Oft wird ja zu Recht angemerkt, dass sehr viel Internet-Content aus der Print-Welt stammt oder über die Print-Welt querfinanziert wird. Nachfolgend wird gefragt, was denn nun geschehen solle, wenn die Print-Basis zunehmend wegbrechen sollte? Eine sehr berechtigte Frage, die meist dazu genutzt wird, um auf die Notwendigkeit klassischer Paid-Content-Modelle auch im Internet hinzuweisen.
Anders formuliert ist es so, dass im Internet zwar die Grenzkosten für die Inhalte-Verbreitung niedriger sind als in der Print-Welt. Schließlich müssen keine physischen Objekte hergestellt und transportiert werden. Dennoch exisitieren auch bei Content, der für die digitale Welt produziert wird, die so genannten First Copy Costs. Schließlich fallen uns auch in der digitalen Welt gute Inhalte nicht in den Schoß. Jemand muss auch hier wertvolle Ressourcen aufwenden, um den Inhalt zu erstellen.
Was passiert aber, wenn aufgrund der viel behaupteten „Gratis-Kultur“ im Internet die First Copy Costs von Inhalten nicht mehr finanzierbar sind? Kann es dann nicht sein, dass viele Inhalte nicht mehr erstellt und uns dann fehlen werden? Einfache Antwort: ja.
Interessant finde ich nun, dass die Internet-Nutzer als angebliche Anhänger einer „Gratis-Kultur“ diese Problematik auch zu erkennen scheinen. Schließlich sehen wir im Netz immer mehr Plattformen, die sich der Sache annehmen, indem sie Paid-Content-Modelle erpoben, die etwas anders aussehen als wir das gewohnt sind. Zwei Beispiele dafür sind die Plattformen Flattr und Kachingle. (Wie erstere funktioniert, zeigt dieses Video, 2 min.)
Bei klassischen Paid-Content-Modellen wird vor dem Lesen eines Textes bezahlt und die Bezahlung ist zwingend. Bei Flattr und Kachingle wird nach dem Lesen bezahlt – und zwar nur freiwillig, d.h. wenn der Leser den Text mochte. Warum aber sollten Leute freiwillig Geld bezahlen? Eben weil sie realisieren, dass es viele der Inhalte, die sie mögen, sonst nicht gäbe.
Ganz neu ist dieses Prinzip ja auch nicht. Schließlich gibt es viele Beispiele in der Gesellschaft dafür, dass wir eine Sache freiwillig finanziell fördern, die aus unserer Sicht förderungswürdig ist und die sich sonst über den Markt nicht finanzierten könnte. Der ganze NPO-Bereich bzw. Dritte Sektor liefert zahlreiche Beispiele dafür.
Aber wie relevant ist dieser Ansatz nun für den Buchmarkt? Gleich vorab: Ich liefere hier nicht das neue Modell, das alle Geschäftsmodell-Probleme lösen wird. Ich stelle nur eine Alternative vor, die sehr interessant ist, deren Potenzial wir aber noch nicht genau kennen (können). Schließlich sind die Plattformen Flattr und Kachingle, über die wir hier u.a. reden, erst 2010 bzw. 2009 gegründet worden. Doch obwohl Flattr bspw. erst seit August 2010 in der offenen Beta ist, erzielen Einzelpersonen wie Tim Pritlove schon monatliche Einnahmen von ca. 890 Euro damit.
Worin liegen nun also die Chancen des freiwilligen Bezahlens für den Buchmarkt? Bei der Beantwortung dieser Frage muss man zunächst klären, was der Buchmarkt eigentlich ist. Vielerorts wie im Branchen-Monitor BUCH des Börsenvereins wird der Buchmarkt definiert als die Summe der klassischen Vertriebskanäle. Was aber ist mit den Autoren und den Lesern? Gehören die nicht auch zum Buchmarkt? Könnte es nicht sein, dass ein Modell eine Chance für den Buchmarkt darstellen kann, von dem die klassischen Vertriebskanäle nicht profitieren, das aber dennoch der Basis des Buchmarktes – den Autoren – zugute kommt? Ich denke ja.
