Klassische Verlage filtern, investieren und vermarkten. Dass diese Aufgaben sich in einer digitalisierten Welt dramatisch ändern, ist gerade in diesem Blog vielfach beleuchtet worden. Wichtig ist: Die meisten dieser Aufgaben bleiben! Verschwinden könnten dagegen jene obskuren Organisationen, denen vollkommen zu Unrecht das Etikett „Dienstleistungsverlag“ angeheftet wird
„Verlag sucht Autoren“ heißt es nicht nur auf zahllosen Messeständen in Leipzig und Frankfurt, sondern auch in vielen Zeitschriften der Republik. Nicht mehr brandaktuell, aber immer noch wunderbar entlarvend ist dazu die „Rico Beutlich“-Aktion der Gruppe „42erAutoren“. Da erhielt letztes Jahr ein fiktiver Dilettant für ein Schwachsinns-Manuskript begeisterte Antwortbriefe verschiedener „Dienstleistungsverlage“, die ihm mitteilen, wie glücklich er sich schätzen könne, dass man sein Werk ins Programm nehme – gegen Vorauszahlungen von bis zu 30.000 Euro! Im Detail beschrieben ist die Aktion u.a. bei Spiegel Online. Auch das Schweizer Fernsehen berichtete vor einigen Wochen über „Das fiese Geschäft mit Jung-Autoren“.
Dank Digitaldruck gibt es keinen Grund mehr, „Dienstleistungsverlage“ fürs Investieren zu bezahlen
Autoren, die es in die Öffentlichkeit drängt, werden seit Jahren mit den obskursten Begründungen abgezockt. Unter anderem werden „Druckkostenzuschüsse“ erhoben, die vielfach so hoch sind, dass Sie eigentlich Overhead- oder Protz-Büro-Zuschüsse heißen müssten. Dass Verlage auch 2010 noch mit Vorab-Investitionen in die Kleinauflagen-Produktion argumentieren, ist indes überhaupt nicht nachvollziehbar. Heute kann man in Top-Qualität ab Auflage 1 drucken – zu Preisen, die viele immer noch sehr überraschen. Wenn per „Print-on-Demand“ nur nach Bedarf gedruckt wird, sparen sich Autoren nicht nur die Vorabinvestitionen, sondern auch die Lagerung der Mindestabnahmemenge.
Im Web ist jeder Autor sein bester Vermarkter
Gerade Nischen-Themen spielen sich inzwischen weitgehend im Netz ab. Menschen auf der Suche nach Tipps zum Heckenschneiden in Delphinform oder nach der Chronik ihrer vor Jahren verlassenen Heimatdorfes suchen zu allererst im Netz. Autoren, die derlei Spezial-Gebiete beackern, müssen also online präsent sein, sie müssen sich in den entsprechenden Foren, Communities und Chats mit ihrer Expertise präsentieren. Dadurch, dass ihnen „Dienstleistungsverlage“ überteuerte Marketing-Pakete mit Handzettel, Messe-Package etc. schnüren, werden sie kaum ein einziges Buch mehr verkaufen.
Für breitere Genres – Krimis, Ratgeber, SciFi, Fantasy – gilt analog: Auch diese Werke werden Nachwuchsautoren vor allem an Menschen verkaufen, die sie kennen und schätzen. Auch hier hilft kein briefmarkengroßes Cover-Bild in einem „Verlagsprogramm“ voller Do-it-yourself-Projekte, das jeder Buchhändler ungesehen entsorgt.
Das Web bietet jedem Autor zahlreiche Möglichkeiten, selbst zum besten, d.h. glaubwürdigsten Vermarkter seines Werkes zu werden. Auch Nicht-Informatiker können heute dank einer Fülle sehr einfacher Instrumente online für ihre Bücher trommeln. Plattformen wie www.epublizisten.de zeigen, wie man im Internet Leser findet, Interesse weckt und Bücher verkauft.
Unabhängig vom Inhalt hilft es, wenn Autoren, so freigiebig wie möglich mit ihren Inhalten werben, sie über Google & Co. auffindbar machen, ganze Kapitel zum Probelesen freigeben und den eBook-Genuss nicht durch unkomfortable DRM-Hürden erschweren.
