Ein zentraler Punkt fehlt dem kleinen Sortiment in den 55 Thesen: Wie die Ertragslage verbessert werden und was der Börsenverein dafür tun kann.
Im Börsenverein hat eine Diskussion zu 55 Zukunftsthesen begonnen. Diese Diskussion muss auch die Rolle des Verbands stärker ins Blickfeld rücken, denn seit Jahren ist der Börsenverein nicht in der Lage, praktische Schlussfolgerungen aus der Situation der kleinen und mittleren Buchhandlungen zu ziehen. Warum wurde für teures Geld eine Zukunftsstudie in Auftrag gegeben, wenn daraus keinerlei Konsequenzen für die Verbandsarbeit abgeleitet werden und sich auch kaum eine der 55 Thesen darauf bezieht?
Schon fast nonchalant verabschiedet man sich von einem Drittel des Vertriebsweges Buchhandel. Zumindest aber scheint die Zukunft von Börsenverein und MVB gesichert zu sein, will man doch mit Libreka von der aktuellen Entwicklung profitieren. Die Managergehälter der Geschäftsführer, die oft den Jahresumsatz kleiner Buchhandlungen erreichen, sind also in trockenen Tüchern. Und die kleinen Buchhandlungen? Solange wie es sie noch gibt, werden die Mitglieder geschröpft. Beitragserhöhungen sind angekündigt.
Ertragslage des Sortiments verbessern
Das Betriebsergebnis der in der IfH-Zukunftsstudie untersuchten Buchhandlungen liegt bei der Hälfte der Unternehmen im Minus. Das bedeutet im Klartext: Alle verdienen am Buchhandel, die Verlage, die Auslieferer, die Buchgroßhändler, die MVB. Nur ein nicht unerheblicher Teil des Buchhandels schreibt seit Jahren rote Zahlen und legt drauf. Wie ist es um unsere Branche, um unseren Verband bestellt, wenn billigend in Kauf genommen wird, dass die Buchhandlungen vor Ort, der (noch) wichtigste Vertriebsweg, immer weniger in der Lage sind, wirtschaftlich zu arbeiten? Substanzielle Impulse, Maßnahmen oder gar eine Strategie, die zu einer Verbesserung der Situation des kleinen und mittleren Buchhandels führen könnten, sind seit Jahren Fehlanzeige.
Um die Buchhandelslandschaft für die nächsten Jahre zu sichern, bedarf es ergänzender Betätigungsfelder und einer Verbesserung der Arbeit in vielen Buchhandlungen. Vor allem aber bedarf es der nachhaltigen Verbesserung der Ertragslage. Andernfalls sägt man an dem Ast, auf dem man sitzt. Es geht um den Erhalt der Vielfalt der Buchbranche und der Bücherlandschaft.
Wann also werden endlich die alten Zöpfe abgeschnitten?
– Versandkosten: Irgendwann in grauer Vorzeit wurde festgelegt, dass der Buchhandel die Kosten des Transportes der Bücher vom Verlag in die Verkaufsstelle übernehmen muss. Warum das heute immer noch so ist, kann wahrscheinlich niemand schlüssig erklären. Buchhandlungen sind heute mit Transportkosten belastet, die bis zu 2% des Umsatzes und mehr ausmachen. Warum werden diese Kosten nicht wie in anderen Branchen üblich in die Preiskalkulation der Hersteller mit einbezogen? Das würde sofort zu einer deutlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der kleinen Buchhandlungen beitragen. Immer wieder beklagen Buchhändler diese Praxis.
– VlB-Kosten: Den Katalog der lieferbaren Bücher, den die Verlage dem Handel zur Verfügung stellen müssen, damit er deren Verlagsprodukte bestellen kann, lässt sich der Börsenverein gleich doppelt von Verlagen und Buchhandlungen bezahlen, und zwar teuer: Durchschnittlich 1300 Euro. Welchen Grund gibt es, dass man den Buchhandlungen das VlB als Arbeitsmittel nicht kostenfrei zur Verfügung stellt und die Internetanbindung zum Selbstkostenpreis?
