekümmert, aber letztendlich ist es immer Implementierung vor Ort.
7. Schleppende Mitwirkung
Der Kunde leistet Eigenanteile oder trifft Entscheidungen später als geplant. In Konsequenz entstehen Verzögerungen im Projektprozess, die das Anbieterunternehmen vor Herausforderungen hinsichtlich der eigenen Ressourcenplanung stellen können.
Wenn der Kunde einfach schlecht organisiert ist, die Daten nicht rechtzeitig schickt, dann kann es zu Problemen kommen.
Projektleiter kämpfen häufig mit schleppender Mitwirkung
Im Anschluss an die Interviews wurden 100 Projekt-Experten (31 Unternehmensberater) unterschiedlicher Branchen zu ihren Einschätzungen der identifizierten Herausforderungen befragt. Die Befragten sollten einschätzen, ob ihnen die sieben Herausforderungen in einem konkreten Projekt keine, mittelschwere oder große Probleme bereitet hatten. Für die 100 bewerteten Projekte ergaben sich hierzu die unten dargestellten Häufigkeiten.
Das branchenübergreifend häufigste schwere Problem war die schleppende Mitwirkung des Kunden. In 38 von 100 Fällen sahen die Projektleiter diesen Projektaspekt als sehr problematisch an. Auch die Gruppe der Unternehmensberater (31) beurteilte dieses Problem oft kritisch (13-mal). Außerdem beklagten die Consultants regelmäßig unzureichende und wechselhafte Anforderungsbeschreibungen von Kundenseite. Kontraproduktive Einflussnahmen auf die Lösung wurden besonders oft als mittelschweres Problem eingestuft.
Die folgende Darstellung bildet die Einschätzung der Projektexperten ab. Die Sortierung folgt der branchenübergreifenden Häufigkeit besonders schwerer Probleme von links (selten) bis rechts (häufig).
Probleme beeinträchtigen Projekterfolg messbar
Die Probanden haben angegeben, wie intensiv sie Probleme in der Bewältigung von Herausforderungen empfanden. Außerdem, wie sie den Erfolg ihres Projekts einschätzen. Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie stark der Projekterfolg vom durchschnittlichen Erfolg aller Projekte abwich, wenn die Probanden in der Bewältigung der jeweiligen Herausforderung in der Zusammenarbeit ein „schweres Problem“ sahen.
Die Messgrundlage für Projekterfolg bildete das klassische „magische Dreieck“ des Projektmanagements, das die beanspruchte Projektzeit (hier Einhaltung der Projektzeit), die verursachten Kosten (hier: Erreichen der Gewinnziele) und die Qualität der Lösung (hier: Notwendigkeit für Nacharbeiten) berücksichtigt. Alle Fragen wurden auf einer Fünfer-Skala beantwortet.
Acht Erfolgsfaktoren im Kundenmanagement
Mit der richtigen Strategie können Projektleiter die Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Ihren Kunden meistern. Und so das Entstehen von erfolgskritischen Problemen verhindern.
Die folgenden Erfolgsfaktoren sind nicht für jedes Projekt gleichermaßen geeignet, ihre Anwendbarkeit ist im Einzelfall zu prüfen. Aber: Alle acht Faktoren tauchten wiederkehrend als Schlüssel zum Meistern von Herausforderungen in der Zusammenarbeit auf.
Wer die nachfolgende Liste auf dem Projektradar behält, beugt bösen Überraschungen vor – und bleibt jederzeit handlungsfähig.
1. Aufklären
Erfolgreiche Anbieter investieren erheblichen Aufwand in eine illustrative und verständliche Aufklärung über Vor und Nachteile, Eigenschaften und zu erwartende Ergebnisse ihres Angebots. Besonders schwierig ist die Aufklärung dort, wo fachübergreifend gearbeitet wird. Modeme Visualisierungsmethoden helfen dann und ganz generell bei der Aufklärungsarbeit
Bleibt ihrem Kunden ihre Leistung schleierhaft, stellt dies Anbieter mit hoher Wahrscheinlichkeit vor große Herausforderungen im Projekt, die fast zwangsläufig zu erfolgskritischen Problemen führen.
2. Eindringen
Fordern Sie die Teilnahme von Experten an Projektsitzungen rechtzeitig ein oder erheben Sie wichtige Informationen dort selbst, wo Kunden Schwierigkeiten haben, eigene Produkte, Prozesse und Anforderungen zu durchdringen.
