Der neue Vorsteher hat an die Mitglieder des Börsenvereins appelliert, sich gegenseitig zu helfen und erhobenen Hauptes aufzutreten, um den Strukturwandel der Branche zu meistern. Bei seiner Begrüßungsrede (hier als PDF zum Download) zum Branchenparlament legte Heinrich Riethmüller (Foto: Börsenverein, Claus Setzer) aber auch den Finger in die Wunde. Dass in der Öffentlichkeit ein Bild vom Untergang einer Branche entstanden sei, daran sei man auch selbst schuld.
Dass in den letzten Jahren „mit Wollust“ über die Flächenreduktion im Handel geschrieben und der Untergang einer „zwar ganz netten, aber eigentlich unwichtigen Branche“ besungen worden seien, sei durch die Branche selbst unterstützt worden: Die niedrigen Ausbildungszahlen 2012 seien „beschämend“. „Eine Branche, die nicht mehr ausbildet, glaubt nicht mehr an sich“. Dem setzte Riethmüller entgegen, dass sich die Branche quicklebendig den Herausforderungen stelle und es „keineswegs Anlass gibt zum Jammern.“ Positiv hob der Osiander-Chef u.a. die Leistungen der Buchhandlungen Riemann (Coburg) und Graff (Braunschweig), der Tolino-Allianz, leistungsfähiger Verbünde wie der LG Buch oder eBuch sowie von Zwischenbuchhändlern wie KNV hervor. Riethmüllers Appell: „Mehr Selbstbewusstsein, mehr Mut, mehr Stolz“.
Die weiteren wichtigen Punkte der Rede von Riethmüller:
- Strukturwandel: Dieser sei kein neues Phänomen, sondern sei seit „mindestens 15 Jahren“ zu beobachten, beginnend mit der „gewaltigen Expansion der überregionalen Filialisten“, die gegen den Markt und die Absatzentwicklung im stationären Sortiment gewachsen seien. In den vergangenen zwei Jahren hätten die Filialisten 70.000 qm Fläche verloren (eine Zahl, die buchreport im neuen Filialatlas im buchreport.magazin 11/2013 ermittelt hat, hier zu bestellen). Doch nicht nur die zu großen Flächen, sondern auch kleine Buchhandlungen mit schmaler Kapitaldecke, Nachfolgeproblemen und schlechter Lage kämpften ums Überleben. – Die gesamte Branche verliere pro Jahr 50 Buchhandlungen.
- Internet/Digitalisierung: Die Buchhändler müssten sich darauf einstellen, dass 40% der Kunden stationär und online einkauften – wer nicht in beiden Kanälen gut sei, verliere Kunden. Beim E-Book sei es noch nicht absehbar, ob es dem Handel gelingen könne, „auf den immer schneller werdenden Zug aufzuspringen.“ In den nächsten Monaten müsse geklärt werden, wie der Verband darauf reagiere.
- Altruismus: Die Branche müsse begreifen, dass sie nur dann Erfolg habe, wenn sie die Probleme anderer Handelspartner erkennen und Hilfe leisten würden. Das heißt konkret: Verlage müssten erkennen, dass der Buchhandel im digitalen Geschäft mitmachen wolle und könne (und dafür bessere Konditionen benötige); die Barsortimente müssten zur Kooperation mit der MVB bereit sein (gemeint ist offenbar die Metadatenbank, d. Red.) und bessere Shops/digitale Angebote anbieten; der Buchhandel müsse kundenorientierter werden und alle Kanäle bedienen; der Verband schließlich müsse klare Vorstellungen bekommen, was von den Mitgliedern erwartet werde.
- Verbandsreform: Riethmüller ewarb erneut dafür, die föderalen Strukturen zu reformieren und teure Doppelstrukturen abzubauen – um letztlich die Mitgliedernähe wieder herzustellen.
Ausbildung u. a. im Buchhandel
Wenn man nur ständig in der Buchbranche schwarz sieht und ihren Untergang herbeiredet, dann kommt es auch so.
Der Buchhandel hat noch genug Möglichkeiten da einmal dagegen anzukämpfen. Die Strukturkrise gibt es schon lange und betrifft nicht nur den Buchhandel.
Man muss sich also von oben her (vom Börsenverein und den Landesverbänden) neu orientieren.
Was ist machbar und welche Dinge grenzen im Buchhandel an ein Wunschdenken?
Es ist doch so, dass durch ein Überangebot an Bücher, E-Books, Schreibwaren u. a. bei den Kunden in den Buchhandlungen auch gewisse Unlustgefühle erzeugt werden.
Durch die Masse des Angebots werden manche Buchleser/innen auch systematisch erdrückt.
Darüber sollte einmal nachgedacht werden.
Dazu sollten auch die Schaufensterauslagen von Buchhandlungen und Antiquariaten mehr gewechselt werden, denn das Auge sieht ja mit.
Zur Ausbildung im Buchhandel:
Oft sind da die Ausbildungsziele zu hoch angesetzt. Mann kann in einer Fachklasse der Berufsschule für Buchhändler nicht den Lernstoff verlangen, der letztendlich in der Buchhändlerschule in Frankfurt/Seckbach angesetzt ist.
Da sollte schon ein Unterschied festzustellen sein.
Auch werden junge Buchhändler/innen nach ihrer Ausbildung keine Geschäftsinhaber von Buchhandlungen. Schon von daher ist in etwa der Wissensstoff in den Fachklassen zu umfangreich. Hier geht es doch um eine Vermittlung von Praxisnähe, also der Umsetzung des Wissens dann in der Buchhandlung, wo die Ausbildung stattfindet. Außerdem ist diese Abschlussprüfung bei der IHK eine Gehilfenprüfung im Buchhandel.
Was außer der kaufmännischen Vermittlung wichtig wäre, ist doch eine gute Darstellung der Literatur. Und so etwas hilft dann auch weiter bei den Kundengesprächen in den Buchhandlungen.
Wer behauptet, dass Kundengespräche nicht mehr in den Buchhandlungen zwischen den Kunden und den Buchhändlern stattfinden, liegt etwas daneben. Manche Kunden wollen da schon noch eine gute Beratung haben.
Wichtig ist also eine Flexibiliät in den verschiedenen Bereichen und dies sollte sich dann auch finanziell etwas in den Ausbildungstarifen auswirken.
Also weg vom jammern und mutig neu Dinge in den Buchhandlungen anpacken, die unbedingt einer Ausrichtung nach vorne bedürfen. Auch gezielte Lesungen können für eine Abwechslung im Berufsalltag der Buchhandlungen sorgen.
Es sind eben auch manche Anläufe im gewissen Sinne auf ein rechts Maß und Ziel zu setzen, denn oft sind die Erwartungen viel zu hoch.
Die Kundenwünsche sehen eben anders aus wie vor zwanzig und mehr Jahren.
Auch ein freundliches Auftreten ist in den Buchhandlungen gefragt und dies merkt sich ein Kunde schon in welcher Buchhandlung er freundlich bedient wird. Und dann kommt er auch wieder.
Vom Börsenverein und den Landesverbänden bleibt sicher viel zu tun. Also gemeinsam sollten manche Zielvorgaben angegangen und auch besprochen werden. Alleingänge nutzen nichts.
H. Kraft