Langfristig überleben werden nur „Dienstleistungsverlage“, die tatsächlich etwas leisten
Findige Menschen, die ihr Werk – sei es eine Dissertation, eine Autobiographie oder eine Chronik – veröffentlichen wollen, sind dazu längst nicht mehr auf überteuerte „Dienstleistungsverlage“ angewiesen. Solche Autoren können ihr Schicksal jetzt selbst in die Hand nehmen und sich im Netz – z.B. über www.epubli.de – gezielt nur genau die Dienstleistungen beschaffen, die sie nicht selbst erbringen können. In der Regel sind das der Druck und die Distribution ihrer Werke. Kosten dafür entstehen erst durch einen Kauf, bezahlt wird deshalb durch den Leser. www.blurb.com aus Kalifornien bietet einen ähnlichen Service, allerdings (noch) ohne eine Anbindung an Amazon und den deutschen Buchhandel. Wer punktuell, z.B. für sein Buch-Cover oder das Layout, professionelle Hilfe sucht, kann auf der Berliner Plattform www.12designer.com unter 12 Kreativen kostenlos einen kleinen Wettbewerb ausschreiben und sich aus den Vorschlägen zum vorab selbst gesetzten Preis bedienten.
Mehr und mehr Autoren verstehen, welche Chancen Ihnen die Kombination aus digitalem Druck und digitalem Marketing bietet. Das wird die Abzocker unter den „Dienstleistungsverlagen“ zunehmend in Erklärungsnot bringen. Überleben werden diejenigen Unternehmen (oft auch nur engagierte Einzelpersonen bzw. Verleger), die ihren Autoren und/oder Handelskunden echten Mehrwert bieten. Verlage also, die wirklich selektieren, die eine Sammlung kuratieren, deren Marke in ihrer Nische tatsächlich ein Qualitätssignal für den Käufer ist.
Dr. Jörg Dörnemann ist seit Januar 2010 Geschäftsführer der Print-on-Demand- und Self-Publishing-Plattform www.epubli.de. Zuvor war er in der Geschäftsleitung des epubli-Mehrheitsgesellschafters Holtzbrinck Digital, bei MTV Networks und bei BCG.
In der Süddeutschen Zeitung hat sich inzwischen auch André Weikard dieses Themas angenommen – und den wirklich sehr guten Beitrag über die Zuschuss-Verlage sogar online stellen dürfen 😉
Die Aufmacher-Geschichte des Literatur-Teils vom 6. Juli gibt es jetzt hier: http://www.sueddeutsche.de/kultur/zuschuss-verlage-im-land-der-dichter-und-taeuscher-1.970341
… und die Autoren schauen sich hoffentlich im Internet beim Googeln auch die Website des Aktionsbündnis für faire Verlage, einem Zusammenschluss von über 55 Literatureinrichtungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz an, der vor den Machenschaften der Pseudoverlage warnt – (www.aktionsbuendnis-faire-verlage.com)…
Autorenverbände und Literatureinrichtungen machen immer noch die Beobachtung, dass trotz Internet und Aufklärungsarbeit (junge bzw. unerfahrene) Autoren den Verheißungen und Irreführungen sog. Pseudoverlage zunächst erlegen sind und sich durch Unternehmen blenden lassen, die sich mit dem Namen Goethes oder anderer renommiert klingender Bezeichnungen (Deutsche Literaturgesellschaft) schmücken.
Und die Kriminalität dieser Unternehmen hört am Betrug (vgl. BGH, NJW 2002, 1192) und Irreführung an den unerfahrenen Autoren nicht auf. Es geht da weiter, wo diese Unternehmen à la „August von Goethe“, „Cornelia Goethe“, „Fouqué“ und „Weimarer Schillerpresse“ ihre Kritiker auch noch durch Klageandrohungen, Verleumdungen, Drohschreiben und anonyme Anrufe mundtot machen möchten und damit die Grenzen des Zulässigen in einem Rechtsstaat überschreiten.
Autorenverbände wie der VS und BVjA rufen gegen diese Machenschaften zur Unterschriftenaktion und breiten Aufklärungsarbeit auf:
http://www.bvja-online.de/typo3/index.php?id=150
Man kann es nur wie Don Quicotte immer wieder wiederholen: Am wichtigten ist Information, Information und Information.