– MVB-Service: Die MVB wurde ursprünglich einmal auch als Service für die Börsenvereins-Mitglieder ins Leben gerufen. Heute ist die MVB ein profitorientiertes Unternehmen. Was früher Service war, ist jetzt eine Dienstleistung, die an den Buchhandel (teuer) verkauft wird. Nicht zum Selbstkostenpreis, sondern um Gewinne zu machen. Warum eigentlich soll die MVB auch noch an den Buchhandlungen verdienen? Warum Livendo Nonbooks verkaufen soll, erschließt sich den wenigsten Kollegen. Warum werden überteuerte und zudem sinnlose Dekopakete zum Welttag des Buches verkauft, statt dass der Börsenverein einige wenige sinnvolle Dinge den Buchhandlungen kostenfrei auf Abruf zur Verfügung stellt?
Ein Buchhändler in den Aufsichtsrat
Es scheint, als würden sich unter dem Dach des Börsenvereins Organisationen verselbständigen, deren erster Zweck die eigene Reproduktion ist. Die Interessenlagen und Bedürfnisse des Buchhandels sind bei der MVB offenkundig zu wenig bekannt. Würde es helfen, wenn auch ein Vertreter des Sortiments in den Aufsichtsrat der MVB berufen würde und wäre es nicht sinnvoller, dieses Unternehmen auf das für den Buchhandel wirklich Notwendige zu reduzieren?
Für uns kleine Buchhändler stellt sich die Überlebensfrage. Davon aber, und nach diesen Buchtagen manifestiert sich der Eindruck, ist der Börsenverein in seiner Praxis weit weit weg. Ich sage ganz deutlich: Beitragserhöhungen sind ein Tabu. Angesichts der Ertragslage des Buchhandels erwarte ich im Gegenteil Beitragssenkungen. Man kann nicht immer weniger erwirtschaften und immer mehr bezahlen. Dem muss der Verband Rechnung tragen, er muss kleiner und schlanker werden.
Der Verband muss die Frage beantworten, welchen Beitrag er leisten kann, um die Handlungskosten des kleinen und mittleren Sortiments zu senken!
Schließlich muss der Börsenverein die Situation des kleinen Buchhandels auch in Zusammenhang mit der Preisbindungsdiskussion sehen. Wenn der Eindruck entsteht, dass von der Preisbindung vor allem auch die großen Buchhandelskonzerne Thalia und die DBH profitieren, die ohne den Preiswettbewerb Handelsspannen von über 50% realisieren und mit den daraus resultierenden Gewinnen den Verdrängungswettbewerb finanzieren, dem vor allem der inhabergeführte kleine und mittelständische Buchhandel zum Opfer fällt, kann genau das zum Argument der Preisbindungsgegner werden.
Angemessene Rabatte durchsetzen
Deshalb muss der Verband das Preisbindungsgesetz intern durch eine Reformierung unserer Verkehrsordnung mit dem Ziel der Herstellung von mehr Wettbewerbsgleichheit zwischen den Konzernen und dem kleinen unabhängigen Buchhandel durch angemessene Rabatte stützen, so wie es kürzlich der „Leipziger Appell“ gefordert hat.
Forderungskatalog:
1. Der Börsenverein wirkt auf eine portofreie Belieferung der Buchhandlung ab einem festzulegenden Auftragsvolumen hin.
2. Der Börsenverein wirkt auf eine für beide Seiten verträgliche Lösung der Probleme im Zusammenhang mit Einzelbestellungen hin.
3. Der Börsenverein senkt die Mitgliedsbeiträge für Buchhandlungen bis zu einem Jahresumsatz von 1 Mio Euro um mindestens 50%.
4. Das VlB wird den Buchhandlungen ab sofort kostenlos zur Verfügung gestellt, die Kosten für die Einbindung auf einer Buchhandels-Webseite erfolgen zum Selbstkostenpreis.
