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Jörg Dörnemann: Seattle ist nicht der Nabel der E-Book-Welt

Jörg Dörnemann: Seattle ist nicht der Nabel der E-Book-Welt

Noch 2011 schien die Welt in Ordnung: Börsenverein und GfK attestierten E-Books in einer Studie mickrige 1% Marktanteil. Die Erfolge weniger innovativer Vorreiter, wie z.B. Bastei Lübbe, die Ende letzten Jahres bis zu 30% E-Book-Anteil bei Spitzentiteln meldeten, wurden vom Großteil der etablierten Spieler kaum beachtet. Ein bedrohliches Szenario war dies in den Augen vieler grauen Gremien weiß Gott noch nicht. Nun, da nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand der große Erfolg des E-Books bestätigt wird, die Cashcow Taschenbuch unter Umsatzeinbußen leidet, ertönt das Wehklagen immer lauter.

Zu groß ist die Angst, in die iTunes-Falle zu tappen. Zu bitter waren die Erfahrungen der Musikindustrie, die sich jahrelang die Konditionen für den digitalen Vertrieb von Apple diktieren lassen musste.

Und es stimmt: Auf keinen Fall darf man Amazon den ganzen Kuchen überlassen. All jene, die sich in Internetforen und Medien als Steigbügelhalter des Multis engagieren und z.B. Self-Publishing mit Kindle Direct Publishing gleichsetzen, möchte man aufrütteln: Ihr verkündet die falsche Botschaft! Wer nur auf den einen Kanal Kindle setzt, schließt einen Großteil der Leser aus und begibt sich – nachdem die Buchlandschaft jahrzehntelang durch wenige Gatekeeper beherrscht war – in die Hände eines neuen, alles bestimmenden Spielers. Erst die Vielfalt lässt das E-Book-Ökosystem richtig blühen.

Tatsächlich ist der Einzelhandelsriese aus Seattle weit davon entfernt, den ganzen Kuchen zu besitzen. Dies zeigt zum Beispiel der im Dezember von uns veröffentlichte Report „State of the E-Book Nation“: So machte Amazon im dritten Quartal 2012 im direkten Vergleich mit Apple und Google 43% des epubli-E-Book-Umsatzes, während Apples iBookstore auf 38% kam. Google schaffte es sogar – in nur einem Quartal – aus dem Stand auf 19% Umsatzanteil zu wachsen. Und auch die Umsatzanteile der anderen Shops (z.B. Kobo) steigen weiter steil.

Im Vergleich dazu sind die Zahlen eines großen deutschen Spielers interessant: Bei ihm kommt Amazon auf 60% Marktanteil, Apple ist mit ca. 15% auf dem zweiten Platz, gefolgt von Thalia und Weltbild. Über Google vertreibt dieser (wie viele andere) Anbieter bisher keine E-Books. Dabei wächst der Anteil von Android als Betriebssystem von Smartphones und Tablets stetig, während der Rückgang der E-Reader-Verkäufe das Schicksal einer Übergangstechnologie ankündigt. In diesem Gerätesegment konzentrierte sich bisher Amazons Marktmacht.

Schon heute ist der Markt also äußerst dynamisch und er wird es mittelfristig auch bleiben. Mit Apple und Google sorgen zwei der Big Four des Internets für gesunde Vielfalt im Wettbewerb. Auch Kobo entwickelt sich vielversprechend. Seattle ist nicht der Nabel der E-Book-Welt.

Dr. Jörg Dörnemann ist seit Januar 2010 Geschäftsführer der Print-on-Demand- und Self-Publishing-Plattform www.epubli.de. Zuvor war er in der Geschäftsleitung des epubli-Mehrheitsgesellschafters Holtzbrinck Digital, bei MTV Networks und bei BCG.

Kommentare

1 Kommentar zu "Jörg Dörnemann: Seattle ist nicht der Nabel der E-Book-Welt"

  1. Amazon liegt so gut im Rennen, weil wir als Autoren dort relativ gute Konditionen bekommen und der Einstieg ins Self-Publishing sehr simpel ist. Bei ePubli z.B. brauche ich eine ISBN und muss Geld ausgeben. Mir persönlich macht das nichts, aber viele E-Book-Autoren schreckt so etwas ab. (Weil diese Leute sehr utopische Vorstellungen vom Self-Publishing haben.)

    In den nächsten ein, zwei, drei Jahren wird sich noch viel verändern, das ist klar. Aber ob Amazon mit all ihren Innovationen so schnell als verdienter Spitzenreiter vom Markt gedrängt werden kann? Wohl kaum. Wer bei den ganz Großen mitspielen will, muss amerikanisch, hyper-kapitalistisch denken.

    Sobald die 90 Tage KDP-Laufzeit bei mir vorüber sind, werde ich mir jedenfalls die Konditionen bei ePubli genauer ansehen 😉

    LG,
    Norah

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