Ein Autor zahlt nicht für eine Veröffentlichung, sondern hat im Gegenteil dafür Geld zu bekommen, dass er publiziert!
Lieber Herr Tischer,
es freut mich sehr, dass Sie sich – trotz abgeklungener Naivität 😉 – immer noch so engagiert mit dem Thema befassen!
Sie haben natürlich völlig Recht: Vielfach hat das Projekt Buchveröffentlichung eine große psychologische Komponente. In jedem Buchprojekt stecken Energie und Herzblut en masse. Gerade sehr unsichere Autoren, die sich – teils unter großen Geburtswehen – erstmals mit Ihrem Werk nach vorne wagen, sind leichte Beute für die Abzocker. Sie suchen dringend Bestätigung durch eine „höhere Instanz“, wollen ein hochwertiges Gütesiegel für ihr Werk. Hier haben die aufgeblasenen „Dr. XYZ“-Verlage mit den größten Stuckvillen und dem schönsten Büttenpapier die besten Karten. Das „Wir finden sie toll!“ verfängt hier so gut, dass für das „Wir bringen Sie groß raus“-Heilsversprechen dann viele Tausend Euro bezahlt werden.
Das alles ist zutiefst menschlich und wird sich nicht ad-hoc ändern – auch einverstanden. Aber was wir bei http://www.epubli.de, per Mail und am Telefon schon merken: Immer mehr Menschen konsultieren heute zumindest mal Google, bevor sie bei einer obskuren „Literaturgesellschaft“ unterschreiben. Deshalb würde ich mindestens acht Ausrufezeichen hinter Ihren Punkt setzen: „Gegen überhöhte Preise hilft nur: informieren, informieren, berichten, berichten“
Vielen Dank also dafür, dass Sie meinen Beitrag um einige griffige Details aus dem Werkzeugkasten der Abzocker bereichert haben.
Schöne Grüße,
Jörg Dörnemann
Ja, so naiv wie Herr Dörnemann war ich früher auch 🙂
Als Ende der 1990er Books on Demand in Norderstedt startete, glaubte ich ebenfalls daran, dass mit Print on Demand den schwarzen Schafen unter den Zuschussverlagen der Wind aus den Segeln genommen wäre.
Die Möchtegern-Autoren, so glaubte ich, würden künftig nur milde lächeln, wenn ihnen ein Zuschussverlag einen Vertrag über 15.000 Euro unter die Nase hält. Die Autoren würden auf bod.de oder lulu.com verweisen, wo sie ein Buch kostenlos oder für Beträge unter 50 Euro inkl. ISBN, Amazon-Listung und Anbindung an die Bücherwagendienste produzieren lassen könnten.
Wer – wie Herr Dörnemann – meint, es ginge hier um Service, Dienstleistungen oder Preise, der kennt die Abzocker nicht.
So widersprüchlich es klingt: Es sind gerade die ehrlichen Zuschussverlage, die ihre Preise offen und ehrlich kommunizieren und die für ihre Dienstleistungen moderate Preise anbieten, die unter den Print-on-Demand-Angeboten leiden.
Bei den wirklichen Abzockern, die von den Autoren Beträge im fünfstelligen Bereich verlangen, spielen die von Herrn Dörnemann aufgeführten POD-Dienstleister keine Rolle. Denn da geht es nicht um Druckqualität und Technik.
Bei den Abzockern geht es um Versprechen und Illusionen.
Ein gutes Beispiel ist der kometenhafte Aufstieg der so genannten „Deutschen Literaturgesellschaft“ in den letzten zwei Jahren. Allein der wohlklingende Name ist die erste Illusion. Tatsächlich verlangt man von Autoren schon mal an die 15.000 Euro für eine Buchveröffentlichung. Hinter der vermeintlichen Literaturgesellschaft steckt ein Zuschussverlag, der gerne satt zulangt.
