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Komplexe Partnerschaft kommt auf den Prüfstand

An der Schnittstelle Verlag/Handel gerät derzeit viel in Bewegung. Der teNeues Verlag trennt sich im Buchbereich von den freien Vertretern. buchreport sprach mit Verleger Hendrik teNeues (Foto) über Veränderungen im Vertrieb.

Konzentrationsprozesse im Handel, knallharte Konditionenpoker, knappe Zeitbudgets: Für den klassischen Vertreter wird die Luft in der Buchhandelslandschaft immer dünner. Vor allem in den Dependancen der großen Ketten wird es für sie immer schwieriger, noch einen Fuß in die Tür zu bekommen. Der Kempener teNeues Verlag hat aus dieser Entwicklung Konsequenzen gezogen. Im Buchbereich steht die Trennung von den freien Vertretern auf der Agenda. Verleger Hendrik teNeues erläutert im buchreport-Interview die neuen Vertriebsstrukturen und schildert seine Erfahrungen aus dem Geschäft in den USA.

Warum gerät das klassische Vertretermodell immer stärker unter Druck? Es ist heute Realität, dass die meisten Filialisten keine Verlagsvertreter mehr empfangen wollen und können, weil argumentiert wird, ihre Besuche würden das Personal in den Filialen zeitlich zu sehr in Anspruch nehmen. Für uns reduziert sich die Liste der Buchhandlungen, in denen ein Reiseauftrag im Buchbereich geschrieben wird, mittlerweile auf eine unrentable Größenordnung. Dies betrifft das Buchprogramm von teNeues. Unsere Kalendervertreter, die unter anderem auch den Service beim Wiederauffüllen des Bestandes in den Filialen übernehmen, sind von dieser Entwicklung ausdrücklich nicht betroffen.

Ihre Antwort auf diese Entwicklungen?
Wir implementieren vertrieblich im Buchbereich im nächsten Jahr neue Strukturen. Mit drei Regionalleitern und zwei Key Accountern innerhalb der Verkaufsleitung werden wir einen Großteil der Buchhandlungen künftig direkt betreuen. Von den freien Vertretern – wohlgemerkt nur im Buchbereich – haben wir uns in gutem Einvernehmen getrennt.

Wie organisieren Sie den Informationsfluss in Richtung der Buchhandlungen, die künftig nicht mehr besucht werden?
Die Ansprache des Handels wird zentral von unserem Team im Hause gesteuert. Natürlich werden wir unsere wichtigen Vertriebspartner aber auch weiterhin vor Ort treffen und intensiv betreuen. Das ist und bleibt unverzichtbar.

Wie werden sich die Aufgaben des Außendienstes in Zukunft verändern? Das hängt von der Struktur der Verlagsprogramme ab und von der regionalen Dichte der Kunden. Ich denke, da der Zentraleinkauf eine immer größere Rolle spielen wird, wächst die Aufgabe eines Vertreters als Berater oder als Dienstleister im Service vor Ort.

Ihr Verlag ist stark im Ausland aktiv. Mit teNeues Publishing zeigen Sie auch in den USA Flagge. Wie hat sich die Buchhandelslandschaft dort in den letzten Jahrzehnten verändert?
Wir sind seit 1983 mit unserer Tochtergesellschaft in New York vertreten und haben den Strukturwandel in den USA etwa 10 Jahre früher erlebt als in Deutschland. In den 80er-Jahren hatten wir noch 10000 Buchhandelskunden, heute sind es 5 große Filialisten und noch ca. 100 bis 200 aktive Einzelkunden. Amazon hat einen Marktanteil von ca. 20%. Das hat natürlich entsprechende Auswirkungen auf den Vertrieb.

Wie organisieren Sie in diesem Spannungsfeld die Beziehungen Verlag/Handel?
Eine Kette wie Barnes and Noble kauft zentral über ,Category‘-Einkäufer ein. Es wird nach Region, Fläche, Kaufkraft für die Filialen A, die Superstores, B und C disponiert und hier sind erst im Laufe der Jahre die Warenwirtschaftssysteme so effizient geworden, dass der richtige Titel im richtigen Sortiment liegt.

Tendenzen, die sich auf den deutschen Markt übertragen lassen?
Ich glaube, dass das in Deutschland noch dauert, aber da wird die Reise hingehen. Wenn jede Filiale, abgesehen von M.A. und Bestsellern, ihr eigenes Sortiment disponiert, ist die Personalbeanspruchung zwangsläufig zu groß. Natürlich ist ein Buch über Frankfurt oder Hessen nur richtig über die betroffenen Filialen der Region einschätzbar. Aber unser Bildband Tim Walker, der gerade den deutschen Fotobuchpreis bekommen hat, wird bisher von jeder Filiale eigenständig eingekauft. Unsere erfolgreiche ,Reihe Cool Hotels‘ hat vor Kurzem in Paris den ersten Preis der besten Hotelbücher Europas erhalten. Wir haben drei Hotelbücher Executive Escapes mit den Themen Family, Holiday und Weekend, die im ,Spiegel‘ sowie im ,Manager Magazin‘ mit einem beträchtlichen Werbebudget breit beworben werden. Jede passende Buchhandlung, ob in Hamburg, Berlin oder Frankfurt, muss einzeln disponieren. Zum Vergleich hätten wir in New York einen Zentral-Auftrag für 800 Exemplare pro Titel bekommen. Wir machen viel Pressearbeit, aber die Informations- und Dispositionslücken vom Vertrieb zum Sortiment sind noch offensichtlich. Wir haben dieses Problem mit einigen Buchhändlern besprochen. Man hat für uns Verständnis, aber wir müssen natürlich unser Potenzial ausschöpfen, vor Ort beraten und gleichzeitig sensibel mit der Zeit der Kollegen im Sortiment umgehen.

Die Fragen stellte Rainer Uebelhöde

aus: buchreport.magazin 12/2008

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