Eine Anwaltskanzlei aus Seattle hat eine Sammelklage gegen Apple und fünf der sechs großen US-Verlage eingereicht. Der Vorwurf: Die Verlage hätten über das so genannte Agency-Modell illegal die Preise festgesetzt, um ihre „Gewinne zu steigern und den Rivalen Amazon dazu zu zwingen, seine Discountpreise aufzugeben“. Offenbar steckt nicht Amazon hinter der Offensive.
Bei den Klägern handelt es sich der Anklageschrift zufolge um zwei Privatpersonen: Der Anwalt Anthony Petru aus Kalifornien und Marcus Mathis aus Mississippi.
Auf der Liste der Angeklagten stehen die Holtzbrinck-Tochter Macmillan, HarperCollins, Hachette, Penguin sowie Simon & Schuster. Random House fehlt. Die Bertelsmann-Tochter ist als letzter der großen US-Verlage zum 1. März 2011 zum Agency-Modell gewechselt.
Die Verlage werden beschuldigt, die Buchpreise in die Höhe getrieben zu haben. Seit dem Launch des iPad im Januar 2010 seien diese im Schnitt von 12 auf 15 Dollar gestiegen (s. Grafik). Die Preise näherten sich immer mehr denen der gedruckten Bücher an, obwohl die Produktionskosten viel niedriger lägen, so die Kläger.
Rückblick: Im vergangenen Jahr hatte Amazon eben jenen Verlagen Hachette, HarperCollins, Macmillan, Penguin und Simon & Schuster zähneknirschend die Preishoheit zurückgegeben. Der Onliner beugte sich dem von Apple und dem Verlag Macmillan aufgebauten Druck und bietet die E-Books dieser Verlage seitdem zu dem vom Verlag gewünschten Verkaufspreis an.
Hintergrund: Anders als beim Lizenzierungsmodell, das dem Händler selbst erlaubt, die Bedingungen für den Verkauf der E-Books zu bestimmen, bleibt der Verlag beim Agency-Modell (auch Kommissionsagenten-Modell genannt) rechtlich „Herr des Geschäfts“, diktiert also Bedingungen, vor allem den Preis.
Amazon feuerte wiederholt gegen das Agency-Modell: In einer E-Mail an die Kunden im November 2010 kündigte der Onliner an, die Pricing-Verlagerung zur Verlagsseite zu „bekämpfen“.
Auch in Europa ist das Agency-Modell umstritten. Die EU-Kommission hatte im März eine Großrazzia bei französischen Verlagen gestartet. Als mögliche Hintergründe gelten der Streit in Frankreich um eine grenzüberschreitende Preisbindung für E-Books und die Diskussion über das Agency-Modell. In einer Mitteilung hatte die EU-Kommission die Durchsuchungen mit dem „Verdacht auf Verstöße gegen die Anti-Kartell-Bestimmungen“ gerechtfertigt.
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