5. Die Intention des „Leipziger Appells“ zu angemessenen Rabatten im Sinne des Preisbindungsgesetzes wird mit Zahlen konkretisiert und in der Verkehrsordnung verbindlich festgeschrieben.
Zur Person: Jörg Robbert
führt seit 1990 die Kasseler Buchhandlung am Bebelplatz und seit 2010 mit Übernahme der Brencher Buchhandlung in Kassel-Wilhelmshöhe einen zweiten Standort. Er war Mitglied der AUB und sieht sich in der Tradition der 2006 von der AUB formulierten branchenpolitischen Forderungen. Der 54-jährige Buchhändler ist Mitglied der LG Buch, die sich auf ihrer jüngsten Jahrestagung ebenfalls kritisch mit dem Börsenverein auseinandergesetzt hatte. Robbert: „Meine Positionen sind in vielen Diskussionen mit Sortimenter-Kolleginnen und -Kollegen entstanden.“
Der Text ist im buchreport.magazin Juli 2011 erschienen und kann hier auch als Pdf heruntergeladen werden.
Lieber Herr Rietmüller,
ich habe nicht gesagt dem kleinen Sortiments gehts schlecht, ich habe die Studie zitiert, die der Börsenverein in Auftrag gegeben hat. Diese Studie sagt etwas über die Ertragslage vieler kleiner Buchhandlungen aus. Ich habe gefragt welche Schlüsse und Konsequenzen wir daraus ziehen und dazu einige Vorschläge gemacht. Das diese den Strukturwandel im Buchhandel nicht aufhalten ist mir wohl klar. Aber ich weiß dass Buchhandel sehr wohl eine Perspektive hat, wenn wir das wollen. Ich kenne viele Schwierigkeiten und Probleme kleiner Buchhändler aus eigener Erfahrung. Aber Sie liegen falsch wenn Sie schlussfolgern ich würde „Schutzzäune“ wollen. Nein, ich behaupte mich auch ohne Schutzzäune ganz gut. Aber es muss sich etwas verändern. Im Interesse kleiner Buchhandlungen und kleiner Verlage. Ich habe eher den Eindruck dass Sie derjenige sind der Schutzzäune zieht. Gegen Veränderungen der Denkrichtung in unserem Verband. Wenn Sie Portofreiheit mit Zölibat gleichsetzen ist dann die „Dreispartigkeit“ wie die „heiligen Dreifaltigkeit“ und der Vorsteher wie der Pabst?
Meine Forderung nach Senkung der Beiträge für Buchhandlungen bis 1 Mio Umsatz ist keineswegs ein „Schaufensterantrag“ wie Dieter Dausien meint. Es sind Buchhandlungen in dieser Größenordnung an deren Ertragslage sich etwas verändern muss und die sich überlegen ob Sie sich den Verband leisten können und wollen. Genau hier muss dass Denken im Verband die Richtung wechseln. Die Fragestellung lautet: Wie kann der Börsenverein seine Kosten reduzieren um Beitragssenkungen möglich zu machen?
Lieber Dieter,
Versandkosten – das legt die Verkehrsordnung in §16 fest – trägt der Abnehmer. Das muss geändert werden. Der Versand muss von Seiten der Verlage in die Preiskalkulation einfließen. Bücher lassen sich – ob Kleinsendung oder große Lieferung – deutlich schneller, aber vor allem auch viel günstiger transportieren als über einen „Bücherwagen“. Was glaubst du wie schnell der Anachronismus „Bücherwagen“ abgeschafft würde wenn die Verlage für die Transportkosten aufkommen würden und nicht die Buchhändler. Rechne doch mal deine Versandkosten durch….
Und sag mir doch mal warum das überhaupt so in der Verkehrsordnung steht. Warum nicht wie in allen anderen Branchen üblich „ab Warenwert xxx erfolgt die Lieferung frei Haus“????
