Elisabeth Ruge lobt die deutschen Buchhandelsketten. Sie bescheinigt ihnen ein international hohes Niveau – dank Preisbindung. Ein Interview.
Sind die Filialisten besser als ihr Ruf?
Wir erleben mit den deutschen Filialisten viele positive Überraschungen. Wir haben zum Beispiel im vergangenen Herbst Richard Fords großen Roman „Die Lage des Landes“ veröffentlicht. Das ist sein dickster, teuerster und anspruchsvollster Roman. Trotzdem haben wir Thalia überzeugen können, uns einen großen Teil der Auflage abzunehmen. Zusammen mit dem Engagement des unabhängigen Buchhandels hat das einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass „Die Lage des Landes“ auch der erfolgreichste Roman von Richard Ford im deutschsprachigen Raum geworden ist.
Verliert der unabhängige Buchhandel dadurch als Partner für Sie an Bedeutung?
Nein, der unabhängige Buchhandel ist und bleibt ein unverzichtbarer Partner für uns. Dennoch müssen wir in einem veränderten Markt heute grundsätzlich sehr viel kreativer und flexibler agieren als noch vor 10 oder 15 Jahren. Das bedeutet für uns als Verlag, dass wir beides tun müssen: Die Filialisten als Partner gewinnen, aber auch attraktive Vertriebsmodelle für den unabhängigen Buchhandel entwickeln, die sich nicht nur am Umsatz orientieren (wie PPP, das mit großem Erfolg gestartete Prolit-Partner-Programm) und die neuen Zusammenschlüsse der Sortimenter unterstützen.
Wie sehen Sie die deutschen Filialisten im Vergleich zu den englischen?
Auch wenn es zwischen den einzelnen Filialen deutscher Buchhandelsketten Unterschiede gibt, kann man grundsätzlich sagen, dass die Preisbindung bei uns das Niveau der Filialisten erhält. Das ist ein großer Unterschied zu England. Vor 15 Jahren hatte etwa Waterstones große, lebhafte Buchhandlungen mit einem hervorragenden Sortiment. Heute sind die Waterstones-Filialen durch den Preiskampf ausgeblutete, leblose Buchhandlungen. Besonders unberechenbar und gefährlich sind die Discounter wie Tesco, die gar nicht mehr interessiert, ob sie mit den Büchern selbst Geld verdienen, sondern die nur noch mit einem Bestsellersortiment Kunden für ganz andere Waren in ihre Läden locken wollen.
Elisabeth Ruge
1960 in Köln geboren, ist gelernte Buchhändlerin und hat eine Dolmetscherausbildung in Russisch. Sie studierte Sla-wistik, Amerikanistik und Anglistik und arbeitete als Lektorin für ausländische Literatur bei S. Fischer.
1994 gründete sie zusammen mit Arnulf Conradi und Veit Heinichen den Berlin Verlag. Vier Jahre später ging der Verlag zu Random House, verließ die Gruppe aber wieder, um sich mit dem Londoner Bloomsbury Verlag zu verbinden.
2005 übernahm Elisabeth Ruge die Leitung des Verlags von Arnulf Conradi.
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