Change ist das Gebot der Stunde. Doch es ist nicht damit getan, neue Leute in die Verlage zu holen und darauf zu hoffen, dass sie den Wandel vorantreiben. Um tief greifende Veränderungen zu vollziehen, müssen die eigenen Mitarbeiter stärker mit ins Boot geholt werden. Wie das gelingen kann, erläutert Personalberaterin Helena Bommersheim im Interview.
Braucht die Buchbranche frisches Blut und Impulse von außen?
Ja, es ist grundsätzlich wichtig, „Exoten“ in die Branche zu holen. Es tut immer gut, andere Sichtweisen und andere Fragestellungen zuzulassen. Jedoch ist es nicht damit getan, einen „bunten Hund“ auszuwählen. Man darf nicht erwarten, dass einer, nur weil er von außen kommt, im Alleingang das Unternehmen positiv verändert. Für einen erfolgreichen Wandel braucht man in der Gesamtorganisation viel mehr Commitment für die Veränderung und für Menschen, die anders denken und andere Fragen stellen. Ein Quereinsteiger allein kann keine Veränderung bewirken – es braucht viele begeisterte Menschen, die mitgehen, etwas ändern wollen und ihre Kollegen anstecken.
Häufig erleben wir, dass sich die angestammten Mitarbeiter zurücknehmen und erstmal „den Neuen“ machen lassen, insbesondere wenn jemand aus einer ganz anderen Branche kommt – nach dem Motto: „Der wird schon sehen, wie weit er kommt.“ Diese Haltung müssen wir überwinden.
Wie gelingt das?
Häufig wird gesagt, dass man gerne Veränderungen anstoßen wolle, die Unternehmenskultur dies aber nicht zulässt. Ich sage: Ziehen Sie sich nicht auf die Unternehmenskultur zurück! Verlassen Sie Ihre eigene Komfortzone! Jeder einzelne Mitarbeiter kann und muss notwendige Veränderungen vorantreiben.
Im buchreport-Webinar „So meistern Sie den Wandel“ am 21. Juni erörtert Markus Wilhelm die Erfolgsfaktoren im Change Management und erklärt, welche Qualifikationen ein guter Change Manager mitbringen sollte. Aus der Praxis berichtet Michaela Philipzen, wie sie den Produktionsworkflow automatisiert und damit einen grundlegenden Kulturwandel bei Ullstein begleitet. Hier mehr…
Hängt es nicht an den Führungskräften?
Natürlich muss der Wandel auf der Führungsebene initiiert und gelebt werden. Da ist ja bereits sehr viel in Bewegung. Immer mehr Verlage arbeiten zum Beispiel projektbezogen mit agilen Methoden. Wir sollten uns klar sein, dass neue Köpfe durchaus unangenehme Fragen stellen, die auch das Management betreffen, die aber wichtig sind und auch beantwortet werden müssen. Der Neue ist erst am richtigen Platz, wenn er mir lästig wird und das muss ich eben auch als Führungskraft aushalten können.
Eine Herausforderung …
Ja, das kann ich an meinem eigenen Beispiel bestätigen. Als wir unsere Berliner Zweigstelle gegründet haben, haben die Kollegen dort viele unserer gewohnten und lieb gewonnenen Abläufe in Frage gestellt. Es ist nicht immer einfach, diese Fragen auszuhalten, zuzulassen und auch mal loszulassen. Aber es ist wichtig und notwendig, um Veränderung und Wachstum zu generieren.
Eine Frage aus der Gegenperspektive: Ist die Buch- und Medienbranche überhaupt attraktiv genug für Köpfe aus anderen Bereichen?
Unabhängig vom Medienbashing gegen Zeitungen, Magazine und Buchverlage erleben wir immer wieder, dass viele Menschen, auch jüngere, ein großes Interesse haben, in der Branche zu arbeiten. Sie wissen, dass die Medien im Zentrum dieser Veränderung stehen und wollen aktiv an dieser Veränderung mitwirken. Dennoch ist es nicht einfach, diese Menschen für die Branche zu gewinnen. Sehr häufig gelingt es über eine persönliche Ansprache. Und man muss an den richtigen Touch Points sein.
Wo findet man diese Menschen?
