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Künstliche Intelligenz: Wie Verlage von Schreibrobotern profitieren können

Alexander Siebert, Gründer von Retresco. Foto: Retresco.

Alexander Siebert, Gründer von Retresco. Foto: Retresco.

Künstliche Intelligenz (KI) kann Fachverlage produktiver in der Produktion und effektiver im Marketing machen. Dies gilt auch für den Mittelstand. Die Einsatz-Szenarien von KI sind entsprechend dem breiten Feld der Lösungsanbieter heute sehr vielfältig, die Preise durchaus auch für kleinere Häuser zu bewältigen.

Alexander Siebert, Geschäftsführer und Gründer des Start-ups Retresco, berichtet im IT-Channel von buchreport.de über die Frage, ob und wie sich Künstliche Intelligenz im Fachverlag sinnvoll einsetzen lässt. Siebert ist auch Referent bei der IT-Konferenz für Verlage und Medienhäuser der Medienakademie am 27. Juni 2018 in München. Anhand von realen Beispielen aus der automatischen Textgenerierung und der Textklassifikation beleuchtet er dort, wie sich KI einsetzen lässt sowie welche wirtschaftlichen Vorteile sie bringt und ordnet die Technologien bezüglich deren zukünftiger Rolle und Bedeutung für Verlage ein.

Was ist automatische Textgenerierung?

Unter automatischer Textgenerierung wird die automatische Erstellung von Texten mit Hilfe einer Engine verstanden. Salopp könnte man es auch als „Schreibroboter“ betiteln. Die Daten werden geordnet eingespeist und der „Schreibroboter“ generiert individuelle Texte aus den vorhandenen Informationen. Gute Beispiele sind Wetterberichte, Sportberichte oder Finanzberichte. Vor allem bei Finanzberichten ist es interessant, mit dem Einsatz von Systemen, die durch künstliche Intelligenz gestützt werden, Prozesse signifikant zu vereinfachen. Automatisch generierte Berichte, die Trendanalysen miteinbeziehen und darauf basierend in Echtzeit individuelle Handlungsoptionen vorschlagen, können eine effiziente Grundlage für guten Endkunden-Service bieten.

Welche Medienunternehmen müssen sich damit befassen? 

Generell vertrete ich die Ansicht, dass sich jeder mit dem Nutzen dieser Technologie beschäftigen muss und auch bei kleinen Unternehmen die Automatisierung von Texten vorteilhaft sein kann. Im Einzelnen sollte sich jeder fragen: Kann ich mein Geschäftsmodell und mein Angebot durch automatische Texte sinnvoll erweitern, indem ich beispielsweise individuelle Servicetexte anbiete oder die Berichterstattung massiv ausdehne, wie z.B. im Amateurfußball oder in der Finanzberichterstattung? Diese neu gewonnene Reichweite kann sinnvoll mit redaktionellen Angeboten verknüpft oder entsprechend direkt monetarisiert werden. Ebenso wurden sehr gute Erfahrungen mit dem Einsatz von automatisierten Texten in Echtzeitkanälen gemacht, wie Twitter oder Facebook, um Leser sehr schnell mit Informationen zu versorgen.

Welche Ziele können sie damit erreichen?

Das kommt ganz auf die Branche und die Ziele des jeweiligen Unternehmens an. Im Mediensektor spielen die Erhöhung der Reichweite redaktioneller Angebote, die bessere Sichtbarkeit in Suchkanälen durch individuellen Content, sowie die Echtzeitkommunikation zu Ereignissen eine wichtige Rolle und werden häufig als Zielfaktoren definiert.

IT-Grundlagen und Technologien der Zukunft

Mehr zum Thema IT und Digitalisierung lesen Sie im IT-Channel von buchreport und den Channel-Partnern knk und Rhenus. Hier mehr…

Wie funktioniert automatische Textgenerierung genau? Dürfen wir mal ein aktuelles Beispiel haben?

In der automatischen Generierung von Fußballberichten können Sie sich gerne selbst einmal ausprobieren.

Werden Computer irgendwann preisgekrönte Romane, psychologische Gutachten oder Urteilsbegründungen schreiben?