Die Zusammensetzung des Projektteams selbst und dessen Bemühungen, wichtige Informationen über die Ausgangslage zusammenzutragen, gehören zu den kritischen Faktoren auf Kundenseite, die die Entstehung von Problemen erklären.
3. Doppelter Boden
Definieren Sie kritische Positionen im Projekt – insbesondere Schnittstellen – und vereinbaren Sie mit Ihrem Kunden Mehrfach-Besetzungen und Vertretungsregeln. Ergänzende Dokumentation ist Pflicht.
Sind Schnittstellen zu dünn besetzt, gehen bei Personalwechseln oder -ausfällen Informationen und zuvor getroffene Absprachen verloren. Verzögerungen sind mit großer Sicherheit die Folge.
4. Interessen steuern
Wer wird von den Ergebnissen Ihres Projekts betroffen sein? Verschaffen Sie sich früh einen Überblick über Stakeholder im Kundenunternehmen und bemühen Sie sich, die Beteiligung kritischer Akteure und Gruppen bewusst zu steuern.
Früher oder später im Projekt – manchmal auch erst nach dessen Abschluss – werden Fachebenen und Mitarbeiterbasis ihre Ansprüche an die Lösung kundtun. Ein Außerachtlassen dieser Gruppen ist keine Option. Allein vom Timing des Einbezugs hängt ab, ob der Projektprozess flüssig und ohne extreme Kurswechsel verläuft.
5. Mit allen Lagern
Arbeiten Sie gemeinsam mit Ihrem Kunden an der Durchsetzung von Entscheidungen. Befragen Sie Ihren engsten Kontakt nach politischen Lagern unter den Entscheidern. Die direkte Beteiligung „schwieriger“ Akteure an Projektgesprächen kann helfen, Protesthaltungen aufzulösen.
Gelingt es Ihnen nicht, Einigkeit über die Ansprüche an das Projekt zu organisieren, entstehen schwergängige Entscheidungsprozesse und abweichende Bewertungen des Projektergebnisses – im Zweifel zu Ihrem Nachteil.
6. Klar beauftragen
Erwarten Sie Unterstützung von Mitarbeitern im Kundenunternehmen? Schaffen Sie verbindlich Einigkeit über weiterzugebende Inhalte! In Fällen, in denen ein einwandfreier Informationsfluss besonders kritisch ist, empfiehlt sich ein direkter Kontakt zu ausführenden Kundenmitarbeitern.
Lückenhafte Informationsvermittlung zur Mitarbeiterbasis führt oftmals zu Verzögerungen im Prozess und zu Eigenleistungen auf Kundenseite, die nicht den Absprachen zwischen den Projektleitungen entsprechen.
7. Ehrlich vergleichen
Wettbewerbsprodukte sollten in Projektgesprächen keinesfalls ignoriert werden. Nur Mut zur Gegenüberstellung aller Vor- und Nachteile sowie Darstellung von Schnittmengen!
Unkenntnis der wichtigen Unterschiede zwischen Lösungen führen dazu, dass Kunden Konzepte vermischen und falsche Bewertungsmaßstäbe anlegen. Auch der Wunsch nach Integration inkompatibler Bestandteile von Fremdlösungen ist ein häufiges Problem, wenn Konzepte unklar bleiben.
8. Passiv nur mit Vertrauen
Wer vertraut, darf passiv bleiben. Interessiert sich Ihr Kunde nur mäßig für die Details Ihrer Lösung, vertraut Ihnen aber vollumfänglich bei der Umsetzung, führt dieser Umstand in der Regel nicht zu erfolgskritischen Problemen. Über das Agreement allerdings muss bei allen Beteiligten Klarheit herrschen. Will Ihr Kunde weder von Ihrer Arbeit noch von Vertrauen etwas wissen, empfiehlt sich in der Regel ein Projektabbruch.
Extrem schleppende Prozessverläufe zeigen sich, wo Kunden intensiv auf das Projekt Einfluss nehmen wollen, sich aber nicht mit der Lösung beschäftigen.
Florian Kopshoff promovierte zum Thema Kundenkompetenz im Projektgeschäft am Lehrstuhl für Marketing der Technischen Universität Dortmund. Derzeit leitet er das Marketing des Dortmunder IT-Unternehmens Lemonbeat GmbH, das Softwarelösungen für intelligente Gerätenetzwerke im Internet of Things anbietet.
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