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Komm‘ zu uns in die Hölle, Amazon

Medienwirksam am Vorabend der Buchmesse in São Paulo hat Amazon mit Verkauf von Printbüchern in Brasilien begonnen. Fast zwei Jahre lang hatte der Branchenriese zuvor ausschließlich E-Books über seinen Store angeboten. Mit dem neuen Markt, steht Amazon aber nicht nur vor einem enormen Wachstumspotential, sondern auch vor einer Reihe von Eigenheiten und Schwierigkeiten, die überwunden werden müssen, bevor Jeff Bezos‘ Credo „Work hard, have fun, make history.“ („Arbeite hart, hab Spaß, schreib Geschichte.“) umgesetzt ist. Dies analysiert Carlo Carrenho auf Publishing Perspectives.

„Bislang waren sie im Himmel und wir in der Hölle. Komm‘ zu uns in die Hölle, Amazon“, zitiert der brasilianische Buchmarkt-Kenner den Angestellter einer großen brasilianischen Buchhandelskette. Damit spiele er auf die täglichen Frustrationen an, denen sich brasilianische Geschäftsleute ausgesetzt sehen: schlechte Logistik, ein überkompliziertes Steuersystem, eine omnipräsente Bürokratie und mangelhafte Liefersysteme. Dem werde sich Amazon stellen müssen, wolle es die Konkurrenten Livraria Saraiva und Livraria Cultura auf dem Printmarkt überholen. Die Voraussetzungen dazu seien geschafften:

  • Mit rund 150.000 Titeln biete Amazon den umfangreichsten portugiesisch-sprachigen Katalog in Brasilien an.
  • Kostenlose Lieferung ab 69 Real (etwa 22 Euro).
  • Im „Read While Your Book Ships“-Programm können Kunden, die auf ihr Paket warten, das Buch digital bereits lesen (für 13.000 Titel im Angebot).
  • Service und Lagerung übernimmt der externe Anbieter Luft.

Nachholbedarf beim „Kundenzentrismus“ gebe es hingegen noch bei den angebotenen Bezahlmodellen. Viele Brasilianer zahlten gerne in Raten, mit Debitkarte oder dem „Boleto“-System, bei dem man online einen Barcode erhält und schließlich bei seiner Bank bezahlt. Auch bei den Lieferzeiten habe die Konkurrenz die Nase vorn. Während Saraiva tagesschnelle Lieferungen anbiete, müssten sich Amazon-Kunden im mindestens auf den nächsten Werktag vertrösten lassen (dafür lege Amazon Wert darauf, keine falschen Versprechungen zu geben).

Sollte der Onlinegigant diese Probleme überwinden und sich behaupten, könnte es dem gesamten Markt dahingehend gut tun, dass verschiedene infrastrukturelle Standards durch Amazon gehoben würden:

  • Ein kundenfreundlicheres Rückgaberecht,
  • ausgeprägter Kundenservice und besseres logistisches System,
  • eine verbesserte Abdeckung mit Metadaten,
  • verlässlichere Lieferzeiten.

Bis dahin sei es aber noch ein langer Weg, und man dürfe gespannt sein, wie sich Amazon, das bei den Verlagen weniger Rabatte eingefordert habe als die Konkurrenz, auf dem neuen Markt zurechtkomme.

Auf dem Digitalbuchmarkt kontrollierten Amazon und Saraiva bereits etwa 60% des Marktes, bis zum Ende des Jahres könnten es gut 80% sein, so Carrenho. Sein Fazit: Auf dem Printmarkt müsse abgewartet werden, ob Amazon nur hart arbeite und Spaß habe – oder ob sie auch in Brasilien Geschichte schreiben.

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