Fakt ist, dass bestimmte Tätigkeiten derzeit nicht von Robotern übernommen werden können. Sie sind in der Lage, formelhafte Prozesse zu übernehmen, welches auch für das Erstellen von einfachen Texten gilt und sollen Mitarbeiter unterstützen, die eher einfachen, aber zeitraubenden Tätigkeiten abgeben zu können – und ja, diese repetitiven Aufgaben können sie zumeist besser als Menschen erledigen. Sind diese formelhaften Aufgaben erst einmal abgegeben, haben Mitarbeiter die Chance, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren, die beispielsweise das Erstellen von Zusammenhängen und Interpretationen notwendig machen. Diese Thematik hat Peter Carvill von Retresco in ähnlicher Weise bereits im August 2017 für Journalisten („Roboterjournalismus“) diskutiert: Why journalists will never replaced by robots. An der Kernaussage – die auch für Berufe wie Autoren oder Psychologen gilt – hat sich bis heute nichts geändert.

Die Komplexität von KI-Projekten sollte den Mittelstand nicht davon abhalten, die Potenziale auszuloten. Foto: Retresco.

Die Komplexität von KI-Projekten sollte den Mittelstand nicht davon abhalten, die Potenziale auszuloten. Foto: Retresco.

Weiterhin sehe ich bei einem Großteil unserer Projekte, dass wir neue Angebote schaffen, die so vorher nicht existiert haben. Dadurch werden häufig ganz neue Geschäftsmodelle geschaffen. Bis jetzt wurde noch nicht ein Mitarbeiter entlassen, weil unsere Technologie zum Einsatz gekommen ist.

Ist automatische Textgenerierung nur etwas für Medienunternehmen?

Jeder, der nach innen und außen in verschiedenen Anwendungsbereichen standardisiert kommunizieren möchte, kann profitieren. In unserem Fokus stehen neben Medienunternehmen: E-Commerce-Unternehmen (beispielsweise Produktbeschreibungen für Online-Shops), Finanz- und Bankunternehmen (mehr zu den Anwendungsmöglichkeiten finden Sie in unserem neuesten Artikel auf Banking Hub) und Agenturen.

Wie funktionieren Sprachanalyse und Textgenerierung in einem Chatbot? 

Tatsächlich lässt sich die automatische Textgenerierung in vielen Anwendungsszenarien einsetzen. Wird sie mit anderen Technologien kombiniert, können dabei ganz unterschiedliche Anwendungen entstehen wie beispielsweise ein Chatbot. Für einen unserer Kunden aus dem Bankenumfeld wurde für das interne Knowledge Management ein Chatbot entwickelt. Die Lösung beantwortet Fragen von Mitarbeitern bezüglich bestimmter Richtlinien schnell und vor allem sicher. Hat ein Mitarbeiter einmal seine Firmenkarte verloren, fragt er den Chatbot, statt im Intranet nach der relevanten Information suchen zu müssen. Hier stiften Chatbots echten Mehrwert und das Anwendungsgebiet ist enorm facettenreich.

 

Alexander Siebert ist Gründer und kreativer Ideengeber von Retresco. Bevor er seine Leidenschaft für Daten und Sprache 2008 in einem eigenen Unternehmen bündelte, war er an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften tätig. Dort erforschte er die Computerlinguistik auch von der theoretischen Seite und veröffentlichte eine Reihe wissenschaftlicher Publikationen..

 

Fotos: Retresco.

Kommentare

3 Kommentare zu "Künstliche Intelligenz: Wie Verlage von Schreibrobotern profitieren können"

  1. Lydia Herrmann | 16. Mai 2018 um 11:37 | Antworten

    Sehr geehrte Frau Constant,
    vielen Dank für Ihren Kommentar zum Artikel. Wir freuen uns immer über regen Gedankenaustausch und Meinungen bezüglich der rtr textengine. Ich nehme an, Sie haben den Textgenerator auf unserer Website ausprobiert. Da Sie hier drei Dinge an der Anmutung der Texte kritisiert haben, möchte ich Sie fragen, was genau Sie an den Textbeispielen als „schlecht“ empfanden. Wir bekommen viel positives Feedback, da unsere Texte nicht nur durch Synonyme, sondern auch beispielsweise durch unterschiedliche Syntax-Strukturen generiert werden. Die Länger der Texte („weitschweifend“) ist ebenfalls einstellbar.
    Der nicht vorhandene Nutzen den Sie für Leser und Medienhäuser ansprechen, ist aus unserer Sicht definitiv vorhanden; ganz einfach weil sich mittels automatisierter Erstellung von Texten und im speziellen auch Fußballberichten, doppelt so viel Content erstellen lässt. Davon profitiert vor allem der Lokaljournalismus, da er durch die daraus resultierende hyperlokale Berichterstattung auch Fußballberichte zu kleineren Kreisligen liefern kann. So erreichen Verlagshäuser und Nachrichtenorganisationen plötzlich eine Zielgruppe, die sie vorher nie erreicht hätten bzw. gar bedienen hätten können. Das eigentliche Ziel der Organisationen, die Beziehung zu den Lesern zu fördern und eine viel direktere Beziehungen zu ihnen aufbauen zu können, hilft dabei auch, die Einnahmen aus digitalen Abonnements zu steigern.
    Ich hoffe Sie können unsere Sicht nachvollziehen und vielen Dank für Ihre Neugierde.

