Monatelang hat die Wissens-Community auf einen Startschuss aus Mannheim gewartet – darauf, dass die Online-Variante der Brockhaus-Enzyklopädie freigeschaltet wird. Doch während die BIFAB-Manaqer den Launch auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben haben, kommt aus Stuttgart ein Signal, das für das Segment der Wissensverlage nicht minder entscheidend ist wie der verschobene Einzug der Brockhaus-Enzyklopädisten ins Netz: Der Sprachenverlag PONS hat heute auf der Frankfurter Buchmesse das Mitmach-Wörterbuchportal www.pons.eu vorgestellt: umfangreich, mit Community-Einbindung und kostenlos.
Ähnlich wie Google empfängt der Online-PONS den Nutzer mit einem schlichten, aber übersichtlichen Design. |
Die späte Rektion auf das bereits 1995 gestartete Übersetzungs-Portal Leo (hier mehr zur Geschichte) ist nicht nur der erste große Schritt der Klett-Tochter ins Web 2.0, sondern vermutlich auch der Anfang eines langen Abschieds von Print-Wörterbüchern. Die wesentlichen Details zum Portal im Überblick:
- Das Portal umfasst über 3,5 Mio Wörter in den Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Polnisch; weitere Sprachen sollen folgen.
- Eine Version des Portals speziell für mobile Geräte wie PDAs und Smartphones ist in Arbeit; ein eigenes Nachschlage-Programm für das Apple-iPhone kann für 19,99 Euro gekauft werden.
- Jeder Nutzer kann nach kurzer Anmeldung am Wörter-Portal mitschreiben; die Pons-Wörterbuchredaktion prüft alle neuen Einträge – das Portal ist nach Klett-Angaben das erste Online-Wörterbuch, in dem Marken-Content und Benutzer-Beiträge zusammenführt werden.
- Nutzer haben die Möglichkeit, direkt von www.pons.eu aus Kontakt zur Redaktion aufzunehmen.
- Weitere Funktionen: Verknüpfung mit dem Pons-Bildwörterbuch, eine Tonausgabe spricht die Wörter vor.
Die ersten Werbe-Banner hat der Verlag bereits auf den Ergebnisseiten platziert. |
Fazit: Ein mutiger, vielleicht aber auch alternativenloser Schritt der Stuttgarter, denn: Zum einen hat Leo den Verlagen jahrelang im Netz den Rang abgelaufen – die verschiedenen Leo-Lexika verzeichnen monatlich rund 300 Mio Zugriffe. Zum anderen ist das kontinuierliche Schrumpfen der Print-Käuferschaft im Zeitalter elektronischer Bücher besonders bei Nachschlagewerken, bei denen das Internet oder E-Book-Lesegeräte ihre Stärken ausspielen können, programmiert.
Wie PONS-Chefin Angelika Throll-Keller gegenüber buchreport erklärte, will die Klett-Tochter die Kosten des Portals sowie Erlöse darüberhinaus durch Werbung einspielen; Angst vor der Print-Kannibalisierung habe man nicht, denn für bestimmte Nutzer seien gedruckte oder CD-Rom-Nachschlagewerke weiterhin praktischer. Die Großwörterbücher des Verlags sollen überdies weiterhin nur als Buch, CD-Rom oder E-Book verkauft werden.
Dennoch stellt sich die Frage, welche Klientel abseits der professionellen Wörter-Jongleure oder Wissens-Junkies (Übersetzer, Studenten, Journalisten) mittelfristig noch solche großen Nachschlagewerke kaufen soll, wenn schon heute bei Pons, Leo, Wikipedia und Co. viele Inhalte kostenlos im Netz stehen.
Laut der aktuellen Allensbach-Studie (hier mehr) nutzen 22,1 Mio, also 45% der Bundesbürger im Alter von 14 bis 64 Jahren täglich das Internet; pro Jahr steigt die Zahl der täglichen Nutzer um 2,5 Mio. Bei immer mehr Internet-Nutzern dürfte die schnelle Online-Recherche den Griff zum Print-Nachschlagewerk ablösen.
Der Tod der gedruckten Brockhaus-Enzyklopädie war der erste Schritt eines Teil-Rückzugs von Wissensverlagen. Möglicherweise ist PONS jetzt mit dem Online-Vorstoß in einem weiteren Bereich gefolgt.
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