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Jochen Krisch: Wann explodiert der deutsche E-Commerce-Markt?

Jochen Krisch: Wann explodiert der deutsche E-Commerce-Markt?

Der Online-Handel könnte die 100 Mrd-Euro-Marke schon vor 2020 erreichen. Einer der wesentlichen Wachstumstreiber sind schon heute die rund 12 Millionen „Vielbesteller“.

Seit gut einem Jahr versuchen wir uns an Wachstumsprognosen für den deutschen Online-Handel.

Im Juli 2011 haben wir ein erstes – betont konservatives – Szenario auf Basis der bvh-Zahlen vorgestellt – und dieses, nach dem unerwarteten Wachstumsschub im letzten Jahr, im März 2012 durch ein weiteres – immer noch betont konservatives – Szenario ersetzt.

Da der Markt auch 2012 beinahe ungebremst weiter wächst und die Umsätze schon im ersten Halbjahr um +13% auf 18,1 Mrd. Euro gestiegen sind, gehen wir davon aus, dass der Gesamtmarkt 2012 in jedem Fall über den vom bvh prognostizierten 36,5 Mrd. Euro (+7,4%) liegen wird und mindestens 37,5 Mrd. Euro (+10%) erreichen wird.

Auf der K5 habe ich auf Basis dieser Annahmen das neueste Wachstumsszenario 1.2 vorgestellt und versucht zu verdeutlichen, was es bedeutet, wenn der Versandmarkt nicht mehr wie bisher um ein bis zwei Milliarden Euro im Jahr wächst, sondern dauerhaft einen Gang zulegt und jährlich um drei bis vier Milliarden Euro wächst:

Man sollte zweierlei bedenken:

  • Alles, was der Online-Handel hinzugewinnt, geht dem stationären Handel verloren. Der Buchhandel um Thalia, der Schuhhandel um Görtz, die Elektronikhändler um Media Saturn, die Warenhäuser, etc. können bereits ein Lied davon singen.
  • Vor allem aber: Die Katalogversender haben nie mehr als 21 Mrd. Euro erreicht. Die Online-Versender treiben den Markt gerade volumenmäßig in vollkommen neue Dimensionen.

Zu erwarten ist, dass ab einem gewissen Marktvolumen prozess- und logistikseitig Skaleneffekte eintreten, die dem Online-Handel ein weiteres, noch sehr viel explosionsartigeres Wachstum erlauben. Die große Frage ist nun: Wo liegt die Schwelle, ab der der Knoten platzt und der Markt schubartig wächst? Sind es 40 Mrd. Euro (2013), ab der die Effekte eintreten? Sind es 50 Mrd. Euro (2015) oder mehr?

In jedem Fall ist davon auszugehen, dass der Online-Handel die 100 Mrd. Euro-Marke dann schon vor 2020 erreichen wird.

Einer der wesentlichen Wachstumstreiber sind schon heute die rund 12 Millionen „Vielbesteller“ und ihre rund 120 bis 150 Mio. Online-Käufe im Jahr.

Einer der größten Wachstumshebel für den Online-Handel ist und bleibt speziell hierzulande der Unwillen bzw. das Unvermögen des stationären Handels, den Amazons oder Zalandos etwas entgegenzusetzen. In anderen Ländern gibt es die Tescos oder die Walmarts, die zumindest ein Mindestmaß an Gegenwehr an den Tag legen.

Hierzulande hat der Online-Handel quasi freie Fahrt, was die Marktentwicklung aus Online-Sicht besonders spannend macht und in den kommenden 10 Jahren branchenübergreifend noch einmal zu gewaltigen Umbrüchen in der deutschen Handelslandschaft führen wird.

Jochen Krisch ist Herausgeber des Weblogs Exciting Commerce, das die wichtigsten Entwicklungen im E-Commerce verfolgt.

Kommentare

8 Kommentare zu "Jochen Krisch: Wann explodiert der deutsche E-Commerce-Markt?"

  1. Ich denk mal, der stationäre Buchhandel ist schon Geschichte. Es geht schon um den Verdrängswettbewerb der nächsten Stufe – unter den Onlinern selbst. Haben Google und Apple bei den Ebooks nicht zu lange geschlafen? Kann sich ein Kundenvergrauler wie libri.de unter ebook.de neu erfinden? Überlebt thalia.de im Sparmodus?

    Amazon hat bei den Ebooks alles richtig gemacht. Jetzt fahren sie die Ernte ein.

