Die digitale Revolution sorgt ohnehin schon für einigen Wirbel – und nun müssen sich die Verlag nicht nur damit herumschlagen, wie ein tragfähiges, vor allem erlösbringendes Geschäftsmodell zum Verkauf der digitalen Inhalte an die Nutzer aussehen kann, sondern auch noch mit widerspenstigen Agenten, die selber nach dem Motto „on the Internet everyone’s a publisher“ einen auf Verleger machen.
Mit einiger Empörung hat die Verlagsbranche auf die Ankündigung des Agenten Andrew Wylie reagiert, nun unter dem Label „Odyssee Editions“ Backlist-Titel der von ihm vertretenen Autoren als Ebooks selber zu vermarkten.
Amerikanische Verlage kommentieren diesen Vorstoß nicht nur mit dem Hinweis auf die beizubehaltende angestammte Rollenverteilung der Marktteilnehmer, sondern auch mit rechtlichen Argumenten und nehmen für sich in Anspruch, die digitalen Rechte auch an diesen Backlist-Titeln zu halten. Hierfür kommt es nach amerikanischem wie deutschem Recht zunächst einmal darauf an, ob diese Rechte explizit in dem Vertrag erwähnt sind und dem Verlag übertragen wurden. Bei älteren Verträgen ergeben sich jedoch interessante Unterschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Rechtslage. Nach deutschem Recht konnten nämlich bis zum 31.12.2007 sog. Rechte für „unbekannte Nutzungsarten“ nicht vom Autor übertragen werden – sprich: alle zukunftsorientierten Rechte verblieben zwangsläufig beim Autor und mussten, nach ihrem Bekanntwerden (das Internet gilt z.B. seit 1995 als „bekannt“), vom Verlag nacherworben werden, ein mühsames und z.B. bei unübersichtlicher Erbenlage oft gar nicht zu bewerkstelligendes Unterfangen. Dieses gesetzliche Verbot ist seit dem 1.1.2008 entfallen – deutsche Verlage können sich also nunmehr wie die amerikanischen Kollegen auch die Rechte für diese zukünftigen Nutzungsarten einräumen lassen.
Aber nicht nur das. Mit dieser Reform des Urheberrechtsgesetzes ist auch eine Regelung in Kraft gesetzt worden, wonach bei zurückliegenden Vertragsabschlüssen die Verlage danach bekannt gewordene Nutzungsrechte automatisch nacherwerben, wenn ihnen mit dem Vertrag alle (seinerzeit bekannten) wesentlichen Nutzungsarten exklusiv sowie räumlich und zeitlich unbeschränkt eingeräumt wurden (und der Autor dem nicht binnen bestimmter Fristen widerspricht). Hat also beispielsweise ein Verlag in den 1980er Jahren einen Autorenvertrag geschlossen, mit dem ihm alle seinerzeit bekannten Rechte exklusiv und unbeschränkt eingeräumt wurden, dann kann er nun hoffen, auch die Rechte zur Onlinenutzung erworben zu haben.
Allerdings ist diese Nacherwerbsregelung im Gesetzeswortlaut gründlich missglückt und daher unter den Juristen in ihrer Bedeutung und Tragweite umstritten. Richtig Verlass ist auf diese Regelung jedenfalls nicht. Für ein rechtliches Scharmützel taugt diese Auseinandersetzung um die digitale Backlist-Verwertung daher eher nicht. Aber auch in der Odyssee findet der Held schlussendlich nach seinen Irrfahrten in den sicheren Hafen zurück…
Konstantin Wegner, früher Justiziar bei Ullstein Heyne List, arbeitet heute in der Kanzlei SKW Schwarz, München, und ist Lehrbeauftragter am Lehrstuhl Buchwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München.
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