Modelle des freiwilligen Bezahlens sind vor allem deshalb eine Chance für die Autoren, weil sie heute mit ihren Inhalten i.d.R. sehr wenig verdienen, wie ich in meinem Vortrag zum Thema auf der Frankfurter Buchmesse ausgeführt habe. Für viele Autoren bedeutet eine Summe von knapp 1.000 Euro ein monatliches Durchschnittseinkommen oder sogar noch mehr. Insofern sehe ich freiwilliges Bezahlen vor allem als Chance für die Autoren. Wenn aber Autoren über solche Modelle Geld verdienen können, kommt das dem gesamten Buchmarkt zugute, weil sie durch das zusätzlich verdiente Geld mehr Zeit zum Schreiben haben, wodurch in der Summe die Gesamtqualität der für Verlage verfügbaren Autoren und Texte steigt.
Doch auch Verlage können von solchen Modellen profitieren, obwohl manch früher Versuch gescheitert ist. Viele Verlage versuchen nämlich zunehmend, über Filter-Mechanismen, die die „Weisheit der Masse“ nutzen, erfolgsträchtige Autoren und Texte zu identifizieren. Das Problem der Verlage ist bekannt: Sie sind mit zu vielen potenziellen Büchern konfrontiert, die sie nicht alle auf ihre Qualität hin prüfen können. Crowdsourcing-Modelle versprechen Abhilfe, weil hier alle Interessierten beim Qualität-Filtern mithelfen und das Lektorat am Ende nur das von allen als sehr positiv Bewertete prüfen muss. Droemer Knaur hat vor diesem Hintergrund jüngst die Plattform neobooks gelauncht.
Was aber auffällt bei Plattformen wie neobooks ist, dass die Qualitätsfilterung dort über einfache Bewertungen und Kommentare gelöst werden soll. Viel wirkungsvoller wäre es jedoch, Dienste zum freiwilligen Bezahlen einzubinden. Mit Geld verknüpfte Empfehlungen sind schließlich viel aussagekräftiger als ein einfaches „Like“, das wenig Folgen für den Empfehlungsgeber hat. Mit Flattr & Co. ließe sich aber ermitteln, welcher Text auf eine echte Nachfrage stößt. Somit wäre bei solchen Texten und Autoren am Ende die Erfolgswahrscheinlichkeit auch höher, wenn diese auf dem klassischen Wege verlegt werden.
Insgesamt sind alle diese Modelle noch recht jung und spannend zu beobachten. Ich finde es sehr positiv, dass hier Ansätze ausprobiert werden, die uns dabei helfen sollen, auch künftig eine vielfältige Inhalte-Landschaft zu erhalten, die nicht ausschließlich über Lesungen, T-Shirt-Verkäufe o.ä. querfinanziert werden muss. Daher ist hier aus meiner Sicht jede Art von Experiment zu begrüßen, weil sie uns helfen könnte, auf neue nachhaltige Finanzierungsmodelle zu stoßen, die eben nicht 1:1 aus der Print-Welt kopiert werden können.
@ Wolfgang Aistermann
Zum einen wird sich Flattr selbst ja noch verändern. Zudem kann man dort auch höhere Beträge „spenden“. Zum anderen gilt es aber genau das herauszufinden: Wofür und wie sind solche Instrumente ggf. geeignet? Um das Probieren und Experimentieren werden wir nicht herum kommen. Deswegen nerven mich die Leute, welche zu dem Thema schon vorher eine feste Meinung haben. Es geht vielmehr darum, – so wie Sie es tun – die richtigen Fragen zu stellen und dann auch Antworten zu liefern.
Hallo Herr Wattig,
natürlich: ohne eine Basis, die die eigenen Aktivitäten für ein förderungswürdiges Anliegen hält, ohne Eignungsnachweis kein Mäzenatentum.
Mein Einwand geht aber eher in eine andere Richtung. Die Fan-Gemeinde muss bei Flattr & Kachingle schon ganz schön zahlreich sein, damit eine substantielle Förderung dabei heraus kommt.
Liegt da dann wirklich eine Chance für klassische Autoren? Mein Einwand geht eher dahingehend, ob das Bezahlmodell mit den Kuchenstückchen auch kleinen Projekten (und dazu zählen doch sicherlich die meisten belletristischen Projekte) eine tatsächlich spürbare Unterstützung bescheren können wird.
