Seit 20 Jahren bildet die Buchakademie die Manager der Branche aus und fort. Bernd Zanetti zeigt, wie der rasanten Wandelder Medien die Akademie verändert.
Irgendwann setzt sich der Buchakademie-Kunde Google Glasses auf und wird mit der eingebauten Kamera live beim Workflow geschult – wie realistisch ist Ihr kürzlich bei einer Rede skizziertes Szenario?
Das ist einerseits natürlich mit einer Ironie versehen, andererseits sind wir gar nicht so weit davon entfernt. Das ist Science-Fiction, aber auch Smartphones sind vor wenigen Jahren noch Zukunftsmusik gewesen. Ein Produkt wie Google Glasses, auch wenn es noch nicht die absolute Marktreife hat, wäre ideal für Weiterbildung direkt am Arbeitsplatz: Die Brille könnte den eigenen Workflow registrieren, analysieren und im passenden Moment einblenden, wie und wo er optimiert werden könnte.
Erfährt die Akademie in dieser Zeit der Neuausrichtung der gesamten Branche eine Hochkonjunktur?
Grundsätzlich profitieren wir von der Orientierungssuche der vergangenen Jahre: Wir haben die Zahl der Teilnehmer seit 1993 von 50 auf 3700 Teilnehmer im vergangenen Jahr gesteigert, insgesamt haben sich seit unserer Gründung 39 000 Teilnehmer bei uns weitergebildet. Gleichwohl gibt es immer wieder Plateauphasen, in denen das Wachstum stagniert. Das hängt damit zusammen, dass sich die Unternehmen neu ordnen und in der Umstrukturierungsphase weniger Teilnehmer in offene Seminare schicken. Hinzu kommt, dass die Zahl der Mitarbeiter in der Branche eher ab- als zunimmt. Wir haben allerdings bereits vor Jahren damit begonnen, unsere Zielgruppen zu erweitern, um weiteres Wachstum zu ermöglichen. Das Tempo, mit dem sich die Branche verändert, führt auch dazu, dass wir die Inhalte unserer Seminare häufiger aktualisieren müssen. Durch die Nähe zu unseren Gesellschaftern sind wir aber immer nah an den Entwicklungen dran. Das ist außerdem eine gute Basis für qualitativ hochwertige Weiterbildungsangebote. Anders als manche kommerziellen Anbieter sind wir nicht gezwungen, zu viele schlechte Kompromisse einzugehen.
Wie verändert sich das Management angesichts der Disruption?
Die strengen Hierarchien, die es früher gab, lösen sich immer weiter auf. Man arbeitet immer mehr in flexibleren Projektmanagementstrukturen zusammen. Die einzelnen Mitarbeiter haben mehr Entscheidungsbefugnisse, die Zusammenarbeit der Abteilungen wird enger. Zudem werden Kooperationen mit Partnern aus anderen Branchen immer wichtiger …
… weshalb die Buchakademie längst keine Buchakademie mehr ist?
Wir haben uns mit unseren Kunden immer mehr zu einer Medienakademie entwickelt. Es kommen auch immer mehr Teilnehmer aus anderen Branchen zu uns. In unseren Medienrechtsseminaren z. B. begrüßen wir schon seit Jahren auch Leute aus dem Digital-, Fernseh- oder Musikbusiness.
Wächst mit der Erweiterung der Zielgruppe auch der Wettbewerb?
Sicher, gerade bei den Themen E-Publishing und Internet gibt es sehr viele Wettbewerber, auch spezialisierte Anbieter. Aber für Anbieter von praxisorientierter Weiterbildung, die auf den Bedarf bestimmter Zielgruppen zugeschnitten sind, gibt es immer einen Platz.
In jüngster Zeit wächst die Zahl von User-generated-Events: Leute aus der Praxis bieten auf eigene Faust Veranstaltungen gegen einen Selbstkostenpreis an, sei es Barcamps oder Stammtische. Eine neue Konkurrenz?
Natürlich wächst da auch ein neuer Wettbewerb heran. Solche Angebote sind in gewisser Weise eine Konkurrenz, sind aber eher als Ergänzung zu Formen systematischer Wissensvermittlung zu sehen und haben ihre Tücken. Nur bei einer sehr akkuraten und professionellen Vorbereitung funktionieren Barcamps wirklich. Für uns ist es schwer, derartige Formate anzubieten, weil wir uns durch Veranstaltungen refinanzieren. Unsere größte Herausforderung ist die Balance zwischen eher frontaler Wissensvermittlung durch Brancheninsider bzw. externe Referenten einerseits und interaktiven Vermittlungsformen auf der anderen Seite, die auch in Konferenzformaten immer stärker an Raum gewinnen.
Wie wichtig ist heute die digitale Wissensvermittlung, etwa durch Webinare?
Vor wenigen Jahren war die Bereitschaft bei unseren Kunden für eine derartige Kommunikation noch nicht da, doch das hat sich mittlerweile geändert: Wenn man Webinare im richtigen Format anbietet, kann das durchaus funktionieren. Im Moment ist das meist noch relativ niedrige Preisniveau ein Problem; wir müssen dann auf eine gewisse Masse kommen, damit sich das rechnet. Grundsätzlich eignen sich Webinare sehr gut, um zum Beispiel aktualitätsgetriebene Inhalte zu vermitteln. In der Perspektive werden sich diese digitalen Formate ausdifferenzieren, es wird E-Learning-Seminare mit umfangreicheren Inhalten geben, daneben aber auch kurze Webinare, die ein Thema zur Diskussion stellen oder kurze Information bieten.
Zur Person: Bernd Zanetti
Arbeitete nach dem Studium der Romanistik, Germanistik und Komparatistik in München und Venedig u. a. als Journalist, Verlagsberater und Dozent. Ab 1994 Referent, dann Projektleiter des Referats „Fortbildung im Medienbereich“ der Bertelsmann-Stiftung. Parallel dazu ab 1997 kommissarischer Leiter und ab 1999 Geschäftsführer der Akademie des Deutschen Buchhandels.
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