Lieber Jörg,
Du hast ja in Deinem Beitrag eine Menge Fragen angerissen, über die man lange diskutieren kann. Ich versuchs mal möglichst kurz zu machen:
Deinem Aufruf, die wirtschaftliche Situation des kleineren und mittleren Sortiments zu verbessern, kann ich natürlich nur zustimmen. Es ist ein Unding, dass diese Buchhandlungen im Durchschnitt mit Null- oder negativem Ergebnis leben müssen, und das seit vielen Jahren. Die Preisbindung hat das Ziel einer flächendeckenden Versorgung mit Büchern durch eine große Zahl von Verkaufsstellen (§ 1, Satz 2: Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.). Da kann es einem Verband nicht egal sein, ob dies nur durch extreme Selbstausbeutung von Inhabern (und oft MitarbeiterInnen) oder auch gar nicht mehr funktioniert. Insofern ist es Verbandsaufgabe, eine Infrastruktur zu entwickeln, die das genannte Ziel ermöglicht. Im Gesetz steht, dass Verlage angemessene Rabatte gewähren müssen und diese nicht nur am Umsatz ausrichten dürfen. Ganz offensichtlich klafft hier eine deutliche Lücke zur Realität. Ich bin Mitglied der Arbeitsgruppe zur Definition des § 6.1 BuchPrBG, die, nach einem Antrag der AUB, versucht, die Anforderung des Gesetzes nach angemessenen Rabatten zu konkretisieren.
Das ist allerdings kein leichtes Unterfangen, da z.B., um auf eine Deiner Forderungen zu kommen, eine Festschreibung bestimmter Rabattsätze kartellrechtlich nicht möglich ist. Ich habe jüngst versucht, eine Formulierung zu finden, die keine Rabattsätze benennt, aber dennoch eine Anhebung der Rabatte im Durchschnitt fordert. Wir sind jetzt in der Diskussion mit dem VA und kommen, hoffentlich, zu einem Abschluss, der freilich auch nur eine Empfehlung für die Verlage sein kann.
Nochmal konkret zu Deinem Beitrag: Dass es den kleineren und mittlerem Sortiment wirtschaftlich nicht gut geht, heißt nicht, wie Du schreibst, dass alle am Buchhandel verdienen, nur wir nicht! Es gibt genügend kleinere und mittlere Verlage, die unter ähnlichen Bedingungenarbeiten wie wir. Von einem Verband, in dem Produzenten und Handel gemeinsam Mitglied sind (was gut so ist), kann man keine Festlegung auf bestimmte Konditionen erwarten, denn die würden sich zwangsläufig für einzelne Mitglieder nachteilig auswirken. Und nicht zwingend nur für die Verlage: Wenn ich mit einem Verlag bestimmte Konditionen vereinbart habe, bin auch ich als Sortimenter nicht daran interessiert, ggf. rückgestuft zu werden, weil das über dem Standard liegt. Konditionen wie Portofreiheit, Zahlungsziele, Boni etc. müssen Handelspartner unter sich ausmachen, und wenn man sich auf seine A-Verlage konzentriert und nicht von allem etwas dahaben will, dann kann man auch als kleinere Buchhandlung bessere Konditionen erzielen. Trotzdem bleibt: Die heute erzielbaren Margen sind insgesamt zu niedrig und müssen, von allen Verlagen, nachgebessert werden, wenn das Handelsnetz erhalten werden soll.
Und noch ein Wort zu Börsenverein und MVB: Ein Berufsverband kostet nun mal Geld, und es kann nicht Aufgabe des Verbands sein, durch Beitragsnachlässe die Wirtschaftlichkeit seiner Mitglieder zu sichern. Das kann nur durch Konditionenstrukturen geschehen, die die Arbeit des Sortiments angemessen entlohnen, und dabei müssen Beiträge für den Verband auch noch drin sein. Auch ein Nachlass von 50 % auf den Beitrag würde die Buchhandlung nicht retten, wenns im Grundsätzlichen nicht stimmt. Die Forderung von 50 % bis 1 Mio Umsatz ist ohnehin ein Schaufensterantrag, denn die arme Buchhandlung, mit 1 Mio und 1 Euro Umsatz müsste einen astronomischen Beitragssprung erleiden. Sinnvoll wäre allerdings eine Abflachung der Degression bei niedrigerem Einstiegssatz. Ich habe ein solches Modell mal vor Jahren für die AG Beiträge und Mitglieder entworfen, das leider in der AG nicht aufgegriffen wurde. Es hieße, um die Achse der mittleren Beitragsgruppe die niedrigen Beiträge etwas zu senken und die oberen entsprechend zu erhöhen.