Tim Pritlove berichtet in seinem Blog (http://tim.geekheim.de/2010/09/28/aktuelle-betrachtungen-zu-flattr/) davon, dass der durchschnittliche Klick lt. Flattr bei 0,15 Euro liegt. Bei ihm selbst liegt der Durchschnitt bei 0,30 Euro. Selbst wenn ich die 0,30 Euro zugrunde lege: 1000 Unterstützer (und das ist ja schon eine sehr beachtliche Anzahl) erbringen dann 300 Euro.
Um es umgekehrt zu formulieren: kleinere & mittlere Projekte bräuchten eine Förderungsmöglichkeit, die eine frei wählbare Unterstützungsleistung ermöglicht. Eine Gewichtung. Ein größeres Stück vom Kuchen, um im Bild zu bleiben.
Hinzu kommen die besonderen Produktionsbedingungen von Literatur. Im Gegensatz zu Blogs vollzieht sich die Produktion ja eher im Stillen, ein Buch wird über Monate / Jahre am eigenen Schreibtisch geschrieben. Erst mit der Publikation ist wieder ein öffentlicher Anlaß da, der das Buch wieder zurück in die Wahrnehmung der potentiellen Förderer bringt. Und damit sind wir dann wieder bei der klassischen, nachgelagerten Monetarisierung eines Projekts.
ReFlattr ist da ein interessanter Ansatz. Von regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen im Abostil könnte dann auch der Autor profitieren, der mit seiner Produktion nicht regelmäßig im Netz einen neuen Förderungsanreiz setzt. Allerdings bleibt es auch bei diesem Abosystem bei den Cent-Clicks, oder habe ich das falsch verstanden? 🙂
@ Marion Schwer & Wolfgang Aistermann: Sorry, der Kommentar wurde jetzt erst freigeschaltet.
@ Marion Schwer: Man sollte es gerade nicht als Almosen verstehen, sondern als Anreizsetzung für gewünschte Inhalte. Dann entsteht auch eine Win-Win-Situation.
@ Wolfgang Aistermann: Danke für den langen und interessanten Kommantar! Nur eines: Künftig werden von fast allen Web-Modellen nur jene profitieren, die sich von eine Fan-Gemeinde aufgebaut haben. Man kommt nicht umhin, erstmal in Vorleistung zu gehen und nachzuweisen, was man zu leisten vermag. Warum sollten einen die Leute auch sonst unterstützen? 🙂
„Solang diese Urhebervertreter im Sinne ihrer Urheber nicht weiterkommen, sollten wir nicht über Almosen nachdenken, sondern über die Situation zwischen Vertragspartnern, anstatt Probleme bequem auszulagern.“
Dagegen habe ich doch gar nichts eingewendet. All das kann doch unabhängig vom Crowdfunding umgesetzt werden. Wir reden doch hier nicht über ein Entweder-Oder. Überall dort, wo Inhalte aber so oder so frei zur Verfügung stehen, kann doch mit neuen Modellen experimentiert werden. Diese Modelle werden die alten nicht ersetzen, könnten sie aber ggf. ergänzen und zusätzlich Geld einbringen. Ob das klappt, gilt es herauszufinden. In Zeiten des Medienwandels ist die Bereitschaft zum Experiment aus meiner Sicht sehr wichtig.
„Wäre es nicht vernünftiger, stattdessen mit allen Beteiligten über eine angemessene, wertige Bezahlung von schöpferischer Arbeit zu verhandeln?
Im Sinne einer Kulturflatrate?“
Nein. Ich denke dabei an die ganz normalen Vertragsverhandlungen – und vor allem an die Arbeit des VS und der Übersetzerverbände. Solang diese Urhebervertreter im Sinne ihrer Urheber nicht weiterkommen, sollten wir nicht über Almosen nachdenken, sondern über die Situation zwischen Vertragspartnern, anstatt Probleme bequem auszulagern.
Wie so oft ist es auch hier eine Frage der Einstellung. Verstehen wir Croudfunding als „Spenden“ oder „Sponsorn“, als „Allmosen/Betteln“ oder „Anerkennung/Tribut“, als „etwas aus Mitleid spenden“ oder „etwas mit Wertschätzung honorieren“? In diesen Unterschieden verläuft die Frontlinie der Diskussion. Wer sich als Autor in der ersten Gruppe sieht, der sollte unbedingt die Finger von Croudfunding-Modellen lassen – egal in welcher Form, ob Flattr oder Subskription. Wer sich aber als Unternehmer der eigenen Sache versteht, dem bietet das Croudfunding neue Möglichkeiten und Chancen. Für diese „Unternehmer“, die über Croudfunding den Beweis angetreten haben, dass ihre Werke von Lesern gewünscht und geschätzt werden, dürfte dann der Weg in Verlagsprogramme sogar leichter werden. Wenn sie dorthin dann überhaupt noch wollen.
