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Keine Zeit verlieren

Die Revolution auf dem US-Buchmarkt hat an Tempo verloren. Die Zuwachsraten im Geschäft mit digitalen Büchern fallen bei großen Verlagen nicht mehr drei-, sondern zweistellig aus. Verlagsberater Mike Shatzkin meint, die Old Economy der Branche habe offenbar mehr Zeit als bisher gedacht, ihre Infrastruktur ans neue Umfeld anzupassen. Das stimmt zwar vielleicht, ist aber eine mitunter gefährliche Annahme.

Die Gefahr liegt in der möglichen Schlussfolgerung von Verlagen und Buchhandlungen, angesichts der Tempobremse jetzt erst einmal abzuwarten, wie sich die Branche verändert, nach dem Motto: Vielleicht ist das E-Book doch nur ein großer Hype. Gegenargumente: Der„Hype“ hat zum Tod von Borders beigetragen. Und: Selbst bei zweistelligem Wachstum dürften E-Books, die aktuell in den USA zwischen 20 und 30% Marktanteil haben, schon bald die Hälfte des US-Buchmarktes ausmachen. Schließlich: Sollte das Agency-Modell kippen, könnte der Markt wieder an Rasanz gewinnen – zumindest der Marktakteur, der mit A anfängt und mit „zon“ aufhört.

Hierzulande wäre ein Abwarten ebenso fatal. Zwar ist der Marktanteil der
E-Books einstellig, doch die hohen Zuwachsraten zeigen, dass der deutsche die Entwicklung des US-Marktes zeitverzögert nachvollzieht. Mit einem Unterschied: In der Aufbauphase waren in den USA Lesegeräte wie der Kindle der Wachstumsmotor der digitalen Buchbranche. Inzwischen regieren dort und hier Tablets, auf denen Bücherlesen in unmittelbarer Konkurenz zum Internet, zu Musik, Podcasts, Filmen, Spielen und Fernsehen steht. Abwarten hieße hierzulande auch: Im Kampf der Medien um Aufmerksamkeit kapitulieren.

Kommentare

1 Kommentar zu "Keine Zeit verlieren"

  1. Karl-Ludwig von Wendt | 26. August 2012 um 11:25 | Antworten

    Tempobremse? „Nur noch“ zweistellige Zuwachsraten?

    Die Mathematik sagt uns, dass ein kontinuierliches rasantes Wachstum zwingend zu „sinkenden Wachstumsraten“ führt. Nehmen wir an, das E-Book gewinnt jedes Jahr 5% Marktanteil, beginnend bei 2%. Dann haben wir im ersten Jahr 250% Wachstum, im zweiten (von 7% auf 12%) etwa 70%, im dritten Jahr (von 12% auf 19%) „nur noch“ 42% Steigerung – obwohl der Marktanteil mit unverminderter Geschwindigkeit weiter wächst.

    Dreht man die Betrachtung um, zeigt sich erst recht, dass zu Entwarnung überhaupt kein Anlass besteht. Denn die „Schrumpfungsrate“ der übrigen Segmente steigt im Zeitverlauf sogar an: Der Verlust von 5 Prozentpunkten Marktanteil wird, bezogen auf den schrumpfenden Rest, relativ gesehen immer größer.

    Von einem „Tempoverlust“ in der E-Book-Entwicklung zu sprechen, ist meines Erachtens nicht nur gefährlich, sondern sachlich falsch. Und wenn Mike Shatzkin davon spricht, die Verlage hätten mehr Zeit als angenommen, dann bezieht er das nicht auf die Annahmen der Verlage – sondern auf seine eigenen, sehr drastischen Prognosen.

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