Wie gesagt, die Rettung wäre das auch nicht, einzig eine generelle Erhöhung der Handelsspanne für die unteren Umsatzgruppen wäre ein wirtschaftlich sinnvoller und dem Zweck der Preisbindung förderlicher Weg. Dafür Druck zu machen, mit Leipziger Appell und vielfältigen Diskussionen in der Branche tut in der Tat not.
Bei allem Verständnis für die Sorgen von kleinen Buchhandlungen: Die meisten der hier oft gestellten Forderungen kann ein Verband oder/und der Sortimenteraussschuss, in dem mehrheitlich kleine Sortimenter vertreten sind, nicht erfüllen. Und auch die Feststellung, den kleinen Sorimenten ginge es schlecht, ist so schon nicht richtig: Es gibt hervorragend aufgestellte, profitlich arbeitende kleine Buchhandlungen genauso wie schlecht funktionierende, tiefrote Zahlen schreibende Großbuchhandlungen. Und die Gründe dafür sind genauso vielfältig wie pauschal nicht lösbar. Es kann nicht die Aufgabe eines dreistufigen Verbandes sein, Forderungen nach Mindest-Rabatten oder generelle Portofreiheit zu verlangen. Das wäre ungefähr ähnlich erfolgreich wie vom Papst die Abschaffung des Zölibats zu verlangen. Und: Soll der kleine Verlag, der ums Überleben kämpft, der gut funktionierenden Buchkette portofrei Bücher liefern? Wo zieht man die Grenze? Solche Vereinbarungen muss jede Buchhandlung mit ihren Lieferanten selbst ausloten, und bei kleinen Sortimenten machen dies mit Erfolg oft die Verbünde. Die Erwartungen, die einzelne an einen Verband stellen, sind wohlgemeint, aber oft nicht erfüllbar, und aus lauter Frustration werden dann oft nicht die Vorteile gesehen, die allen Mitgliedern zugute kommen: Gemeinsames und erfolgreiches Eintreten bei der Politik für die Preisbindung, für den verminderten Mehrwertsteuersatz und das Urheberrecht. Diese Rahmenbedingungen sind nicht selbstverständlich, sind hart erkämpft und betreffen alle, ob groß oder klein, ob Verlag oder Sortiment. Und eine Sparte allein kann sie nicht lösen. Nur gemeinsam ist der Buchhandel bei der Politik stark, und um das Ansehen, das der Börsenverein in der Öffentlichkeit und beim Gesetzgeber genießt, beneiden uns alle europäischen Buchhandelskollegen. Und schon mit einem Börsenblattabonnement und einer minimalen Ausnutzung des Vorteilsprogramms der MVB kann man weit mehr als den BV-Beitrag einsparen.
Dass sich der Sortimentsbuchhandel in den nächsten Jahren weiterhin stark ändern wird, weil er zunehmend in Konkurrenz zu neuen Medien und digitalen Inhalten tritt und auf ein geändertes Kaufverhalten stößt, kann man bejammern, aber nicht aufhalten. Der Kuchen fürs stationäre Sortiment wird kleiner, dies zu erkennen, fällt nicht schwer, und es war noch nie eine zukunftsweisende Strategie, die Schutzzäune höher zu ziehen, um damit Veränderungen aufzuhalten. Am Ende entscheidet immer der Verbraucher, der Leser, und dessen Ansprüche ändern sich auch. Wer diese Veränderungen nicht wahrhaben und sich darauf nicht einstellen will oder kann, wird zu den Verlierern zählen, ob groß oder klein.