Ich bin auch so ein Autor, der von den Einkünften aus dem Schreiben von Büchern nicht leben kann. Mir geht es aber genau anders herum, Frau Cronenburg: ich finde gerade die Bereiche in dem Artikel spannend, die noch offen sind und in Frage stehen.
Trotzdem teile ich Ihre Vorbehalte für den Kernbereich des Artikels: Flattr & Kachingle bescheren in der aktuellen Ausprägung mutmaßlich nur dem Autoren einen substantiellen Nebenerwerb, der erstens bereits über eine gewisse Reichweite verfügt und dessen Leser eine gewisse Nähe zur Internetkultur haben. Aber wer weiß: vielleicht kommt da gerade eine machtvolle Entwicklung in Gang. Vielleicht treiben die faszinierenden Beschleunigungskräfte des Internets Social Payment Dienste schon in wenigen Jahren in die Breite? In dem Fall würden Flattr & Kachingle einen Vorteil bieten, den anderen CrowdFunding Modelle für Künstler nicht bieten: eine Verbreitung unter den Lesern, also den potentiellen 2.0 Mäzenen Und es ist einfach zu handhaben, wenn man sich einmal angemeldet hat: es braucht nur einen Klick. Das hilft sicher, dem willigen Unterstützer den Weg zur Entscheidung zu verkürzen.
Aber vorher muss sich erst einmal erweisen, dass Flattr & Kachingle überhaupt tatsächlich zu freiwillig bezahlten Inhalten führen. Was Sie da in Ihrem Vortrag anhand eines Zitats von Tim Pritlove konstatieren (wenn ich das aus den Folien richtig herausgelesen habe), wäre einfach zu schön, um wahr zu sein: Menschen bezahlen Autoren, damit sie weitermachen können. Aber gelingt das auch tatsächlich in einer Vielzahl von Ausprägungen? Oder um es noch stärker zu fokussieren: gibt es tatsächlich eine substantielle Anzahl von Lesern, von reinen Rezipienten, die Ihre Kuchenstücke an die Autoren / Blogs / Institutionen verteilen? Oder reichen die an Flattr angebundenen Produzenten einfach nur ihre Münzen im Kreis herum? Gibt es dazu schon Zahlen?
Ich stimme Richard K. Breuer zu: solange keine Einflussnahme stattfindet (und wie sollte das von statten gehen?), ist es doch wunderbar, wenn sich eine weitere Einnahmequelle ergibt. Und selbst wenn die Flattr-Cent nicht ganz so zahlreich in den Säckel wandern: jede Lesung die ich einspare, jede Wochenstunde Brotberuf, die ich streichen kann, sorgt für mehr Schreibzeit. Wenn ich dadurch nur 3 Stunden gewinne sind das bei mir je nach Tagesform einige Buchseiten.
Ich finde die Teilbereiche Ihres Vortrags abseits von Flattr & Kachingle fast noch spannender- zum Beispiel die Frage, wie man als Autor seine Leser in die Monetarisierung des Schreibprozesses selbst einbinden kann. Ich habe allerdings Richard K. Breuers Club der 99 als Beispiel vermisst. Eine spannende Idee- eine Gruppe Unterstützer ermöglicht den Druck eines Buchs. Man müsste nur die One Click Möglichkeiten von Flattr damit verbinden können um den potentiellen Unterstützer bei Interesse sofort abholen zu können. Wie sind denn Ihre Erfahrungen mit Flattr bisher, lieber Herr Breuer? 🙂
Der zweite Aspekt, und so bin ich überhaupt auf Ihren Vortrag aufmerksam geworden, betrifft Plattformen wie Neobooks & Euryclia. Welche neuen Möglichkeiten bietet das Internet Autoren, um ihren Manuskripten mit der Unterstützung von Lesern Gewicht beim Lektorat zu verleihen? Führt eine leserbasierte Bewertung von Manuskripten tatsächlich dazu, dass Nischenprodukte Zugang zum Buchmarkt finden? Kann man als Autor über diese Plattformen die Markttauglichkeit seiner Texte quasi vorab unter Beweis stellen?
