In den aktuellen Herbstprogrammen der Verlage finden sich zahlreiche Romandebüts deutschsprachiger Autorinnen und Autoren. buchreport stellt 11 dieser Newcomer in Steckbriefen vor. Heute: Konrad Bach.
Mein Roman in drei Sätzen
Nach sechsunddreißig Jahren Ehe fährt Beatka zur Saisonarbeit nach Holland und kehrt nicht mehr zu ihrem Mann zurück. Heniek, ein einfacher Kfz-Mechaniker aus dem tiefsten Polen, macht sich mit seinem besten Freund Andrzej auf den Weg, um seine Frau zurückzuholen. Doch als die beiden alten Antieuropäer nach einem Unfall ohne Geld, Plan oder Sprachkenntnisse in Deutschland stranden, beginnt für sie eine Irrfahrt, die nicht nur durch eben jenes verhasste Europa und das polnische Selbstverständnis führt, sondern auch durch drei Dutzend Ehejahre im Wandel der polnischen Geschichte, die Abgründe des westlichen Glücksversprechens und durch scheinbar unumstößliche Vorstellungen von Familie, Tradition und Männlichkeit.
Mein Weg zu Blessing
Über meinen hervorragenden Agenten Adam Heise von der Agentur Simon.
Das Verdienst meines Lektors
Dr. Edgar Bracht werde ich immer zu Dank verpflichtet sein dafür, dass er mein Manuskript ausgewählt und meinen Roman sogar an die Spitze des Herbstprogramms im Blessing Verlag gestellt hat. Außerdem hat er mir meine ersten Schritte ins Unbekannte durch viel Wärme und Menschlichkeit erleichtert.
Mein Eindruck von Literaturbetrieb und Buchbranche
Die Dinge gehen sehr schnell: Innerhalb weniger Tage waren ein Agent und dann ein Verlag gefunden. Dann ging es sofort los mit dem Lektorat, und zehn Monate später kommt schon das Buch raus. Das läuft in der Filmbranche etwa ganz anders … Aus deutsch-polnischer Perspektive möchte ich ergänzen, dass Bücher und Lesen in Deutschland gesamtgesellschaftlich einen viel größeren Stellenwert haben als in Polen.
Meine Lieblingsbuchhandlung
Ein kleines Antiquariat in Hannover in der Nähe der Marienstraße, von dem ich hoffe, dass es immer noch existiert, die Belle-et-Triste in Berlin-Wedding, und natürlich das Shakespeare & Co. in Paris.
Meine Lieblingsautoren
Am meisten geprägt haben mich sicherlich Dostojewski, Thomas Mann, Aristophanes, Aischylos, Molière, Ovid, W. G. Sebald und Stanisław Lem. Unter den zeitgenössischen Autoren schätze ich Wajdi Mouawad, Thomas Glavinic, Olga Grjasnowa, Michał Witkowski und Michel Houellebecq.
So lese ich
Zwei Bücher gleichzeitig: Beide liegen aufgeschlagen und griffbereit in Reichweite; im Augenblick, da man während der Lektüre ermüdet und eigentlich zu lesen aufhören würde, greift man nach dem zweiten Buch. So habe ich es zum Beispiel während meines Studiums getan: Wenn ein wissenschaftlicher Text einfach zu dröge wurde, legte ich ihn kurz zur Seite, um mich mit ein paar Gedichten Eichendorffs oder Rilkes zu belohnen. Wenn mir dann aber der Kopf schwirrte vor lauter Versen, kehrte ich zur nüchternen Wissenschaft zurück. Das geht aber auch sehr gut mit Prosa, und – anders als man denken würde – liest man so mehr und aufmerksamer.
Schreiben ist für mich
In meiner Abi-Zeit war es an meiner Schule Brauch, dass die (unfreiwillig) witzigsten Schülerantworten aus Aufsätzen und Klausuren am Schwarzen Brett hingen. Unter anderem stand da folgende Perle aus dem Aufsatz einer Schülerin: „Literatur ist die schriftliche Niederlage des Geistes.“
Wenn ich nicht gerade schreibe
… und auch nicht unterrichte, dann spiele ich Fußball, grabe Steine aus, schneide die seit zwanzig Jahren vernachlässigten Eiben in meinem Garten oder denke mir Spiele für meine Kinder aus.
Debüts im Herbst – im buchreport.magazin 7-8/2022
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Warum haben Sie dieses Debüt ins Programm genommen?
Der tragikomische Debütroman zeigt uns Polens Geschichte der letzten vier Jahrzehnte in einem neuen Licht. Er provoziert, aber die Provokation ist kein Selbstzweck. Die beiden über 60-jährigen Polen Andrzej und Heniek halten nicht viel von der EU, von politischer Korrektheit oder Religionskritik. Aber als sie quer durch Deutschland nach Holland reisen, wandeln sie sich, auch wenn sie es selbst vielleicht nicht zugeben würden, und sind am Ende weniger selbstgerecht und europafeindlich als zuvor. Und entschieden klüger.
Edgar Bracht, Lektor
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