    @Orpheum Media:
    Auch die automatisch generierten Texte können sehr variantenreich und lesenswert sein. Erst kürzlich haben wir zu dieser Frage einen Blogartikel geschrieben, der vielleicht interessant für Sie ist und zeigt, dass wir die Auffassung vertreten, dass Journalisten nicht durch Roboter ersetzt werden (https://www.retresco.de/en/why-journalists-will-never-be-replaced-by-robots/) und ordentlich recherchierte Artikel niemals in der Medienlandschaft fehlen dürfen. Fake News dürfen und sollen sich nicht verbreiten, ebenso wie die Beschaffung von Informationen aus nur einer einzigen Quelle – das sehen wir genauso wie sie. Falls Sie unser Engagement in dieser Beziehung interessiert, lesen Sie gerne unseren Bericht über die World Summit Awards, bei denen wir auf einer Podiumsdiskussion mit dem Thema: „Digital Journalism as a content force. Delivering social value through entrepreneurial creativity” tilnehmen durften. Thematisiert wurden die Möglichkeiten der Erleichterung des investigativen Journalismus durch semantische Anwendungen (https://www.retresco.de/world-summit-awards-retresco-als-beste-digitale-loesung-im-bereich-business-und-commerce-ausgezeichnet/).

    Mit freundlichen Grüßen,

    Lydia Herrmann,
    Content Marketing Manager, Retresco GmbH

  2. Birgit Constant | 12. Mai 2018 um 16:18 | Antworten

    Ich habe den Generator für den Bericht über ein Fußballspiel ausprobiert. Bei der Qualität des Ergebnisses frage ich mich, ob irgendjemand ernsthaft daran glaubt, dass dadurch ein menschlicher Texter/Schreiber ersetzt werden kann. Der Fußballbericht ist nicht nur schlecht und weitschweifend, sondern an vielen Stellen vollkommen unverständlich. Das erinnert mich an Übersetzungsprogramme, die ebenfalls einem guten Übersetzer noch viele Jahr(zehnt)e nicht das Wasser reichen können.

    Profitieren werden von so etwas sicher diejenigen, die solche Texte mittel KI erstellen. Für den Leser und auch die Medienhäuser sehe ich derzeit weder einen Nutzen noch einen technischen Vorsprung.

  3. ORPHEUM Media | 10. Mai 2018 um 8:30 | Antworten

    Waere es nicht irgendwie erschreckend, ausgesprochen bedauerlich und irgendwie auch ein Armutszeugnis, wenn wir uns von Texten berieseln lassen werden, die aus einem Roboter kommen? Sind es nicht die persoenlichen Nuancen, der Humor und hier und da auch mal der eine oder andere Tippfehler, die selbst den lapidarsten Text lesenswert machen?
    Wenn das Beschaeftigen von Menschen ‚zu teuer‘ wird, um fuer textbasierte Inhalte texte zu schaffen, dann sollte man sich lieber ueberlegen, ob man mit der so erstellten Publikation der Menscheheit nicht einen gefallen taete, und sie ganz vom Markt liesse. Denn das Ergebnis werden gleichfoermige – und auch gleich fehlerhafte – Informationen sein, die aus EINER Quelle kommen und nur noch kopiert werden. Der Rueckschluss ist, dass es immer mehr Publikationen (gerade im (fast) kostenfreien Internet) aus immer weniger recherchierten Quellen geben wird. Schon heute verbreiten sich Fehler in dem, was man noch „News“ nennt, da die „Redaktionen“ aus den gleichen Quellen abschreiben. Durch Textroboter wird das nicht besser. Denn der Schritt vom computergenerierten Wetterbericht, zum vollstaendigen Artikel, ist ein sehr kleiner.
    Armes Land der Dichter und Denker…

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