Ich finde die Idee hinter diesen Plattformen sehr faszinierend. Ich bin gespannt, ob es beispielsweise Neobooks tatsächlich gelingt, eine große Anzahl ehrenamtlicher Erstleser zu rekrutieren. Leser also, die nicht auch selbst Texte bei Neobooks online haben. Erst dann könnten die Flattr-Cents wie von Ihnen beschrieben ihre zusätzliche Bedeutungskraft entfalten. Neobooks scheint da noch einiges in Planung zu haben, ich bin gespannt.
In jedem Fall auch an dieser Stelle: vielen Dank für die interessanten Gedankenanstöße Herr Wattig!
Die Kommentare mit Links sind wegen der Links erst jetzt erschienen/freigeschaltet worden. Daher späte Antwort:
@Paul
Pay with a Tweet finde ich nicht so toll, weil es aus meiner Sicht eine potenzielle Spam-Quelle ist. Wie soll ich wissen, ob das gut ist, was ich da gewissermaßen empfehle? Der Zauber bei Flattr & Co. ist, dass der Beitrag nach der Rezeption erfolgt.
@Richard
Habe den Kommentar gleich mal verbloggt – siehe leanderwattig.de 🙂
@Max
Danke! Free greift ja auch hier. Man schwimmt also auf dem Kopienstrom und versucht nicht, ihn aufzuhalten. Und beim Schwimmen fischt man Wertvolles heraus.
Am Ende geht es doch nur um eines: eine Möglichkeit, als schöpferisch kreativ Tätiger sein Auslangen zu finden, vulgo: seine Existenz abzusichern. In welcher Form das Geschieht, ist dem Künstler ja per se egal – so lange er seine Kreativität nicht in Gefahr sieht (durch Einflussnahme).
Die „neuen“ Bezahl-Modelle gab es ja schon früher und werden jetzt nur für das Web2.0 entdeckt. Der gute Robert Musil wurde finanziell von vielen Kollegen und Lesern unterstützt, also geflattert, wenn man so will. Ohne diese Unterstützungen gäbe es wohl keinen „Mann ohne Eigenschaften“, das meist-nichtgelesene Buch der deutschen Sprache 😉
Und Subskriptionsmodelle sind auch nichts Neues. Direktvertrieb schon gar nicht. Ich schätze, durch das Web, durch Social Media, wird das Rad nicht neu erfunden, sondern einfach nur frisch gestrichen.
P.S.: Die aktuelle Ausgabe von medienradio.org widmet sich ebenfalls diesem Thema: http://medienradio.org/mr/mr032-flattr/
„Wie kann man aus einer absoluten Minderheit, bei der Flattr & Co. einigermaßen (!) funktioniert (man beachte deren Inhalte, das Land und ihre Bekanntheit), Rückschlüsse auf den Buchmarkt in seiner bunten Vielfalt ziehen?“
Die Plattformen sind so jung, dass man keine verlässlichen Zukunftsaussagen treffen kann. Erstmal müssten mehr Leute beginnen, die Plattformen zu nutzen, bis eine kritische Masse erreicht ist. Eine Erfolgsgarantie im Einzelfall gibt es natürlich auch nicht. Aber warum nicht die Chance anerkennen und damit experimentieren?
„Warum bräuchte ich in Zukunft bei diesem Modell überhaupt einen herkömmlichen Buchmarkt, wenn ich mich doch direkt von Lesern finanzieren und womöglich ”wählen” ließe? Hätte ich dann nicht am Ende noch viel mehr in der Tasche, wenn ich gleich ohne all die Mitverdiener, etwa im Buchhandel, produziere? Eine stärkere Bindung zwischen Autor und Leser schreit doch förmlich nach Direktvertrieb?“
Weil die Welt nicht schwarz-weiß ist und nicht jeder gleich 5.000 Euro absahnen wird. 😉 Aber der Direktvertrieb wird sicher wichtiger werden. Die „Mittelsmänner“ müssen eben einen Mehrwert schaffen.
