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Joachim Leser: Polonaise ins Nichts

Joachim Leser: Polonaise ins Nichts

Die Promidichte war in diesem Jahr rekordverdächtig. Die Buchmesse stellt Autoren, nicht Themen in den Mittelpunkt. Ist das Konzept noch zeitgemäß?
Ken Follet, Sissi Perlinger, Cordula Stratmann, Markus Lanz – Die Buchmesse bildete eine lange Prominentenpolonaise, diese zog übers Blaue Sofa zum Lesezelt, um schließlich beim Buchjournal-Talk zu landen. Selten war die Bodyguard-Literatur derart zahlreich vertreten wie in diesem Jahr.

Pünktlich zur Messe erfolgt auch die Bekanntgabe zahlreicher Preisträger (Nobelpreis, Aspekte-Literaturpreis, Deutscher Buchpreis, Hotlist Preis, Comic-Preis etc. etc.). Die Geehrten werden flugs von Kameras mit öffentlich-rechtlichem Bildungsauftrag umschwirrt. Ein Ritual.

Die Buchmesse stellt Autoren, Prominente, „Menschen 2010“ in den Mittelpunkt – Themen spielen keine Rolle. Nicht Integration war Thema auf der Messe, sondern Thilo Sarrazin. Nicht der Klimawandel war Thema, sondern der an den Erdrändern wandelnde Roger Willemsen. Ist die Buchmesse in dieser Form noch zeitgemäß?

Das derzeit vorherrschende Konzept der Buchmesse stammt aus einer Zeit, als die Verlage noch klare Profile hatten. Heute warten die meisten Verlage mit einem breiten Programmspektrum auf: historischer Roman neben Promikochbuch, Regionalkrimi neben argentinischer Lyrik. Wer sich über Bücher zu aktuellen Themen informieren will – ob Integration, Erderwärmung, Medienwandel etc. – taumelt relativ hilflos von Stand zu Stand. Da ein Häppchen. Dort ein Frischgezapftes. Dann ein Fitness-Hörbuch.

Wie verändert sich unsere Welt? Für manchen Buchhändler und andere Fachbesucher wäre in Zukunft womöglich eine vermehrt thematische Ausrichtung der Messe interessanter. Auf dem Blauen Sofa wird Mittwoch vormittags über Jugendkriminalität diskutiert, nachmittags steht das Thema Integration auf dem Programm. Ein Kurator sammelt die entsprechenden Bücher, Hörbücher, Filme bei den Verlagen ein und organisiert thematische Ausstellungen. Der Sonntag gehört den Promis.

Kommentare

2 Kommentare zu "Joachim Leser: Polonaise ins Nichts"

  1. Trotzdem sagt das insgesamt was aus, wenn auch kaum noch eine Bücher-Sendung im TV ohne den Quoten-Prominenten auskommt um alles noch ein bisschen doofer zu reden – das wackere Buch allein (das Thema, oder die Art, wie etwas geschrieben wird, gar „Literatur“), reicht eben nicht mehr. Und wird das Buch demnächst wirklich auch noch „enhanced“ (Rowohlt)?

    Ich bin früher ganz gern zur Messe gefahren, man hat sich eher selten „unter seinem Niveau amüsiert“ (Reich-Ranicki). Natürlich wird die Substanz, if any, immer getrennt bleiben vom Mediengeklingel (vom Handwerksgeklapper), sie zu verkaufen. Aber es wirft auch ein Licht auf die Branche – und nicht nur deren Verunsicherung -, sich derart freiwillig immer mehr zu Boulevardisieren.

    Aber man kann ja auch wegbleiben, bis einen das alles nichts mehr angeht. Das Entscheidende ist eh immer anderswo.

  2. Interessante Kritik. Aber war das je anders? Müssten die alten Branchen-Hasen mal sagen. Ich erinnere mich noch an Trash-Tage der Messe, als Bohlen, Naddel & Co. in den Gängen zu sehen waren und Reporterscharen alles verstopften. Verglichen damit hat die „Promi“-Dichte eher abgenommen.
    Andererseits: Es gibt doch zahlreiche Foren und Podien, bei denen die Themen im Vordergrund stehen (und leider nicht immer die Qualität der Diskutanten/Referenten).

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