Trotz Internet, trotz Print-on-Demand ziehen die gleichen Methoden wie vor 20 Jahren:
– Wohlklingende Namen
– Angebliche Promis wie Elke Heidenreich oder Marcel Reich-Ranicki, die dort veröffentlichen würden
– Fernsehauftritte und Presseberichte über die Autoren mit entsprechend groß platziertem Logo der Sender auf der Website
– Von der FAZ eingekaufte Promi-Artikel mit FAZ-Logo und Dank an die Zeitung
– Das Versprechen, die Bücher auf der Buchmesse zu präsentieren
– Schreibwettbewerbe, bei denen den Nicht-Gewinnern Honig ums Maul geschmiert wird, dass ihre Texte auch ohne Preisgewinn so toll sind, dass man sie gerne veröffentlichen würde. Es folgt in der Regel der Vertrag über die genannten Summen.
– Anbindung und Lagerung einiger Titel bei Libri und KNV und Werbung mit diesen Namen.
– Schreiben (per Post!) auf hochwertigem Papier und Entscheidungen von „Lektorenkonferenzen“, die so edel übermittelt werden.
– Drohschreiben an Verbrauchercommunities, Blogs und Websites, kritische Artikel zu löschen, da ansonsten juristische Maßnahmen folgen.
– Abmahnungen gegen Website-Betreiber bei kritischen Artikeln.
– usw. usf.
Völlig zurecht mahnen hier einige Kommentatoren an, man dürfe nicht alle Zuschussverlage kriminalisieren oder als Abzocker bezeichnen. Gerade im wissenschaftlichen Bereich waren und sind Zuschusspublikationen notwendig, da ansonsten manche Dissertation nicht möglich gewesen wäre, da Nischenthemen keinen Verleger finden.
Wenn wir aber von den Abzockern sprechen, dann reden wir über andere Methoden.
Und mit diesen könnte man nur mit ähnlichen Heilsversprechungen konkurrieren – und schon wäre man als seriöser Dienstleister nicht mehr glaubhaft.
Gegen überhöhte Preise hilft nur: informieren, informieren, berichten, berichten. Etwas, was leider in den großen Medien zu wenig passiert, da man sich wegen solche Nischenthemen und Möchtegern-Schriftstellern nicht mit den Juristen der Zuschussverlage rumschlagen möchte. Auch hier schlägt die Kosten-Nutzen-Rechnung der Zeitungsverlage voll durch.
Und da ich mich seit Jahren mit dem Thema beschäftige, weiß ich leider, dass es nicht nur zahlungskräftige und wenig technik-affine Rentner sind, die so über den Tisch gezogen werden.
Ich wünschte, es wäre anders. Ich wünschte Herrn Dörenmanns Argumente hätten eine Chance gegen die großen Versprechungen.
Herzliche Grüße
Wolfgang Tischer
Das Literatur-Café
http://www.literaturcafe.de
Gewinner des Alternativen Medienpreises
@ Heinrich von Berg
Vielen Dank für die Blumen.
@ Hannes
Was zeichnet denn Ihrer Ansicht nach „gute Dienstleistungsverlage“ aus?
Und wieder einmal diese lückenhafte Berichterstattung mit dem Ziel der Meinungsbildung.
Auch wenn die Herren der 42er Autoren standhaft darauf beharren, ALLE Verlage hätten das MS toll gefunden, so gab es einen Verlag, der es ablehnte.
Ich nenne den Berliner Verlag jetzt nicht, sonst heißt es, ich wäre von diesem und so weiter.
Ich finde es nur ein Armutszeugnis, wenn man sich nicht eingestehen will, dass es auch gute Dienstleistungsverlage. Schwarze Schafe gibt es überall, in jedem Wirtschaftszweig.
Die neuen Marketingformen werden übrigens den renommierten Programmverlagen viel mehr Probleme bereiten, als den Abzockern, denke ich.
Hallo, habe mit großem Interesse diesen Beitrag gelesen.
Mit 60 habe ich mein erstes Buch geschrieben, das Manuskript an fünfzehn Verlage versandt. Genau wie beschrieben erhielt ich von vier Verlagen außerordentliches Lob, ich fühlte mich wie Grisham oder Dan Brown! Dumm nur, daß ich in allen Fällen zwischen 2.500.– und 23.000.– für den Druck bezahlen sollte.
Dies ist tatsächlich Abzocke für Dumme, leider auch eine Schande für das gesamte Genre, daß so etwas überhaupt noch möglich ist.
Nur, die Frage bleibt offen, warum antworten die „guten“ Verlage denn überhaupt nicht?!