Ich möchte mal mit einer Lebensweisheit meinen Kommentar anfangen: Wenn viele kleine Menschen viele kleine Schritte tun, verändert sich die Welt. Diese Weisheit kann man sehr gut übertragen.
Ich finde es sehr gut, daß nach den Buchhändlertagen eine lebhafte Diskussion entstanden ist. Die 5 Forderungen von Herrn Robbert sind gerechtfertigt. Natürlich ist es Wunschdenken, aber auch Wünsche können manchmal in Erfüllung gehen, wenn man hart daran arbeitet. Und das sollte unsere Aufgabe sein im Verband, in Buchhändlerstammtischen, Arbeitskreisen etc.. Der Verband muß wissen , wo der „Basis der Schuh drückt“
Der Artikel legt den Finger sicherlich in eine offene Wunde – dürfen wir die kleinen Buchhandlungen branchenintern gegenüber den Filialisten so sehr benachteiligen, wie es momentan geschieht. Versandkosten, VLB und Rabatte scheinen da die wichtigsten Baustellen zu sein und eine Beitragserhöhung für eine Säule, die sich nicht nur insgesamt schlecht vertreten fühlt sondern auch noch seine ökonomische Existenz gefährdet sieht führt nur dazu, dass eine komplette Gruppe von Börsenvereinsmitgliedern über ihren Austritt nachdenken muss.
Das tragische ist jedoch dass selbst die Umsetzung aller Forderungen m.E. das Massensterben im Buchhandel in den nächsten 20 Jahren nicht aufhalten würde. Sicherlich könnte so der Druck, den die Filialisierung und die Entwicklung der Großflächen in den letzten 20 Jahren auf die kleinen bis mittleren Buchhandlungen ausgeübt haben etwas abgeschwächt werden. Dem massiven Wandel durch die Medienrevolution – eBooks, Tablets – und die Vertriebsrevolution – Internethandel, Downloads – kann man jedoch mit solchen Nachjustierungen nicht beikommen. Die Frage, auf die wir alle – und das schließt die Filialisten ein, die spätestens durch die Borders-Pleite aufgeschreckt sein müssten – noch keine Antwort haben lautet: Was soll eine Buchhandlung in 20 Jahren leisten. Ist das Konzept der „Buchverkaufsstelle“ noch zeitgemäß? Ich glaube dies nicht, ebenso wenig wie das Heil in der Ausweitung der sogenannten „Nebensortimente“ liegen kann.
Die Zukunft des stationären Buchhandels liegt vielmehr in einem „sozialen Mehrwert“, den das Internet und anonyme Großflächen nicht bieten können. Hier haben die kleinen und mittleren Buchhandlungen sogar einen gewissen Startvorteil Wer dafür zuerst ein tragfähiges Konzept entwickelt kann in Sachen Kundenbindung seinen Mitbewerbern 2 bis 3 Jahre voraus sein – wer versucht weiterzumachen wie bisher wird über kurz oder lang schließen müssen. Denn über eins müssen wir uns klar sein – „brauchen“ wird den stationären Buchhandel in Zukunft niemand mehr. Es geht darum, dass die Kunden ihn „wollen“ müssen. Und dieses Bedürfnis wird deutlich weniger Buchhandlungen wirtschaftlich tragen, als heute existieren. Und die Arbeit für die Zukunft muss JETZT beginnen.