„Warum sollten die Schlechtbezahlten am Ende der ”Nahrungskette” sich künftig auf noch mehr Risiken einlassen (während die bisherigen Risikonehmer diese zunehmend auslagern)?“
Das verstehe ich nicht. Wieso mehr Risiko? Man muss die Dienste ja nicht nutzen und sie laufen ja auch nur quasi nebenbei mit.
„Wäre es nicht vernünftiger, stattdessen mit allen Beteiligten über eine angemessene, wertige Bezahlung von schöpferischer Arbeit zu verhandeln?“
Im Sinne einer Kulturflatrate? Da bleibt das Problem der „gerechten“ Verteilung … Außerdem: Was ist angemessen? Was ist wertig? Da kann man diskutieren bis zum Ende aller Tage. Ich würde lieber auf einfache Nachfrage setzen. Diese bilden die Dienste schon ganz gut ab, auch wenn sie noch in den Kinderschuhen stecken.
„Ich weiß auch nicht, ob Leser es künftig witzig fänden, zum Buchpreis obendrein Spenden abzudrücken. Würde dann der Buchpreis sinken – damit gekoppelt auch die Tantiemen?“
Wenn der Autor/Verlag/… über klassischen Paid Content schon Geld bekommt, wird man eher weniger bis nichts über Flattr & Co. geben. Diese Plattformen funktionieren eher, wenn die klassischen Erlösquellen versagen – quasi als Kompensation.
Als Übersetzerin und Autorin gehöre ich zum angesprochenen „minderbemittelten“ Personenkreis und bin grundsätzlich neuen Möglichkeiten gegenüber aufgeschlossen, um meine Existenz zu sichern. Doch dieser Artikel lässt mir allzu viele Fragen offen:
Wie kann man aus einer absoluten Minderheit, bei der Flattr & Co. einigermaßen (!) funktioniert (man beachte deren Inhalte, das Land und ihre Bekanntheit), Rückschlüsse auf den Buchmarkt in seiner bunten Vielfalt ziehen?
Warum bräuchte ich in Zukunft bei diesem Modell überhaupt einen herkömmlichen Buchmarkt, wenn ich mich doch direkt von Lesern finanzieren und womöglich „wählen“ ließe? Hätte ich dann nicht am Ende noch viel mehr in der Tasche, wenn ich gleich ohne all die Mitverdiener, etwa im Buchhandel, produziere? Eine stärkere Bindung zwischen Autor und Leser schreit doch förmlich nach Direktvertrieb?
Warum sollten die Schlechtbezahlten am Ende der „Nahrungskette“ sich künftig auf noch mehr Risiken einlassen (während die bisherigen Risikonehmer diese zunehmend auslagern)?
Wäre es nicht vernünftiger, stattdessen mit allen Beteiligten über eine angemessene, wertige Bezahlung von schöpferischer Arbeit zu verhandeln?
Ich weiß auch nicht, ob Leser es künftig witzig fänden, zum Buchpreis obendrein Spenden abzudrücken. Würde dann der Buchpreis sinken – damit gekoppelt auch die Tantiemen?
Oder habe ich einfach alles nur falsch verstanden?
Vielen Dank für diesen Beitrag! Ich glaube, dass Social Payment gerade im Bereich der Nischenangebote echt interessant sein kann und bin echt gespannt, die Entwicklung in der nächsten Zeit zu beobachten.
Wir haben heute bei epublizisten einen Beitrag gebracht, der die Grundidee etwas anders aufgreift: Durch die Kostenvorteile der digitalen Welt kann die „Gratis-Kultur“ auch bewusst genutzt werden. Ausgehend von Chris Anderson’s Thesen des „Freemium“ bieten sich für die Vermarktung (z.B. mit einer abgespeckten Version zum kostenlosen Download) ganz neue Möglichkeiten http://www.epublizisten.de/2010/10/free-als-marketing-tool-epubli-buch-im-ibookstore-uber-5-000-mal-geladen/
Ich finde in dem Zusammenhang auch den Dienst „Pay with a Tweet“ (http://www.paywithatweet.com/) eine zu beachtende Herangehensweise. Wenn kein Geld fliesst, kann man als Unternehmen z.B. um einen Tweet, einen Post bei Facebook oder anderen Hinweis in seinen Netzwerken bitten.