  2. Gewiß gibt es noch Buchhändler, die sich als »die wahren Leuchttürme, wenn es um Beratung, Kundenbindung, kurze Wege und menschliches Miteinander geht« verstehen. Doch diese Selbstausbeutung betreibenden Einzelhändler sind selten geworden.

    Das Netz bietet längst vielfältigere und häufig qualitativ höherwertige Beratung. Wenn ich überschlage, wieviele Bücher ich gekauft habe, weil sie mir in Literatur-Blogs, in Social Communities, bei Facebook oder Twitter empfohlen wurden – also von Leuten, mit denen ich regelmäßig kommuniziere – dann sehe ich darin den unschlagbaren Vorteil des Online-Handels. Da kommt kein Buchhändler mehr mit …

  3. Ich denke, was Herr Huber sagt, hat einen wahren Kern: Der Buchhändler hat etwas, dass ein Computer nie erreichen kann und auch vielfach bereits an Amazon kritisiert wurde. Im Grunde bekommen Sie durch die Empfehlungsalgorythmen von Amazon, iTunes und Co. nur das vorgeschlagen, was auf „Ihren Typ“ passt. Sie bewegen sich also immer in bekanntem. Durch einen stationären Buchladen zu gehen bietet eben auch die Chance gänzlich neues zu entdecken.

    Die Frage ist jedoch sicher nicht: Wie können wir im stationären Handel wieder mehr Umsatz zurück gewinnen. Das wird sicher nicht gelingen. Was jedoch der Einzelhandel sich zunutze machen kann, ist das empfehlen, vorselektieren,… auch online abzubilden.

  4. Alltagsshoppingistdiehölle | 28. September 2012 um 13:56 | Antworten

    „Oasen der Ruhe und Verständigung“? Komisch, wieso lande ich anscheinend immer in den falschen Läden?

  5. Aus dem Kommentar von Herrn Huber lassen sich meiner Meinung nach eine Vermutung und ein Fakt ableiten.
    Die Vermutung: Herr Huber scheint den für andere offensichtlichen Wandel nicht wahrzunehmen.
    Der Fakt: Herr Huber hat das Internet definitiv noch nicht verstanden.
    „Sie finden nur das was sie kennen!“ Wenn das Satire sein sollte, dann hatte er irgendwie Probleme es ‚rüber‘ zu bringen. 😉

  6. Auch Sie Herr Krisch können es wohl gar nicht früh genug erleben, bis alle Wohnzimmerregale leer sind!
    Und was soll da der Unwille bzw. das Unvermögen des stationären Handel. Wir sind die wahren Leuchttürme, wenn es um Beratung, Kundenbindung, kurze Wege und menschliches miteinander geht.
    Oasen der Ruhe und Verständigung anstatt der Vereinsamung vor dem PC während stundenlangem Suchens im Internet.
    Denn über etwas, das praktisch nie gesprochen wird, das Internet und auch der Online-Handel haben einen sehr, sehr großen Nachteil:
    Sie finden immer nur das was sie kennen!

    Wir kennen unsere Kunden persönlich und wir kennen uns aus in der Buchbranche, den Novitäten u.v.a.m. was zu unserem Beruf gehört.
    All dies weiß der Kunde im stationären Buchhandel mehr und mehr zu schätzen, insbesondere in den wieder erstarkten kleineren Buchhandlungen!

    • Soweit ich Herrn Krisch verstehe, erwartet er keine leeren aber durch Online-Handel gefüllte Wohnzimmerregale. Wobei die ausgesprochene Erwartung meiner Meinung nach nicht verwerflich ist.
      Weiter, wenn es stimmt, dass der stationäre Handel mit seinen Geschäften die wahren Leuchttürme all der Eigenschaften darstellt, die hier aufgeszählt werden, dann ist doch alles bestens. Der stationäre Handel braucht doch dann überhaupt keine Angst zu haben, denn dann ist doch alles besser bei ihm und nur die aller dämlichsten Kunden würden online einkaufen wo alles so schlecht ist.
      Warum also die Aufregung? Die Zahlen von Herrn Krisch sind wohl offensichtlich nur Produkte seiner Phantasie und die vielen kleinen Buchhandlungen brauchen nichts zu fürchten.

      • Nur noch etwas zum Internet, Herr Krisch. Ich habe schon 1998-2003 die ersten Intranets f. ca. 4.500 MA (hier als Angestellter) und Homepages selbst programmiert. Mein Online-Shop wurde 2005 Indienst gestellt.

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