Sie sprechen da einen ganzen Themenkomplex an, der in seiner Vielschichtigkeit hier nur unzureichend diskutiert werden kann. Dennoch möchte ich Ihnen kurz antworten. Als Inhaberin dreier kleinerer Sortimente hege ich durchaus Sympathie für einige der Forderungen von Jörg Robbert. Als Vorsitzende des Berlin-Brandenburgischen Landesverbandes muss ich aber auch mitdenken, dass wir ein dreistufiger Verband sind und beispielsweise auch viele kleine und mittlere Verlage als Mitglieder haben, deren Interessen ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Diese Dreistufigkeit (also die Vertretung der Interessen der gesamten Branche) stärkt in vielen Fragen unsere Durchsetzungsfähigkeit bei der Politik (Mehrwertsteuerprivileg, Preisbindung, Urheberrecht usw.). Sie ist aber machmal auch hinderlich, wenn es um die Interessenswahrung einzelner Mitgliedergruppen geht. Ich will hier ein Bespiel nennen, was nicht die Spartenproblematik berührt. Als die Rechtschreibreform eingeführt wurde, sind der Bundesverband und die Landesverbände von der Presse oft gefragt worden, wie der Börsenverein dazu steht. Wir haben uns in dieser Frage jegliche Stellungnahme versagt, weil die belletristischen Verlage vehement gegen die Änderung votiert haben, die Schulbuch- sowie die Kinder- und Jugendbuchverlage aus nachvollziehbaren Gründen diese Reform jedoch sofort umgesetzt haben. Was ich damit sagen will: Es gibt in unserem dreistufigen eben Themen, die nur schwer konsensual zu lösen sind. Ähnlich verhält es sich mit den Forderungen von Jörg Robbert, die nur in gemeinsamen Gesprächen zwischen Sortiment, Verlag und dem Bundesverband (MVB) einer Lösung zugeführt werden können.
Trotzdem stimme ich aber nicht einer Position zu, die Friedrich Schiller in »Wallenstein« so formuliert hat: »Ich habe hier bloß ein Amt und keine Meinung.« Deshalb hat der Vorstand unseres Verbandes zu Beginn meiner Amtszeit die Förderung des kleinen und mittleren Sortiments in das Zentrum seiner politische Arbeit gestellt. So verleihen ein Gütesiegel für Buchhandlungen, die sich in besonderer für die Leseförderung einsetzen. Wir veranstalten jährlich die Lesereihe STADT LAND BUCH, an der sich über 100 (meist kleinere) Buchhandlungen aus der Region beteiligen, führen Existenzgründungsberatungen durch, leisten Unterstützung beim Schulbuchgeschäft, veranstalten Buchbesprechungstage usw. usw.
Schon aus eigenem Interesse bin ich an der Verbesserung der Arbeits- und Rahmenbedingungen des kleinen und mittleren Sortiments sehr interessiert. Doch in bin auch mit Markus Conrad der Meinung, der auf den letzten Buchtagen formuliert hat, dass es grundsätzlich problematisch ist, bei Schieflagen von Unternehmen den Grund dafür allein und grundsätzlich außerhalb des eigenen Unternehmens zu suchen.
Lassen Sie uns aber die nun aufgeworfenen Fragen in Ruhe und dort diskutieren, wo sie zumindest einer Annäherung zugeführt werden können: In die Sortimenter- und Verlegerversammlungen der Verbände, die Erfa-Gruppen, in Vorstands- und Mitgliederversammlungen des Bundesverbandes und der Landesverbände, ja, und auch in den Aufsichtsrat der MVB.
Ich bin sehr dankbar für Ihren Diskussionsbeitrag und versichere Ihnen, dass sich unser Vorstand bemühen wird, diese Diskussion auf vielen Ebenen ergebnisorientiert zu führen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Christiane Schulz-Rother
Vorsitzende im Landesverband Berlin-Brandenburg des Börsenvereins
Ich muss sagen dieser Artikel gefällt mir sehr gut. Nicht nur als Buchhändler sondern auch als kritisch denkender Mensch, fühle ich mich herausgefordert über althergebrachtes nachzudenken und zu hinterfragen.
Wenn eine erklägliche Anzahl zahlender Mitglieder quasi ausgegrenzt werden muss man fragen dürfen: Wofür stehst Du?
Ich nutze online Händler und finde grosse Buchhandlungen schön, doch wir Bräuchen die kleine Sortimente um uns als Buchhandel zu definieren.
Volle Zustimmung – nur wird das mit ziemlicher Sicherheit Wunschdenken bleiben !