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Karsten Bich: »Die neue Arbeitswelt ausprobieren«

Karsten Bich verantwortet in der Geschäftsleitung des Normgebers DIN, zu dem auch der Beuth Verlag gehört, die Themen Human Resources und Transformation. In einem buchreport-Talk auf der Frankfurter Buchmesse diskutiert er mit anderen Expertinnen und Experten, wie Medienhäuser und Talente die Arbeit neu aushandeln (Mittwoch, 19. Oktober, 13–14 Uhr, Frankfurt Studio).

 

Karsten Bich (Foto: DIN)

Wie sieht die neue Arbeitswelt bei der DIN-Gruppe aus?

Wir haben die Gelegenheit genutzt, als unser Gebäude aus den 1960er-Jahren saniert werden musste und haben das Haus stärker auf kollaborative Arbeit ausgerichtet. Also raus aus den Silos der Einzel- und Doppelbüros hin zu größeren, offeneren Flächen und Begegnungszonen. Aber das sind nur äußere Rahmenbedingungen. Mit Leben gefüllt werden müssen sie von den Menschen. Wir haben das Phänomen, dass Menschen bei uns teils an ähnlichen Themen arbeiten, sich aber nicht immer dazu austauschen. Wer beispielsweise Normenausschüsse der Automobilwirtschaft mit der Herausforderung, Energie für die E-Mobilität zu speichern, begleitet, sollte sich bestenfalls auch mal mit den Kolleginnen und Kollegen austauschen, die sich im Bereich der Windkraftanlagen ebenfalls damit beschäftigen, Energie effizient zu speichern und transportabel zu machen.

Wie nehmen Sie da die Mitarbeitenden mit?

Damit dieser Change gelingt, gibt es nur einen Weg: Wir müssen den Mehrwert für den Einzelnen und für das Unternehmen gut und für jeden nachvollziehbar kommunizieren. Die Mitarbeitenden müssen verstehen, wieso es auch für sie sinnvoll ist, aus ihren Einzelbüros herauszukommen und stärker in der Gruppe zu arbeiten und vielleicht auch mal in der Pause im Gemeinschaftsraum mit anderen Tischtennis zu spielen. Da in die Argumentation zu gehen und die Vorteile zu erklären, bedeutet auch, sich den Ängsten und Nöten unserer Kolleginnen und Kollegen zu stellen und sie zu motivieren, die neue Arbeitswelt auszuprobieren.

»Wenn wir neue Arbeitsbedingungen entwickeln, dann gemeinsam mit 10% der Belegschaft.«

Wie schwierig ist das?

Wir haben vor einem Jahr mit dem Einzug in das umgebaute Gebäude ein Beteiligungsprojekt aufgesetzt. Mein Ansatz war: Wenn wir neue Arbeitsbedingungen entwickeln, dann gemeinsam mit 10% der Belegschaft. Wir haben also 80 Menschen aus dem ganzen Haus direkt am Projekt „New Ways of Working“ beteiligt – über alle Hierarchien und die gesamte Gruppe hinweg. Einerseits hat die Belegschaft Ideen untereinander diskutiert, entwickelt und teilweise auch wieder verworfen, und andererseits war die Geschäftsleitung für die so erarbeiteten Vorschläge sehr offen und bereit, diese ernsthaft zu prüfen. So haben wir von den am Ende 30 Ideen der Zusammenarbeit nur 4 abgelehnt. Das hat das Eis gebrochen. Auch die Corona-Pandemie hat uns in die Karten gespielt, weil viele Gewohnheiten aufgebrochen werden mussten und dabei positive Erfahrungen gemacht worden sind.

Fällt es schwer, solche offenen Prozesse anzustoßen?

Es gab durchaus Befürchtungen in der Geschäftsleitung: Wecken wir damit Erwartungshaltungen? Entstehen in den Arbeitsgruppen Mehrheitsmeinungen, die wir nicht erfüllen können? Aber genau da beginnt Führung: Im Zweifel auch zu erklären, wieso manches nicht geht. Es kam zum Beispiel die Idee einer 4-Tage-Woche auf, aber in einer Form, die für uns wirtschaftlich nicht aufgeht. Sobald diese Zusammenhänge geklärt waren, war das Thema schnell wieder vom Tisch.

Macht Sie das alles zu einem attraktiveren Unternehmen?

Es ist eine notwendige Voraussetzung. Wir rekrutieren dort, wo viele andere das auch tun: in IT-Fachrichtungen. Insbesondere der Beuth Verlag, der stark an seiner Digitalisierung und an Digitalprodukten arbeitet, braucht entsprechende Expertise. Auch im Vertrieb und in der Normung selbst benötigen wir gut ausgebildete Fachkräfte. Wir gehen oft direkt an Hochschulen und erklären, warum die Normung im beruflichen Umfeld, aber auch als Beruf wichtig ist. Und da kämpfen wir auch: Wir sind ein hidden champion, der größte Normgeber Europas, aber das weiß kaum einer.

»Wir werden oft auf DIN A4 reduziert. Wir sind aber mehr: Wir müssen die Agilität der deutschen Wirtschaft abbilden.«

Inwieweit ist das konservative Image einer Normierungsorganisation hinderlich?

Das ist das Problem: Wir werden oft auf DIN A4 reduziert und haben ein behördenähnliches Image. Wir sind die, die alles fünfmal prüfen … Wir sind aber mehr: Wir fördern Vertrauen und Sicherheit in einer vernetzten, zunehmend komplexeren Wirtschaftswelt. Wir beschäftigen uns immer auch mit hochmodernen, gesellschaftlich relevanten Themen wie zum Beispiel Wasserstoff, Circular Economy und Künstliche Intelligenz. Wir müssen die Agilität der deutschen Wirtschaft abbilden.

Was tun?

Wir befinden uns in einem Wettbewerb um Talente mit Siemens, mit Bosch, mit Audi, mit Coca-Cola, die alle große, bekannte Marken haben. Wir sind gerade dabei, zusammen mit einer Agentur eine Employer Brand aufzubauen. Die Botschaft der DIN-Gruppe ist: Wenn du etwas gesellschaftlich Relevantes tun möchtest, dann beschäftige dich (auch) mit uns.

Im Wesentlichen geht es für Arbeitnehmer heute um wenige Kernfragen. Erstens: Wie viel Freiheit hat man, selbst zu bestimmen, wann und auf welche Weise man arbeitet? Zweitens: Wofür arbeitet man? Also die Frage nach dem Sinn der Arbeit: Ist das gesellschaftlich relevant, zahlt es auf ökologische Themen ein? Drittens sind auch Fragen der Führungs- und Firmenkultur sowie der Gemeinschaft und des Miteinanders wichtig. Das kann unser Fitnessstudio sein, das auch während der Arbeitszeit genutzt werden kann, die Gestaltung der Arbeitsumgebung, die Mitarbeiterfeste oder auch nur ein gut beleuchteter Parkplatz fürs Firmenrad.

Schöne neue Arbeit?!? Wie Medienhäuser und Talente die Arbeit neu aushandeln

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