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Krönung für die Königin

Mit deutlich über 25.000 Besuchern ist der Internationale Comic-Salon Erlangen am Sonntag zu Ende gegangen. Das veranstaltende Kulturprojektbüro der Stadt Erlangen und die Messeaussteller zeigten sich zufrieden.
Die guten Besucherzahlen der letzten Salons seien am Ende wahrscheinlich sogar leicht übertroffen worden, melden die Veranstalter. Das Interesse an der grafischen Literatur sei ungebrochen.
Inhaltlicher Schwerpunkt des 16. Internationalen Comic-Salons war die Rezeption des Ersten Weltkriegs im Comic und in der Zeichenkunst, mit einer umfangreichen Präsentation des französischen Zeichners und Autors Jacques Tardi, der persönlich Rede und Antwort in Erlangen stand. Als weiterer bekannter Comic-Protagonist war der amerikanische Comic-Journalist Joe Sacco vor Ort, dessen aktuelle Publikation ein sieben Meter langes Leporello, das den ersten Tag der Schlacht an der Somme 1916 darstellt auf dem Erlanger Schlossplatz große Aufmerksamkeit erregte. 
Weitere Zahlen zum diesjährigen Salon: 200 Aussteller, über 400 Künstler, fast 200 Einzelveranstaltungen. 
Ein großes Branchen-Thema war die mangelnde wirtschaftliche Förderung des Genres, die mit der zunehmenden Akzeptanz der Comic-Kunst als ernsthafte künstlerische Ausdrucksform in der Öffentlichkeit im Kontrast stehe. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern gebe es in Deutschland keine Strategie für die Unterstützung der grafischen Literatur, die in der gegenwärtigen Förderlandschaft durch alle Raster falle. Beim Salon wurde vor diesem Hintergrund die Gründung des „Deutschen Comic-Vereins“ mit Sitz in Berlin bekannt gegeben. Ziel: Ein deutsches Comic-Institut gründen, das gleichermaßen Kompetenzzentrum und Lobbyist für die grafische Literatur in Deutschland werden und eine Strategie für eine gezielte Comic-Förderung entwickeln soll. 
Höhepunkt der Veranstaltungen war die Verleihung des Max und Moritz-Preise 2014, die als wichtigste Auszeichnungen für Comic-Kunst und grafische Literatur im deutschsprachigen Raum gelten. Die Preisträger:
  • Beste/-r deutschsprachige/-r Comic-Künstler/-in: Ulli Lust
  • Bester deutscher Comic: „Kinderland“ von Mawil
  • Bester internationaler Comic: „Billy Bat“ von Naoki Urasawa und Takashi Nagasaki
  • Bester deutschsprachiger Comic-Strip: „Totes Meer“ von 18 Metzger
  • Bester Comic für Kinder: „Hilda und der Mitternachtsriese“ von Luke Pearson
  • Beste studentische Comic-Publikation: „Triebwerk“ der Kunsthochschule Kassel
  • Spezialpreis der Jury: Tina Hohl und Heinrich Anders für ihre Übertragung von Chris Wares „Jimmy Corrigan Der klügste Junge der Welt“
  • Publikumspreis: „Schisslaweng“ von Marvin Clifford
  • Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk: Ralf König 

Isabel Kreitz (selbst mit dem Max und Moritz-Preis als beste deutschsprachige Comic-Künstlerin 2012 ausgezeichnet) würdigte König in ihrer Laudatio: 

„Denke ich an Ralf, denke ich an nicht zurück gegebene Comics. „Zitronenröllchen“ habe ich mir mehrfach nachkaufen müssen, „Pretty Baby“ selber irgendwo geliehen und behalten. Das war halt so üblich damals, in den analogen Zeiten, geliebte Comics waren eben Wanderpokale.

Keine Frage, Ralf König ist der bekannteste, beliebteste und meistgelesene Comic-Zeichner Deutschlands. Siebenundzwanzig Jahre und siebenundvierzig Bücher später hat sich daran nichts geändert. Das allein würde für den Lebenswerk-Preis ja dicke ausreichen, darum werde ich hier auch darauf verzichten, seine vielen weiteren Verdienste aufzuzählen!

Ralfs Arbeitsweise ist für mich absolut faszinierend. Die meisten von uns konstruieren, schreiben und scribbeln ihre Geschichten mehr oder minder mühsam, bevor sie mit dem zeichnen anfangen. Bei Ralf geschieht das gleichzeitig, in einem Arbeitsschritt. Wie macht er das nur, diese filigranen und hochkomplexen Szenarien so herunter zu zeichnen? Geschichten, die so brillant sind, dass sie nicht nur als Comic, sondern auch als Film und Theaterstück funktionieren? Wie behält er all diese Handlungsstränge und Nebenfiguren im Blick, während er Szene an Szene reiht, wie ein Schachspieler, der bereits die nächsten hundert Spielzüge auf dem Schirm hat?

Das Risiko bei dieser Arbeitsweise ist natürlich, dass er sich auch einmal in eine Sackgasse zeichnet. Dann werden fertige Seiten rausgeschmissen und zerschnibbelt, ein Vorgang, der vielen von uns fast körperliche Schmerzen verursacht. Aber wirklich gute Geschichten entstehen nur, wenn man das Wegschmeißen gelernt hat. Die Amerikaner haben dafür natürlich wieder einen Fachbegriff erfunden: „kill your babies“. Bei uns heißt das etwas moderater: „Das Bessere ist der Feind des Guten“.

Lieber Ralf, ich hoffe, das war nicht zu indiskret und es gibt keine Prügeleien am Container, wenn Du Dein Altpapier weg bringst!“

Als bester deutschsprachiger Comic wurde „Kinderland“ von Mawil ausgezeichnet, unter der Moderation von Hella von Sinnen (Foto: Erich Malter, 2014)

Florian Janik, Oberbürgermeister der Stadt Erlangen, zeichnete Ralf König mit dem Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk aus (Foto: Erich Malter, 2014).

Über 25.000 kamen zum diesjährigen Comicsalon (Foto: Erich Malter, 2014).

Ein thematischer Schwerpunkt: Die Ausstellung „Landschaft des Todes – Jacques Tardi und der Erste Weltkrieg“ (Foto: Georg Pöhlein, 2014).

„Den Krieg im Blick – Künstler an der Front. Zeitgenössische Perspektiven von Gus Bofa, Chas Laborde, Otto Dix, Thomas Theodor Heine und anderen“ – diesem Thema widmete sich eine weitere Ausstellung (Foto: Erich Malter, 2014).

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