Man muss auf sie zugehen, Start-up-Konferenzen besuchen, in digitalen Netzwerken sichtbar werden, sich für interessante, ganz andere Geschäftsmodelle interessieren. Man muss die eigenen Leute zu „Evangelisten“ machen, zu Begeisterungsträgern für das eigene Unternehmen und eine gewisse Offenheit und Toleranz mitbringen. Es geht nicht darum, Menschen mit einem geradlinigen Lebenslauf zu finden – ganz im Gegenteil, wir brauchen gerade die mutigen Querdenker. Wenn man sie dann gefunden hat, beginnt erst die eigentliche Arbeit, denn die größere Herausforderung ist es, die neuen Köpfe zumindest mittelfristig zu binden, zu halten.
Woran scheitert das?
Branchenfremde Neuzugänge sind konfrontiert mit Limitationen, die sie aus anderen Branchen so nicht kennen. Viele von ihnen gehen von falschen technologischen Voraussetzungen aus. Oft hören wir auch, dass ihnen die Prozesse in Verlagen zu lange dauern und sie nicht schnell genug weiter kommen. Hier ist gutes Management gefragt. Führungskräfte müssen sich auch klarmachen, dass die Mitarbeiter heutzutage häufiger projektbezogen arbeiten und wieder schneller in andere Unternehmen wechseln. Wir kommen eher aus einer Tradition, wo die Menschen lange in den Unternehmen sind und auch gar keine Notwendigkeit zur Veränderung verspüren – das ändert sich jetzt und darauf müssen wir uns einstellen.
Muss die Buchbranche auch besser bezahlen?
Das Gehalt ist eine wichtige Triebfeder, im Tech-Umfeld wird deutlich besser bezahlt. Aber es ist nur ein Punkt. Viel wichtiger für viele junge Menschen ist es, dass sie einen Sinn in ihrer Arbeit sehen und dass sie den Gestaltungsspielraum haben, ihre Ideen auch umzusetzen.
Dafür müssen die Führungskräfte lernen, Kontrolle auch abzugeben.
Das ist mit die größte Herausforderung. Denn auf den Führungskräften lastet ja sehr viel Erfolgsdruck. Wir müssen lernen, nicht weiter in Hierarchien zu denken. Jetzt ist die Zeit, Hierarchien abzubauen, durchlässiger zu werden und sich klar zu machen, dass Veränderung vor allem von der Begeisterung der Mitarbeiter lebt und diese für ihr Tun dann auch die Verantwortung übernehmen.
Wie gelingt es, alle Mitarbeiter mitzunehmen und zu begeistern?
Wir müssen die eigene Organisation neugierig machen und für die Veränderung begeistern. Dazu braucht es Transparenz, Mut auch unpopuläre Themen zu benennen. aber auch den Mitarbeitern Respekt für ihre bisherigen Leistungen zollen. Da ist viel Fingerspitzengefühl gefragt und zielgerichtete Kommunikation: Einerseits holt man neue Köpfe ins Unternehmen und vermittelt damit die Botschaft, dass die eigenen Mitarbeiter nicht innovativ genug sind. Andererseits ist man darauf angewiesen, dass auch die eigenen Mitarbeiter Innovationen vorantreiben und gleichzeitig das Kerngeschäft nicht aus den Augen verlieren. Dazu muss man sich auf gemeinsame Ziele verständigen und Veränderung vorleben und vorantreiben.
Was ist Ihr Praxistipp?
Geben Sie Ihren Mitarbeitern Gestaltungsspielraum, lassen Sie Fehler zu und lassen Sie sie über den Tellerrand schauen. Schicken Sie nicht nur die Volontäre für ein paar Wochen in andere Unternehmen, sondern auch die mittlere Führungsebene und Ihre gestandenen Führungskräfte. Das ist im Alltagsgeschäft kein Selbstläufer, weil ja auch der Job gemacht werden muss, denn die größte Herausforderung ist es, das Bestandsgeschäft weiter gut zu managen und das Neue in die Welt zu bringen und zu schauen, dass es auch ein Stück weit Erfolge generiert. Und dafür braucht man alle Mitarbeiter. Räumen Sie der Kommunikation einen hohen Stellenwert ein.
Personalführung im Fokus
Der „Kampf um die klugen Köpfe“ beschäftigt alle Unternehmen mehr denn je. Gesucht werden Menschen mit Erfahrungen in digitalen Geschäftsmodellen, kreative Vermarkter und neue Führungskräfte. Im HR-Channel zeigen buchreport und Channel-Partner Bommersheim Consulting, worauf es im Personalmanagement von Medien heutzutage ankommt. Mehr unter www.buchreport.de/hr-channel.
Kommentar hinterlassen zu "Helena Bommersheim: »Jeder einzelne Mitarbeiter muss den Wandel leben«"