Cory Doctorow (Foto: Flickr-Nutzer Joi Ito, CC BY 2.0)
Im Dauer-Konflikt von Verlagen und Bibliotheken um die Onleihe (hier unser Dossier) kritisiert Cory Doctorow die Position der Bücher-Produzenten. Statt hoher Auflagen und Aufpreise müssten die Verlage Rabatte beim E-Book-Verkauf gewähren, meint der Science-Fiction-Autor und Journalist. Denn: Die Bibliotheken nähmen immer stärker die Rolle der Buchhandlung ein.
Doctorow wundert sich in einem Artikel für die Science-Fiction-Webseite Locus, dass die Bibliotheken beim Erwerb von E-Books oft das Fünffache des herkömmlichen Verkaufspreises zahlen müssten. Da sie einzelne Titel nicht mehrfach gleichzeitig verleihen dürften, kauften die Bibliotheken oft ein Dutzend der überteuerten E-Books ein. Hinzu komme, dass die Bibliotheken viel Geld für eine Software von Firmen wie Overdrive ausgeben müssten, die sicherstelle, dass die E-Books eben nicht mehrfach gleichzeitig ausgeliehen werden können. Und, zu Doctorows Ärger, Verlage wie HarperCollins verlangten, dass Bibliotheken ihre E-Titel löschten, nachdem diese 26 Mal ausgeliehen wurden. Dies sei „falsch und pervers“ – falsch, weil gedruckte HarperCollins-Titel sicher nach 26 Ausleihen nicht auseinanderfielen; pervers, weil der Verlag die Beschränkungen physischer Medien in die digitale Welt importiere und dies auch noch feiere. „Das ist so, als ob man darauf besteht, dass Glühbirnen nur ein Lumen (umgerechnet 0,15 Watt, d. Red.) Licht haben dürfen, weil eine vergleichbare Kerze auch nicht mehr schafft.“
Doctorow wirbt dafür, dass sich die Verlage auf die Bibliotheken zubewegen. Seine Argumente:
- Während die Welt des stationären Buchhandels erschüttert werde, gebe es Bibliotheken in jeder Stadt – in vielen Städten seien sie das „letzte Schaufenster“ für Bücher. Moderne Bibliotheken seien eine Art Buchhandlung geworden, in der kompetente Mitarbeiter, die Bücher liebten, und Autoren stolz seien, ihren Kunden die Produkte der Verlage „händisch“ zu verkaufen.
- Bibliotheken organisierten einige der besten Autoren-Events.
- In den „E-Book-Kriegen“ könnten Bibliotheken als Verbündete der Verlage agieren.
- Bibliotheken seien, anders als jeder andere E-Book-Kanal, keine Wettbewerber der Verlage, sie wollten keine Geräte verkaufen, nicht die Kunden in ihre Cloud bugsieren, sondern nur, dass Leser lesen, Autoren schreiben und Verleger verkaufen. „Sie verdienen einen besseren Deal als bislang“.
Doctorow macht sich auch Gedanken über einen „besseren Deal“:
- Die Bibliotheken sollten bei der E-Book-Anschaffung Rabatte erhalten, statt einen Aufpreis zu zahlen. Begründung: Sie seien wichtige Kunden, kauften große E-Pakete. Und: Die E-Books, die angeschafft werden, blieben für immer im Portfolio – anders als die gedruckten Bücher, die regelmäßig aussortiert und verkauft würden.
- Verlage erhalten regelmäßig die E-Book-Nutzungsdaten, die Bibliotheken sammeln – Daten, die Amazon dagegen nicht herausrücke.
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