Dieser Tage zweifelt und lamentiert „die Branche“ wieder mit besonderer Hingabe. Das Leben ist hart, die Welt ungerecht, jemand muss helfen. Wahlweise sollen es deshalb Frau Merkel oder die Katholische Kirche richten.
Dass gestandene Vorkämpfer großer Apparate – sei aus echter Überzeugung, sei es aus Taktik – die Gefahren der Digitalisierung besonders schwarz malen, dass sie sich in endlosen Stuhlkreisen und Gremien in rückwärtsgewandter Verteidigung versuchen – geschenkt. Doch gerade den jüngeren Buch-Fans – gramgebeugt zwischen Ausbeuter-Praktikum und Hungerlohn-Volontariat – möchte man zurufen: Schaut doch bitte auch mal auf die gewaltigen Chancen, die die neue Welt bietet!
Zwar mag der Digital-Tsunami einige Bürokraten davonschwemmen (zur Systemfrage hier), an der grundlegenden Faszination für gut erzählte Geschichten wird er indes nichts ändern. Deshalb haben schwungvolle und experimentierfreudige Buchmenschen eine große Zukunft. Deshalb gibt es, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, mindestens diese vier Gründe, optimistisch zu sein:
Nein, auch in der digitalen Welt wird nicht ein Monopolist alles dominieren
Gerade in Deutschland sind die Kuchenstücke beim E-Book-Vertrieb noch lange nicht verteilt. Entgegen der landläufigen Meinung, ist Amazon hierzulande bei weitem nicht der dominante Monopolist. Bei epubli verkaufen wir monatlich E-Books im fünfstelligen Eurobereich. Über 50% werden dabei über den iBookstore von Apple verkauft. Vielversprechende Player wie Google werden noch dazu kommen und den Markt zusätzlich beleben.
Händler, die nicht nur durchreichen, florieren
Wer seine Zielgruppe kennt, kann mit Service punkten und neue Wachstumsfelder erschließen. Die Stuttgarter Schillerbuchhandlung zeigt, dass die Rundum-Sorglos-Lösung weder per KNV– noch per Libri-Laster kommt, sondern dass persönlicher Service und herausragende Zusatzleistungen die Leser an das Geschäft binden.
Buchhändler, die sich nicht auf konfektionierte Bücherkisten verlassen und z.B. auch von Self-Publishing-Autoren veröffentlichte Bücher bestellen, gewinnen. Bei epubli druckten wir im vergangenen Jahr 70% mehr Bücher als im Vorjahr. Von dieser Entwicklung profitierten gerade auch unsere vielen, stationären Handelspartner, deren Umsätze über uns im vergangenen Jahr um rund 60% gestiegen sind.
Durch Initiativen wie „Unsere Stadt schreibt“ können sich Buchhändler mit überschaubarem Aufwand als zentrale Kulturinstanz ihres Kiezes, ihrer Gemeinde positionieren. So lässt sich die Rolle spielen, die auch mittelfristig kein Onliner übernehmen kann: Die des „On the ground“-Treffpunkts, der Lesefreude, Intellekt und gute Laune für alle Freunde guter Geschichten erlebbar macht.
Für Blogger und Journalisten sind Bücher und E-Books ein zusätzliches Erlösmodell
Print-on-Demand und E-Books bieten unternehmerisch denkenden Journalisten und Bloggern viele neue Möglichkeiten, ihre Inhalte zu monetarisieren – es darf experimentiert werden. Erste Tests zeigen, dass Leser in „Long-form Journalism“ einen echten Mehrwert zu klassischen Nachrichtenseiten sehen und bereit sind, für die Inhalte zu zahlen. So konnte allein Byliner von April bis Dezember über 100.000 seiner „Byliner Originals“ verkaufen.
Auch in Deutschland zeigen Blogger und Journalisten wie Jochen Krisch und Alfons Pieper, dass sie großartige Inhalte haben, die sich mit großem Erfolg als Bücher und E-Books vermarkten lassen. Erst letzte Woche startete der Journalist Richard Gutjahr ein Self-Publishing-Experiment.
Die guten Jobs sind jetzt für alle da
In der alten Welt waren die großen Apparate die Gatekeeper zu den spannenden Jobs. Wer Lektor werden wollte, kam um ausbeuterische 800 Euro Volontariate mit geringen Übernahmechancen kaum herum. Heute und in Zukunft dominieren transparente und offene Netzwerke. Autoren suchen zunehmend den direkten Kontakt zu den Menschen, die Ihnen helfen, Ihre Geschichten in Form zu bringen, zu veredeln und zu vermarkten. Plattformen wie buchprofis.de oder 12designer bieten jedem die Möglichkeit, seine Fähigkeiten direkt und zu einem fairen Preis zu Markte zu tragen.
Guter Artikel, dem kann ich nur zustimmen. Der Journalist Wolfgang Schwerdt http://wolfgangschwerdt.wordpress.com/ hat so ein „Experiment“ übrigens ebenfalls gestartet . . . im August 2011 ;-))